≡
Außer Atem: Das Berlinale Blog
Aktualität: 01.02.2013 bis 03.03.2013 - 57 Artikel - Seite 2 von 4
Außer Atem: Das Berlinale Blog 13.02.2013 Yoichi sitzt am Fenster, im ersten Stock des Hauses, den Rücken der Kamera zugewandt und blickt durch ein Fernglas nach draußen. Und gleichzeitig, sagt der Voice Over, auf die Vergangenheit, auf sein vier Jahre jüngeres Ich, das noch nicht war, was er jetzt ist: ein Fischverkäufer, wie der Vater vor ihm, Ernährer einer kleinen Familie, die Dank ihm gerade einmal so über die Runden kommt. Von
Lukas Foerster
Außer Atem: Das Berlinale Blog 13.02.2013 Ein Mann kehrt heim. Meist sagt man: in das Land seiner Väter, in diesem Fall muss man sagen: in das Land seiner Tochter. Baio hatte als Kämpfer in der portugiesischen Kolonialarmee gedient und musste Guinea-Bissau verlassen, als es unabhängig wurde, er wäre seines Lebens nicht sicher gewesen. Seine Tochter Fatou ist Lehrerin in diesem von Bürgerkrieg und etlichen Putschen gebeutelten Land. Ihre Studenten erinnert sie an die stolze Geschichte der Mandinga, die vor 4500 Jahren in Mali den Ackerbau erfanden, vor 2000 Jahren die gerechte Herrschaft, vor 1000 Jahren die Musik, aus der Reggae und Jazz hervorgingen – während die Europäer Kriege führten. Fatou will den Musiker Idrissa heiraten, der in der angesagtesten Band des Landes spielt und im Radio die stolze Geschichte der Mandinga erzählt. Idrissa, in dessen Rolle der real existierende Musiker Mamadu Baio auftritt, spielt Kora und Balafon, Fatous Instrumente sind Radio, iMac und Smartphone. Der Vater schleppt in seinem Koffer altes Gerät mit sich herum. Vielleicht haben ihm die Portugiesen erzählt, dass der rostige Wasserhahn ein Funkgerät sei. Von
Thekla Dannenberg
Außer Atem: Das Berlinale Blog 13.02.2013 "Das ist forsch, das hat Klasse", sagt Claude Lanzmann im Tagesspiegel-Interview mit Jan Schulz-Ojala zu der Entscheidung, nach der Preisverleihung, bei der er selbst den Ehrenbären erhält, seinen doch eher unfestlichen Film "Sobibor, 14.
Oktober 1943, 16 Uhr" zu zeigen – "einen Film, in dem Juden Deutsche töten!"
Außerdem eilen die beiden durch Lanzmanns Filmgeschichte, Eichmannprozess und Hannah Arendt, den neuen Antisemitismus und Jakob Augsteins Gleichsetzung von Gaza mit den Lagern: "Das verurteile ich. Von
Thekla Dannenberg
Außer Atem: Das Berlinale Blog 13.02.2013 Manche möchten jemand anderes werden, manche möchten als sie selbst ein anderes Leben führen, manche würden überhaupt erste einmal gern wissen, wer sie sind und warum. James hört auch die Stimmen, die zu ihm sprechen. Natürlich, er ist ja nicht taub! James hat auch viele Persönlichkeiten, deswegen denkt er bei seinen Strandspaziergängen auch oft etwas angestrengt darüber nach, wie man zu dem wird, der man ist: An Punkt A ist man eine Person, an Punkt B eine andere, und an Punkt C verwandelt man sich wieder. Manchmal zerspringt man an einem Punkt auch, dann ist man nur noch Winkel und Fragmente, Zonen und Bereiche. Von
Thekla Dannenberg
Außer Atem: Das Berlinale Blog 12.02.2013 Südafrika, eine nächtliche Landstraße: Layla, alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohnes, fährt seit Stunden Auto, es ist stockfinster, der Scheinwerfer rast über den Asphalt. Da steht plötzlich ein Auto quer auf der Fahrbahn, der kleine Sohn macht im Schlaf ein Geräusch, Layla ist eine Zehntelsekunde abgelenkt – und hat einen Mann angefahren, einen weißen, älteren, der kurz darauf stirbt. Von
Elena Meilicke
Außer Atem: Das Berlinale Blog 12.02.2013 Ende letzten Jahres starb Koji Wakamatsu, Exploitationfilmer und politischer Aktivist, Anfang dieses Jahres, vor wenigen Wochen erst, starb auch Nagisa Oshima, Kino-Revolutionär und eine der zentralen Figuren in der japanischen Öffentlichkeit der letzten dreißig Jahre. Das japanische Independentkino hat innerhalb weniger Monate zwei seiner zentrale Figuren verloren, zwei, die wie niemand sonst für eine radikal avantgardistische Position einstanden, die keinen Unterschied machte zwischen Politik und Ästhetik. Zwei, für die filmästhetisches Aufbegehren (Oshima: "My hatred for Japanese cinema includes absolutely all of it") nie zu trennen war von einer gesellschaftspolitischen Positionierung. Was bleibt von diesem Erbe? Es ist sicher nicht ganz fair, einen Film wie "Cold Bloom" von Atsushi Funahashi an diesen beiden Heroen des politischen Independentkinos zu messen und damit an Ansprüchen, die nie die seinen waren. Aber man darf sich doch fragen, warum das Internationale Forum des jungen Films ausgerechnet ein derart reaktionäres Machwerk für würdig befindet, den Status quo des japanischen Independentkinos mitzudefinieren. Von
Lukas Foerster
Außer Atem: Das Berlinale Blog 11.02.2013 Es ist schon klar, dass "Upstream Color" von Shane Carruth in gewisser Hinsicht ein ziemlich meisterhafter Film ist: ein unendlich fluider Bilderstrom aus fragmentierten Bild- und Tonereignissen, organisiert durch eine sehr schnelle und elegante Montage, die gleichzeitig ganz organisch und rund ist. Alles passiert rasch und nah, in Bildern mit minimaler Tiefenschärfe. "Upstream Color" erlaubt, ermuntert, forciert ein Sehen, das zugleich hört und spürt, ein Sehen, das mitgeht und sich tragen lässt. Ein Film wie ein Wispern, das einen von allen Seiten, lauter und leiser werdend, umfasst. Von
Elena Meilicke
Außer Atem: Das Berlinale Blog 11.02.2013 Interior. Leather Bar: Eine Ortsbeschreibung, im Kontext eines Filmdrehbuchs eine Anweisung für den Bühnenbildner. Im Skript von William Friedkins "Cruising", einem verspäteten New-Hollywood-Thriller, der in der New Yorker Schwulenszene spielt, kam diese Ortsbeschreibung häufig vor. Im fertigen Film, der trotz aller Kompromisse, die im Laufe der Postproduktion eingegangen wurden, noch für jede Menge Ärger sorgte, vor allem, weil ihm Homosexuellenverbände Homophobie und implizite Anstiftung zu hate crimes vorwarfen, taucht das entsprechende Set zwar noch immer recht prominent, aber lange nicht mehr so häufig auf. Insgesamt gut 40 Minuten Material möglicherweise hardcorepornografischer Natur wurde aus dem Film herausgeschnitten, bevor er zur Aufführung kam. Diese 40 Minuten sind seit den frühen Achtzigern wie vom Erdboden verschwunden, das entsprechende Material wurde möglicherweise wohl vernichtet. Von
Lukas Foerster