Außer Atem: Das Berlinale Blog

Die Wörter werden betrunken: Die Berlinale-Presseschau vom 17.02.2017

17.02.2017. Zum Ende noch ein Highlight: Die Kritik liegt Hong Sang-Soos "On the Beach at Night Alone" geschlossen zu Füßen. Sogar die Wörter frönen darin dem Alkohol, erfahren wir zudem. Rührt daher die allgemeine Sprachlosigkeit dieses Wettbewerbs? Und warum gibt es darin zwar wenig Sex, aber viele Zigaretten? Eine Presseschau.


Spät in einem insgesamt eher mittelguten Wettbewerb mit wenigen Ausreißern haben die Kritiker doch noch einen Liebling gefunden: Hong Sang-Soos "On the Beach at Night Alone" handelt von einer Schauspielerin und deren Seelenschmerz nach einer Affäre mit einem verheirateten Mann, einem Regisseur. Das habe durchaus autobiografische Hintergründe, ist den Kritiken zu entnehmen. Perlentaucherin Katrin Doerksen lässt dieser ruhige und antiklimatische Film jedenfalls aufatmen: Hong Sang-Soos Film wirke "wie die Antithese zu den Portraits gequälter männlicher Schöpferseelen, die im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale die alte Geschichte vom Künstler und seiner Muse variieren." Ekkehard Knörer schwärmt in der taz von diesem meisterlichen Film: "Wie immer bei Hong gibt es Gespräche, bei denen sich die Wörter verirren, auf der Suche nach ihrem Sinn. Die Menschen trinken und die Wörter werden betrunken. Sätze kehren wieder wie nicht ganz gescheit. Sätze über die Liebe, das Alter; das Alter, die Liebe; die Liebe, das Alter. Die Sätze und die Wörter sind tief empfunden, aber sie bedeuten nicht, was sie sagen, jedenfalls nicht einfach so." Das Kino dieses Auteurs "ist zum Leben hin durchlässig", schreibt Andreas Busche im Tagesspiegel.


Gemeinsam schweigsam: Szene aus Aki Kaurismäkis Wettbewerbsbeitrag "Die andere Seite der Hoffnung"

Für Katja Nicodemus ist diese Berlinale eine der großen Schweigsamkeit, schreibt sie in der Zeit: "Es [scheint], als hätten sich die Filme miteinander verschworen, um das fundamentale Unvermögen der Sprache vorzuführen. Als wollten sie gemeinsam auf der Leinwand zeigen, wie Worte zu Barrikaden werden und Sätze zu Fluchtwegen." Ob es denn vielleicht daran liegt, dass so wenig gevögelt wird auf dieser Berlinale? Das jedenfalls ist Jens Balzer von der Berliner Zeitung aufgefallen, der stattdessen den halben Wettbewerb von Zigarettenknarzern bevölkert sieht: "Bei allem eigenen Spaß am Tabakgenuss bin ich nicht sicher, ob das eine zukunftsträchtige Entwicklung ist."

Besprochen werden aus dem Wettbewerb außerdem Manuelo Gomes' "Joaquim" (taz, Tagesspiegel, critic.de, FAZ), Volker Schlöndorffs "Rückkehr nach Montauk" (Tagesspiegel, NZZ) und Alex de la Iglesias außer Konkurrenz gezeigte Metzelsatire "El Bar" (taz). Dominik Kamalzadeh (Standard) und Peter Uehling (Berliner Zeitung) resümieren den gestrigen Wettbewerbstag.

Weiteres: Anlässlich der Verleihung des Special Teddy Awards haben sich Wilfried Hippen (taz) und (Tagesspiegel) mit der Filmemacherin Monika Treut unterhalten. Bert Rebhandl berichtet im FAZ-Blog von einer Diskussion zwischen Joao Moreira Salles und Andres Veiel am Rande des Festivals. Für die taz resümiert Brigitte Werneburg das Programm des Forum Expanded. Im Perlentaucher schreibt Anja Seeliger über Merzak Allouaches algerische Doku "Investigating Paradise".

Weiteres und mehr über den Tag verteilt in den Berlinale-Schwerpunkten der berichterstattenden Zeitungen und Magazine, namentlich FAZ, taz,Tagesspiegel, critic.de, kino-zeit.de, Jugend ohne Film, epdFilm, Filmdienst, Artechock und Negativ. Unverzichtbar für schnelle Updates: Der Kritikerspiegel von critic.de und die SMS der Cargo-Kritiker. Unser Berlinaleblog mit zahlreichen weiteren Kritiken und Updates finden Sie hier.

Bei der "Woche der Kritik" unterhält man sich unterdessen in großer Runde über Feng Xiaogangs "I am not Madame Bovary":