Außer Atem: Das Berlinale Blog

Beziehungs-Skelette: Berlinale-Presseschau vom 14.02.2017

Von Thomas Groh
14.02.2017. Thomas Arslans Wettbewerbsbeitrag "Helle Nächte" spaltet die Kritik. In "Untitled" lässt Michael Glawogger die Esel klagen. Eine Presseschau.

Georg Friedrich kurz vor Skelettierung: Thomas Arslans "Helle Nächte"

Thomas Arslans
gen Norwegen reisende Vater-und-Sohn-Geschichte "Helle Nächte", mit der die Berlinale ihren Reigen an deutschen Wettbewerbsfilmen eröffnet, wird sehr gespalten aufgenommen. Für Ekkehard Knörer von taz ging Arslans Methode der Skelettierung diesmal sichtlich zu weit. Er sah: "Plot-Skelette, Figuren-Skelette, Beziehungs-Skelette. Es geht [Arslan] nicht um Prägnanz, sondern um Klarheit; nicht um Auskleidung, sondern um Struktur. ... Vater und Sohn und was sie verbindet und trennt. Ein bisschen Entwicklung. Das ist da. Und mehr ist da nicht." Sehr gnadenlos zeigt sich Andres Busche im Tagesspiegel: "Arslan scheint den eigenen Darstellern nicht genug zu vertrauen, um seinen formalen Minimalismus voll zur Geltung kommen zu lassen. Stattdessen tauschen Vater und Sohn merkwürdig banale Sätze aus, die ihre Kommunikationsstörung illustrieren, aber nicht die Hilflosigkeit des Drehbuchs kaschieren können. Die Leere, die seine Figuren umtreibt und sich in der Landschaft doppelt, findet keinen adäquaten Ausdruck." Positiv schreibt Thomas Groh im Perlentaucher:

Ansonsten besprochen werden aus dem Wettbewerb Sebastián Lelios "Una Mujer Fantástica" (taz, Tagesspiegel, kino-zeit.de) und und Sally Potters "The Party" (taz, Perlentaucher, critic.de, Tagesspiegel). David Steinitz (SZ), Verena Lueken (FAZ), Frank Junghänel (Berliner Zeitung) und Claudia Schwartz (NZZ) schreiben Tagesresümees..


Das Panorama zeigt Michael Glawoggers postum von der Schnittmeisterin Monika Willi fertiggestelltes Dokumentarfilmexperiment "Untitled", für das der österreichische Filmemacher geplant hatte, ohne Themenvorgabe ein Jahr mit kleinem Team um die Welt zu reisen. Nach wenigen Monaten erlag Glawogger der Malaria - der fertiggestellte Film zählt zu den besten des Festivals, schreibt Thomas Groh im Perlentaucher, der sich inbesondere von den Details "völlig gefangen nehmen [ließ]: Die unfassbar fleischigen, fast tonnenartigen Schenkel eines Ringers etwa. Die ungeheuren Kräfte, die Männer bei der Massage im Hamam aufeinander ausüben, wie sie einander verbiegen, bis an die Grenze zum Brechen des Körpers. Oder ein ungeheuer erhabener Moment: Eine Brache mit Eseln, an in den Boden gerammten Stangen festgezurrt. Einer von ihnen, so scheint es, legt alles je erfahrene Leid in seinen Kehlkopf und presst es in einem laut meckernden Klagelied unter bebenden Flanken wieder hinaus in die Welt." Für die taz bespricht Michael Meyns den Film.

Weiteres: Für den Tagesspiegel spricht Andreas Busche mit Raoul Peck, der mit gleich zwei Filmen über den jungen Karl Marx und den Schriftsteller James Baldwin im Festival vertreten ist. Daniela Sannwald empfiehlt im Tagesspiegel die kleine Retrospektive, die das Forum den in den 60ern und 70ern entstandenen Dokumentarfilmen des marokkanischen Regisseurs Ahmed Bouanani widmet. Ziemlich unheimlich findet Bert Rebhandl im FAZ-Blog den experimentellen Dokumentarfilm "somniloquies" von Lucien Castaing-Taylor und Verena Paravel über Menschen, die im Schlaf sprechen. In der SZ spricht Martina Knoben mit Andres Veiel, dessen aus Archivaufnahmen zusammengesetzter Dokumentarfilm über Joseph Beuys heute im Wettbewerb seine Weltpremiere feiert.

Außerdem besprochen werden unter anderem der Sylvain L'Espérances umfangreicher Dokumentarfilm "Combat Au Bout De La Nuit" über die Griechenlandkrise (Perlentaucher, Andreas Fanizadeh wirft dem Film in der taz eine "freudlose und eindimensionale Perspektive" vor) und die Restauration von Rainer Werner Fassbinders frühzeitig abgesetzter Fernsehserie "Acht Stunden sind kein Tag", die parallel auch auf DVD erscheint (kino-zeit.de).


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Und als Bonus: Bei der "Woche der Kritik" sprechen Peaches und Julian Ross unter der Moderation von Dennis Vetter miteinander. Die Videoaufzeichnung: