Außer Atem: Das Berlinale Blog

Dröhnende Kraftmeierei: "Manodrome" von John Trengove (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
19.02.2023.

Ralphie ist ein Ubermann: Seit er seinen Job verloren hat, kutschiert er die Leute in seinem Wagen durch die verödete Industriestadt im kalten Norden Amerikas, ohne damit recht über die Runden zu kommen. Und alle trampeln auf ihm herum. Wenn er eine Sekunde zu lange in den Rückspiegel blickt, beschimpft ihn die stillende Mutter auf dem Rücksitz als Psycho. Wenn er beim Krafttraining einen Blick auf die Muskelberge schwarzer Männer riskiert, machen sie sich über ihn lustig. Ob er Lust habe? Wenigstens bemerken sie nicht, wie er heimlich Selfies von sich und seinem blassen Bizeps macht. Wenn er seine schwangere Freundin von der Arbeit abholt, nölt sie ihm die Ohren voll. Ihre Chefin verlangt von ihr mehr Freundlichkeit gegenüber Kunden. "Dann lächel eben und beschwer dich nicht. Sei froh, dass Du so einen guten Job hast." Selbst der Weihnachtsmann vor dem Supermarkt wichst ihn an. Jesse Eisenberg sieht wieder aus wie Mark Zuckerberg, und er dampft vor Frustration und Aggression. Er ist der wütendste Taxifahrer seit Travis Bickle.

Ein Freund führt Ralph in den Kreis eines wohlhabenden Charismatikers ein, der unglückliche Männer um sich schart. Die Väter haben sie im Stich gelassen, die Müttern nicht genug geliebt, die Frauen haben sie schikaniert und die Freundinnen verlassen. Doch bei Dad Dan lernen sie, sich das nicht mehr bieten zu lassen. In der Männerrunde finden sie zu ihrem wahren, von Frauenwünschen unverstellten Ich zurück: "Meins, nicht Deins." Für Ralph hält Dad Dan geradezu eine Offenbarung bereit: "In Dir steckt tiefe Schönheit. Du besitzt eine kataklysmische Kraft, die schaffen und zerstören kann." Ein tiefernster Adrien Brody gibt mit sonorer Stimme und behaglichem Rollkragenpullover den beständigen, weisen Ersatzvater, unter dessen Schutz sich alle nur zu gern begeben. Er tröstet sie, er gibt ihnen Zuversicht, er führt sie aus der Gynosphäre, die für sie nur Schmerz und Kränkung bereit hält. Aber keinen Respekt! Er lehrt sie auch beten: "Ich entdeckte das Feuer, jetzt hole ich es mir zurück. Ich entdeckte den Stahl, jetzt hole ich ihn mir zurück. Ich entdeckte die Sonne, jetzt hole ich sie mir zurück." Die Typen haben zwar alle das Mindset von Incels, aber sie legen Wert darauf, dass sie aus freien Stücken enthaltsam sind. Am Abend tanzen alle Pogo.

Durch die Kälte der Welt jagt Regisseur John Trengove den armen Ralph hin und her wie eine Flipperkugel. Abgestoßen vom Frauenhass der Testosteron-Sekte kehrt Ralph zu seiner Freundin zurück, nur um genervt von ihrem Gezeter wieder unter Dad Dans Fittiche zu flüchten. Weihnachten droht, das Kind kommt, und die Freundin singt an der Krippe "Sweet Nothing". Wie zu erwarten, dreht der vom Leben gefickte, von Testosteron und Pillen aufgeputschte Ralph durch.

In seiner wüsten Männerfantasie verwirbelt der südafrikanische Regisseur Groteske, Drama und Action, man weiß nie ganz, wo er hin will. Die Härte von Martin Scorseses "Taxi Driver" hat der Film nicht, auch nicht die Unergründlichkeit. Im Gegenteil: In allen psychologischen Facetten deutet Trengove die Deformiertheit seines Helden aus, keine Metapher ist ihm dabei zu unsubtil. Und filmisch greift er ausgerechnet auf eben jene dröhnende Kraftmeierei zurück, die er mit seiner Geschichte eigentlich in Frage stellt: Mit einem donnernden Soundtrack und maximaler Distanzlosigkeit in den Bildern hämmert er einem die Geschichte rein, bis man erschlagen im Sitz niedersinkt und nur noch nicken kann: Ja, sehr vielschichtig das Thema toxische Männlichkeit. Dass Trengrove seinem verzweifelten Gewaltmenschen am Ende einen sanften Riesen zur Seite stellt, ist immerhin eine zarte Geste.

"Manodrome". Regie: John Trengove. Mit Jesse Eisenberg, Adrien Brody und Odessa Young. USA/UK 2023, 95 Minuten. (Alle Termine)