Außer Atem: Das Berlinale Blog

Da lachen die Key Account Manager: Marie Kreutzers "Der Boden unter den Füßen" (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
09.02.2019.


Was für ergiebige Filmfiguren Unternehmensberaterinnen abgeben, hat Maren Ade mit ihrem "Toni Erdmann" bewiesen. Sandra Hüller haute einen mit ihrer Schlagfertigkeit und ihrem muskulösen Intellekt einfach um. Seitdem wagt niemand mehr, Witze über Frauenabende zu machen (Und worüber habt Ihr Schönes geredet?  Frauenquote, Paygap, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.)

Auch Lola in Marie Kreutzers Film "Der Boden unter den Füßen" trainiert viel, meist schon vor dem Hellwerden. Das macht fit, happy und produktiv. Sie arbeitet viel im Ausland, für die Wienerin heißt das Rostock, wo sie eine Firma sanieren soll: Workforce verschlanken, business case anpassen, next steps vorbereiten. Ganz wichtiger Auftrag. Lola schläft am liebsten in Hotels, in denen sie sich besser auskennt als in ihrer Wohnung, oder mit ihrer Chefin Elise, die ihr dafür ein Uplift zur Associate Principle verspricht und einen Posten in Sidney. "In 50 Tagen alles umkrempeln, ist leider geil", tönt der Kollege.

Für Lola läuft es allerdings leider eher ungut. Ihre Schwester Conny hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie ist depressiv, paranoid und schizophren und sieht ein bisschen aus wie Else Lasker-Schüler. Lola muss sich um sie kümmern. Unentwegt jettet sie zwischen Rostock und Wien hin und her, was sie vor ihren Kollegen geheim halten muss. Eine schizophrene Schwester? Persönliche Probleme? Privatleben? Das kommt in der Branche gar nicht gut. Dann erhält sie auch noch permanent diese verzweifelten Anrufe, die einen recht mysteriösen Zug annehmen. Vielleicht ist Schizophrenie ja vererbbar. Vielleicht hat sie einen Burnout, das wäre wie Lepra. Wird die Luft da oben auf der Karriereleiter einfach nur etwas dünn? Oder ist sie nur Elises überbezahltes Anhängsel?



Es ist keine schlechte Idee, von einer Karrierefrau zu erzählen, die nicht einmal mehr mit sich selbst verwandt ist. Die nie weiß, ob sie gerade abserviert oder befördert wurde. Aber bis zum Schluss erschließt sich nicht, wohin die österreichische Regisseurin mit ihrem Film eigentlich will. Kreutzer versucht es in alle Richtungen: mit einer kühlen Charakterstudie, komödiantischer Satire und leichtem Mystery. Nichts führt weiter. Am Ende landet Kreutzer genau bei der moralischen Geschichte, die Maren Ade in "Toni Erdmann" vermieden hatte.

Am meisten schadet dem Film jedoch, dass er seiner Hauptfigur so wenig zutraut, auch wenn Valerie Pachner sie mit so festem Biss spielt, dass einem schon beim Zugucken der Kiefer weh tut. Er gönnt ihr einen einzigen tollen Auftritt. Im Männerpissoir. Meist jedoch lässt sich Lola recht larmoyant den Schneid abkaufen, anstatt die Typen bei den Eiern zu packen. Die soll ein toughes Business-Monster sein? Da lachen ja die Key accout manager.

"Der Boden unter den Füße". Regie: Marie Kreutzer. Mit Valerie Pachner, Pia Hierzegger, Mavie Hörbiger. Österreich 2019, 108 Minuten (Alle Vorführtermine).