Außer Atem: Das Berlinale Blog

Verharrt im audiovisuellen Zölibat: Pablo Larrains 'El Club' (Wettbewerb)

Von Lukas Foerster
09.02.2015. Pablo Larraíns "El Club" packt ein heißes Eisen an (den Missbrauch von Kindern durch katholische Priester) und traut sich dann doch nicht ans Eingemachte.


Gestern bei Malick tauchte ein Hund im Swimmingpool nach einem Spielzeug. Heute bei Pablo Larrain jagt ein Hund Fischen hinterher, die ihm vor die Nase gelegt und dann wieder entzogen werden. Damit (und mit der Vorliebe beider Regisseure für Weitwinkelfotografie) enden die Parallelen zwischen "Knight of Cups" und "El Club" auch schon wieder.

Larrains "El Club" beginnt mit der Hundeabrichtung am Strand. Vier Männer und eine Frau stehen in der Dämmerung beisammen, eine verschworene Gemeinschaft schon hier. Der Hund ist ein Windhund ("der einzige Hund, der in der Bibel erwähnt wird", wie es später heißt) und er tritt in Wettrennen gegen andere Hunde der Gegend an. Die vier Männer und die Frau leben gemeinsam in einem gelben Haus in einem, wie es später heißt "Drecksnest am Ende der Welt", irgendwo in der chilenischen Provinz. Nach und nach offenbart der Film, was es mit dieser Wohngemeinschaft auf sich hat: Erst erfährt man, dass es sich bei den Männern um katholische Priester und bei der Frau um eine Nonne handelt; dann, dass die vier Priester in einer Art Schutzexil leben, das die Kirche für jene ihrer Angehörige eingerichtet hat, die den guten Ruf der Institution gefährden können.

Zumindest einige der Männer leben in dem Haus, weil sie in ihrer aktiven Priesterlaufbahn Kinder sexuell missbraucht haben. Als kleiner Club innerhalb des größeren Clubs der katholischen Kirche halten sie sich gegenseitig den Rücken frei und haben dafür eine besondere Art von Korpsgeist, eigene Rituale und auch eine eigene Moral ausgebildet. All das gerät in Gefahr durch zwei Eindringlinge: Zunächst taucht ein inzwischen erwachsenes Missbrauchsopfer auf und treibt mit seinen äußerst expliziten Anschuldigungen einen der Gottesdiener in den Selbstmord. Bald darauf taucht ein Kirchenfunktionär auf, der den entstandenen Schaden begrenzen und am besten dem ganzen klandestinen Spuk ein Ende bereiten soll.

Dieser Abgesandte der Religionsbürokratie, der deutlich jünger ist als die Männer im Haus, wird vorgestellt als: "ein schöner Mann". Sätze wie dieser deuten ein Potential des Films an, das sich leider nie realisiert: Als überdrehte Farce, die die bösartigen Heimlichtuereien in groteske Selbstoffenbarungen übersetzt, hätte "El Club" mir vielleicht gefallen können (ebenfalls lustig zum Beispiel ein anderer Satz, in dem sich einer der selbstgefangenen Priester als "König der Zurückhaltung" bezeichnet). Leider bleibt der chilenische Regisseur, der schon im (trotzdem deutlich interessanteren) Vorgänger "No" etwas zu sehr der kalkulierenden Smartness seines Drehbuchs vertraut hatte, bis zum Ende im Modus der halbironischen Düsternis gefangen: So ganz ernst nehmen kann er sich und seine am Reißbrett entworfene Konstruktion zwar nicht, aber dennoch will er es auf Biegen und Brechen einem jener düster-leblosen Themenfilmen ausformulieren, die von Festivals immer gerne genommen werden, weil sie sich problemlos (und leider eben auch: ohne, dass auch nur irgendeine Erkenntnis abfällt) auf "brisante Diskurse" projizieren lassen.

Diese Sorte Arthaus-Zynismus verbindet sich oft, und auch hier, mit einem Hang zur Symmetrie in der Bildgestaltung. Larrain setzt vor allem auf Großaufnahmen der Priestergesichter, die zentriert in der Bildmitte die breite Cinemascope-Leinwand klaustrophobisch verschließen. Sonst ist alles dunkel und weitgehend farblos, neblig sowieso, und die sphärische Musik legt sich wie ein zweiter Nebel über das eben noch nicht einmal besonders gelbe Haus. Kein bisschen interessiert mich, wie es dem Club am Ende gelingen wird, die Gefahren von außen abzuwehren, sich wieder zu rekonstruieren. Ich möchte nur fliehen aus diesem Film, der die Sinne und das Denken einsperrt und sich selbst ein audiovisuelles Zölibat auferlegt.

Pablo Larraín: "El Club". Mit Roberto Farías, Antonia Zegers, Alfredo Castro, Alejandro Goic, Alejandro Sieveking, Jaime Vadell, Marcelo Alonso, Francisco Reyes, José Soza. Chile 2015, 98 Minuten. (Vorführtermine)