Außer Atem: Das Berlinale Blog

Diese furchtbare Liebe: "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" von Margarethe von Trotta (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
19.02.2023.

Es ist nur wenige Monate her, dass der Suhrkamp Verlag den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch veröffentlichte, dem tragischen Liebespaar der deutschen Literatur. Bachmann selbst wollte nicht, dass ihre Briefe veröffentlicht werden, sie hatte sie nach der Trennung von Frisch vergeblich zurückgefordert, damit "niemand ein Schauspiel hat eines Tages". Es ist gut, dass sich Bachmanns Geschwister - fünfzig Jahre nach ihrem Tod - über diesen Willen hinweggesetzt haben und die Publikation erlaubten. In ihnen stehen Sätze voller Schönheit: "Du bist ein Meertier, das nur im Wasser seine Farben zeigt. Du bist schön, wenn man Dich liebt, und ich liebe Dich", schreibt Frisch etwa.

Margarethe von Trotta hat für ihren Film keinen Zugang zu den Briefen bekommen, wie sie in der Pressekonferenz säuerlich anmerkt: "Suhrkamp wollte den Scoop eben für sich haben." Trotta bezieht sich in ihrem Film daher auf andere Briefwechsel Bachmanns, mit Paul Celan und Hans Werner Henze. Vielleicht glaubt Trotta deshalb nicht an die so oft beschworene große Liebe zwischen den beiden. In ihrem Bachmann-Film "Reise in die Wüste" ist diese Liebe furchtbar. Sie fesselt Bachmann an Zürich, hält sie vom Arbeiten ab und zerrüttet ihre Nerven. Was die hochintelligente und hochsensible Dichterin, die sich ihrer herausragenden Stellung in der deutschen Literatur durchaus bewusst war, an den Schweizer Schriftsteller und Biedermann Frisch band, zieht sich als unbeantwortete Frage durch den Film.

Der Film beginnt mit dem Albtraum, der von dieser Liebe blieb. Das Telefon klingelt, Ingeborg Bachmann - illuminiert wie eine Ikone - fragt Max Frisch, wann er zurückkomme. Da lacht er nur und lacht und lacht. Dann erzählt Bachmann einen weiteren Traum: "Frauen sind ermordet worden, lauter arme Frauen." Vielleicht hat ein Hund die Morde begangen. Hat der Hund einen Namen, fragt der Psychiater: "Max", antwortet Bachmann.


Der Film vollzieht eine doppelte Bewegung: In einem Strang verfolgen wir, wie Bachmann und Frisch sich bei einem festlichen Anlass in Paris begegnen, auf dem Pont Mirabeau Apollinaire zitieren und in ihrer Abendgarderobe durch die Bistros ziehen. Sie verspricht, ihn in Zürich zu besuchen. Als sie einen Tag später als verabredet erscheint, rügt er streng ihre Unzuverlässigkeit.

Zu diesem Zeitpunkt hat Bachmann schon aufgehört, Gedichte zu schreiben. Sie hat begonnen, dem Zusammenfügen von Worten zu misstrauen. Mit Hans Werner Henze arbeitet sie in Rom an einer Oper zu Kleist "Homburg. Der schwule Komponist, der so weltläufig in Rom lebt, versteht gleich gar nicht, was die "Principessa" von diesem "Spießer am Zürichsee" will. Bachmann zieht dennoch zu ihm, aber sie lehnt es ab, Frisch zu heiraten. Er möchte sie an sich binden, er ist stolz auf seine glamouröse Partnerin, aber furchtbar eifersüchtig. Auf andere Männer und auf ihre Literatur. Bachmann hält ihn in der Öffentlichkeit auf Distanz, es gibt kein Bild, das die beiden zusammen zeigt. Nur innerlich scheint sie keine Grenzen aufbauen zu können.

In einem zweiten Strang erleben wir die verzweifelte, von Tabletten und Trauer zu Boden geworfene Bachmann nach der Trennung von Frisch. Sie beschließt, zusammen mit dem Wiener Schriftsteller Adolf Opel in die ägyptische Wüste zu reisen. Während sie im Komfort am Zürichsee einzugehen drohte, blüht sie hier auf. Die Wüste ist eine Befreiung. Sie tanzt im Sand und hat Sex mit jungen Männern.

Vicky Krieps gibt Bachmann eine zarte, stille Gestalt, mit hinreißendem Lächeln, die Schärfe von Bachmanns Intelligenz lässt sie nur selten durchblitzen. "Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar", verkündet sie hier ganz sanft. In der Pressekonferenz wird Vicky Krieps in ihrer poetischen Art erklären, dass in ihr selbst einfach eine große Sehnsucht nach Stille sei: "In der Stille kann man besser an die Utopie glauben." Ronald Zehrfeld gibt einen klammernden und egoistischen Frisch, den er selbst nicht leiden kann. Er In dem strengen Fünfzigerjahre-Dekor sehen beide ein wenig verkleidet aus. Es ist das alte Problem des Ausstattungskinos, das es seine Figuren in eine Zeit und eine Mode hineinzwängt, der sie eigentlich entkommen wollen. Bachmann war eine moderne Frau, sie verwendete eine moderne Sprache, die sich von der heutigen kaum unterschied. Natürlich trug sie Abend- und Cocktailkleider. Aber trank sie am Nierentisch wirklich Tee mit abgespreizten Finger? Und warum gibt es so wenig Musik von Henze?

Margarethe von Trotta ist im vorigen Jahr achtzig Jahre alt geworden. Sie hat mit ihren Filmen das feministische Kino in den Mainstream gehoben und Frauenfiguren wie Rosa Luxemburg, Hannah Arendt oder die Geschwister Ensslin Denkmäler gesetzt. Ingeborg Bachmann scheint ihr fremder zu bleiben. Vielleicht bleibt deswegen auch ein Grundwiderspruch in diesem Film unaufgelöst: Warum Bachmann nicht über die Trennung von Frisch hinwegkommt, so abgrundtief verletzt bleibt, obwohl sie sich doch jetzt endlich menschlich und kreativ entfalten kann, also einfach das viel tollere und wertvollere Leben führen kann, das bleibt in diesem Film das Rätsel. Das bleibt Margarethe von Trotta ein Rätsel. Es ist ein sympathisches Unverständnis.

"Ingeborg Bachmann". Regie: Margarethe von Trotta. Mit Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld und Tobias Resch. Deutschland 2023, 110 Minuten (Alle Termine).