Außer Atem: Das Berlinale Blog

Stellt Fragen, die moderne Frauen heute umtreiben: "The Woman Who Ran" von Hong Sangsoo (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
25.02.2020.


In Hong Sangsoos minimalistischen Filmen passiert nur scheinbar nicht viel: Paare treffen sich in einem Café, trinken zusammen und versuchen, über eine unglückliche Liebe hinwegzukommen. Die Kamera fängt die Gespräche in langen Einstellungen ein, in Schwarzweiß und mit minimalistischer Eleganz. Und doch geht niemand aus der Unterhaltung als der Mensch hinaus, als der er oder sie hineingegangen ist. In Hongs Filmen verändern sich die Leben der Menschen unauffällig. Sein neuer Film "The Woman Who Ran" ist in Farbe gedreht und kurz, er dauert nur 77 Minuten, aber wieder ein wunderbarer Film. Hongs langjährige Partnerin Kim Minhee spielt natürlich die Hauptrolle (soll keiner sie seine Muse nennen!). Die junge Gamhee besucht eine Freundin in deren neuer Wohnung. In den fünf Jahren ihrer Ehe hatte sich Gamhee noch nie von ihrem Mann getrennt. Er meint, wenn man sich liebt, müsse man immer zusammen sein. Erst am Ende wird man erfahren, was Gamhee darüber denkt.

Ihre Freundin Youngsoon ist aus Seoul rausgezogen, in eine Neubausiedlung am Rande der Berge. Die Wohnung ist noch etwas kahl, aber es gibt einen Garten mit Beeten und Obstbäumen, der Nachbar hält Hühner, und Katzen streunen umher. Zusammen mit der Mitbewohnerin grillen die Frauen und beschäftigen sich mit den Fragen, die moderne Frauen heute umtreiben: Soll man noch Fleisch essen? Verbindet uns mit den Tieren unser Geist oder Körper? Der Hahn der Nachbarn ist offenbar ein etwas grausames Exemplar: Er besteigt die Hennen und hackt ihnen mit seinem Schnabel und aller Kraft in den Nacken. Vielleicht will er sich mit ihnen paaren? Nein, er will nur seine Macht demonstrieren.

Ein anderer Nachbar kommt vorbei, man sieht ihn nur von hinten, er bittet darum, die Katzen nicht mehr zu füttern. Seine Frau hat Angst vor ihnen und möchte sie nicht extra angelockt sehen. Die Katzen brauchen Futter, antworten ihm die Frauen. Menschen sind doch wichtiger, beharrt er.

Am nächsten Tag reist Gamhee weiter zu ihrer Freundin Suyoung, auch sie ist geschieden und aus der Stadt rausgezogen, an den Berg Inwang. Aus ihrem Fenster blickt sie direkt auf die malerisch schöne Landschaft. Sie unterrichtet Pilates und kreativen Tanz. In der Küche lässt sie mitunter etwas anbrennen, aber nicht in der netten Bar im Ort. Hinterher serviert sie ihre anhänglichen Liebhaber recht harsch ab. Der dritten Freundin Woojin begegnet Gamhee zufällig, im Café und Kulturzentrum "Fall in Fall". Zwischen den beiden stand ein Mann, ein eitler und geschwätziger Autor, wie beide mittlerweile finden. Auch ihn sieht man nur von hinten.

Wie immer arrangiert Hong Sangsoo die Szenen ganz schlicht. Zwei oder drei Frauen sitzen sich gegenüber am Tisch, trinken Tee oder Schnaps. Ihre Bewegungen sind verhalten, aber voller Anmut, dem Spiel ihrer Hände könnte man stundenlang zusehen. Ihr Ton ist immer höflich, diskret und zart. Es gibt keine raumgreifende Bewegungen, nur ganz diskretes Minenspiel. Und doch verhandeln sie die Beziehung von Mann und Frau, das Verhältnis des Menschen zum Tier, das Leben in der Stadt, also die großen Themen des Kinos. Nebenbei erzählt Sangsoo in "The Woman Who Run" eine Geschichte der Flucht, die auch eine Emanzipation ist. Ganz ohne Drama, doch voller Intensität und Poesie.

Domangchin yeoja - The Woman Who Ran. Regie: Hong Sangsoo. Mit Kim Minhee, Seo Younghwa, Song Seonmi, Kim Saebyuk und Lee Eunmi. Korea 2019, 77 Minuten. (Alle Vorführtermine)