12.02.2019.
Jemand hätte diesem Regisseur sagen sollen, dass er besser zuhören soll, statt seinen Film so wie er ist ins Forum zu hieven.
Lei Lei, 1985 in Nanchang, China, geboren, arbeitet seit 2017 am California Institute of the Arts (CalArts) im Bereich Experimental Animation, informiert das Programmheft.
Jemand hätte diesem Regisseur sagen sollen, dass er besser zuhören soll, statt seinen Film so wie er ist ins Forum zu hieven.
Lei Lei, 1985 in Nanchang, China, geboren, arbeitet seit 2017 am California Institute of the Arts (CalArts) im Bereich Experimental Animation, informiert das Programmheft. Warum er für seinen ersten Film keine fiktive Geschichte erfunden, sondern die
Lebensgeschichte seiner Mutter verhackstückt hat, ist unbegreiflich. Sie erzählt Bruchstücke aus ihrem Leben in den Sechzigern und Siebzigern: vom
ersten Fernseher in der Familie, vor dem sie immer einschlief, während die Nachbarn das Wohnzimmer zum Kino machten. Von den ersten Fertigmöbeln, die man sich kaufen konnte (Tisch, Bett, Stuhl, keine Sofas, keine Kaffeetische). Von ihrer Mutter die tagsüber in einer weit entfernten Fabrik arbeitete und abends Mao-Zitate auswendig lernen mussten, so dass die Kinder sich selbst überlassen waren. Von der bestandenen Aufnahmeprüfung für die Uni.
Und vom
Vater, der jahrelang im Lager saß. Die Stiefmutter hatte ihn angezeigt, er sei
ein Rowdy. Jahre später wurde er rehabilitiert und entlassen. Die Familie hat ihm nie ganz verziehen, sagt sie, er ihr aber auch nicht. Er war anders, sagt sie, genau wie ihr älterer Bruder, der
anders dachte und fühlte als die restliche Familie. Was genau passiert war, inwiefern der Bruder anders dachte - Lei Lei hakt nicht nach. Er unterbricht sie immer wieder, wenn es interessant wird und stellt fragen wie: Was war dein schrecklichster Traum. Dann erzählt ihm die Mutter eine schöne gruselige Geschichte, wie sie einmal eine
Katze überfahren hat. Unschön, gewiss, aber wäre der Vater nicht trotzdem interessanter? Das Material ist da, aber der Regisseur macht nichts draus.
Viel mehr als mit seinen Fragen hat sich Lei Lei mit seinem Bildmaterial beschäftigt. Alte Fotos, Dias, Filme von den ersten Fertigmöbeln, dem Verkehr, Rudern auf dem See, Wohnblocks hat er
bearbeitet,
übereinandergelegt und
bemalt. Oder er jagt sie mit raschem Klicken (das Geräusch der Abspielmaschinen ist immer zu hören) so schnell durch den Projektor, dass man kaum richtig hingucken kann. Manchmal
ruckelt er die Radfahrer auch vor und zurück, minutenlang. Vielleicht hat er als Trickfilmer sein Handwerk drauf, aber was er erzählen will, weiß er deshalb noch lange nicht.
Anja SeeligerBreathless Animals. Regie: Lei Lei. Dokumentarfilm, USA 2019, 68 Minuten (
alle Vorführtermine).