Außer Atem: Das Berlinale Blog

Verneigt sich zu ehrfurchtsvoll vor dem Wort: Ivo M. Ferreiras 'Cartas da guerra' (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
14.02.2016. Ein filmischer Essay zu Antonio Lobo Antunes' Briefen aus dem Krieg in Angola.


Anfang der siebziger Jahre schrieb Antonio Lobo Antunes seiner Frau nahezu täglich Liebesbriefe aus Angola, wo er während des portugiesischen Kolonialkrieges als Militärzt stationiert war. 2008 erschienen diese Briefe aus dem Krieg auf Deutsch als "Leben, auf Papier beschrieben". Es sind Briefe voller Poesie, Zärtlichkeit und Sehnsucht. Er beschwört darin seiner Liebe, besingt ihre Schönheit und huldigt mit ihr auch seinem eigenen Kosmos. Sie ist seine Prinzessin und seine Jaguarkatze, seine Milchstraße und seine Polarverbindung, seine etruskische Vase und seine Racine-Heldin, seine Kobra und sein Morphium. Das eigene Ich behauptet sich überbordend, aber in höchstem Grade sublimiert gegen die Grausamkeit eines unbeherrschbaren Krieges.

"Nichts hat hier Maß und Zurückhaltung", schreibt Antunes aus Angola, und er meint damit ebenso das von den Portugiesen entfesselte Pandämonium des Krieges wie die magische Schönheit Angolas. In den Briefen kündigt er seiner Frau bereits die Romane an, mit denen er später zu einer der bedeutendsten literarischen Stimmen Portugals werden wird und in denen er, dann bereits Psychiater, unermüdlich das von Schziophrenie und Verdrängung zerrüttete Nervensystem seines Landes offenlegen wird. "Ich verstehe nicht, wie man ohne politisches Gewissen leben kann", schreibt er an anderer Stelle und bekennt seinen Wandel von einem konservativen Geist zu einem revolutionären. Der Krieg und die Waffen verlieren für ihn nicht ganz an Faszination.

Den ebenso manischen wie egozentrischen Wortfluss des Schriftstellers untermalt Ivo M. Ferreira in seinem filmischen Essay "Cartas de Guerra" mit strengen, kühlen Schwarzweiß-Bilder. Während eine Frauenstimme die unendlichen Liebesbeteuerungen liest, sehen wir Soldaten in Gefechten verletzt oder in der Kaserne verrückt werden, LKW-Kolonnen fahren durch die Savanne, Elefanten baden im Fluss und ein angolanisches Dorf tanzt vor Freude, dass sich ein alter verkrüppelter Mann ein neunjähriges Mädchen zur Frau genommen hat.

Eine filmische Handlung gibt es nicht, nur in ganz wenigen Momenten entspinnt sich ein Dialog oder eine Szene, die in Zusammenhang mit den Worten steht. Meist jedoch klafft zwischen den Bildern und dem Text eine ebenso große Kluft wie zwischen den Wirklichkeiten, die Lobo Antunes in seinen Briefen in Einklang zu bringen versucht. Ein solches Textkonvolut zu verfilmen ist unmöglich. Ferreira verneigt sich vor dem Wort, leider tut er dies mit solcher Ehrfurcht, dass er glaubt, nur die Bilder von größter Erhabenheit und Perfektion könnten ihnen gerecht werden. Doch es sind Bilder wie aus einem Band mit Magnum-Fotografien, nicht die Bilder eines Mannes, den der Krieg die Seele zerrissen hat.

Cartas da guerra / Letters from War. Regie: Ivo M. Ferreira. Mit Miguel Nunes. Portugal 2016, 105 Minuten (Vorführtermine)