Außer Atem: Das Berlinale Blog

Berlinale 6. Tag

Von Thekla Dannenberg, Ekkehard Knörer, Christoph Mayerl
14.02.2006. Dominik Grafs "Der rote Kakadu" ist ein vergnügliches Huckepackrennen durch die DDR. Zu viel Kunstblut zeigt Michael Winterbottom in seinem Wettbewerbsfilm "The Road to Guantanamo". Kino in seiner verabscheuungswürdigsten Form: Pen-ek Ratanaruangs Wettbewerbsfilm "Invisible Waves". Blut, Schweiß und Gartenzäune in John Hillcoats australischem Western "The Proposition". Falsche Botschaft? In James McTeigues "V for Vendetta" wird das britische Parlament in die Luft gesprengt - von den Guten! Chantal Akerman filmt für "La-bas" aus ihrem Fenster in Tel Aviv und sieht - nichts.Eine Liste aller besprochenen Berlinalefilme finden Sie hier.
Dauerparty gegen den grauen Sozialismus: Dominik Grafs "Roter Kakadu" (Panorama)

So war das also. Damals in der DDR kurz vor dem Mauerbau. War es das? Ein bisschen Elvis, eine Prise Renitenz, viel Liebe, noch mehr Sex und verdammt viel Stasi, überall. Ach ja, Spreewaldgurken auch. Im Glas oder als Dildo. Vor einigen Jahren hat in Berlin ein Investor angekündigt, einen DDR-Vergnügungspark aufzustellen, mit Mauer drumherum, finster dreinblickenden Grenzern, Zwangsumtausch und einem gecasteten Statistenproletariat. Dominik Graf hat die Kulissen nun schon mal für seinen Film "Der Rote Kakadu" genutzt. Der real existierende Sozialismus scheint sich geradezu ideal für die Klischeeproduktion zu eignen, vielleicht weil er selbst ständig an einem Mythos gearbeitet hat, dem Mythos der eigenen Existenzberechtigung.

Man weiß nicht, vor was Dominik Graf Angst hatte. Vor der historischen Last, Mauerbau und Sozialismus? Vor dem eigenen Ruf als ernsthafter Filmemacher? Dieser Film ist nicht anstrengend, man kann sich zurücklehnen. Der aufgeweckte Siggi wird es schaffen, das ist klar. Er wird sich für die richtige Seite entscheiden, ein Künstler werden und kein Held der Arbeit, der sich erst in der Produktion bewähren muss. Die tragische Luise schafft es nicht, sie braucht den dramatischen Hintergrund der unerwünschten Lyrikerin wie die Luft zum Atmen. Der rebellische Wolle, ihr Freund, schafft es auch nicht. Bis dahin hat er aber eine Menge Spaß. Beim Pinkeln ins Sektglas des Funktionärs etwa. Der rächt sich mit mehreren Monaten Haft. Während dessen bleibt Luise und Siggi ein wenig Zeit für ihre zarte Liebe.

Und drumherum? Funktionäre, Vopos, Spitzel. Die verhaften, verprügeln und verraten. Auf der anderen Seite die jugendlichen Besucher des "Roten Kakadu", der Bar im Dresdner Parkhotel, in der sich die Liebhaber westlichen Rock'n Rolls treffen und eine bunte Dauerparty gegen den grauen Sozialismus da draußen feiern. Den nehmen sie nicht sonderlich ernst. Weder bei der Flucht vor den Musikbanausen in Uniform, die zu einem vergnüglichen Huckepackrennen durch den Park wird, noch bei der finalen Gerichtsverhandlung, wo Wolle mit Sätzen wie "Über Spanien lacht die Sonne. Über die DDR lacht die ganze Welt" den Saal zu beiden Seiten der Leinwand bespaßt.

Obwohl oder gerade weil die Umgebung ähnlich stereotyp veranlagt ist, kommt es zu keinem Kontakt zwischen ihr und den Protagonisten. Siggi, Luise, Wolle, alle scheinen imprägniert zu sein gegen die Zumutungen der Vorgänge um sie herum. Reibung entsteht da nicht, Atmosphäre noch weniger. Das ist besonders dann ein Manko, wenn aus dem Authentischen (den Roten Kakadu gab es wirklich, wie das zeitschriftendicke Beiheft erläutert) Kraft und Intensität geschöpft werden soll. Versuche in dieser Hinsicht gibt es genug. Schon in der Anfangssequenz lächelt Juri Gagarin, Ulbricht schwört im Radio, dass niemand vorhat, eine Mauer zu errichten und alle stoßen auf die "Freundschaft!" an. Doch es ist vergebens. Die Imprägnierung hält.

Jessica Schwarz hätte mehr gekonnt und wohl auch mehr gewollt. Max Riemelt und der Filmneuling Ronald Zehrfeld erfüllen ihre leider viel zu leichte Aufgabe ebenfalls mühelos. Überhaupt scheint dieser Film niemand Kopfzerbrechen bereitet zu haben. Vielleicht Dominik Graf, weil es diesmal alles so einfach war. Insgesamt zu wenig Anreiz, um ins Kino zu gehen. Vielleicht im Fernsehen, am Dienstagabend, mit einem Bier in der Hand. Freundschaft!

Christoph Mayerl

"Der rote Kakadu". Regie: Dominik Graf. Mit Jessica Schwarz, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld und anderen. Deutschland 2005, 128 Minuten (Panorama Special)


Kollateralschaden. Michael Winterbottoms "The Road to Guantanamo" (Wettbewerb)

Bei Dokumentarfilmen verbreitet sich schon seit längerem die Unsitte, fehlendes Material mit nachgespielten Szenen zu ergänzen, um der mangelnden Vorstellungskraft der Zuschauer auf die Sprünge zu helfen. Das Schlimme an "The Road to Guanatanamo" ist, dass es über die Geschichte dreier britischer Muslime, die wegen einer Hochzeit in die Region gereist sind, dort verhaftet wurden und schließlich für mehr als zwei Jahre in Guantanamo landeten, naturgemäß sehr wenig Originalmaterial gibt. Trotzdem wollte Michael Winterbottom Bilder haben, überzeugende Bilder, und so hat er seine Schauspieler gepackt, ist mit ihnen nach Pakistan gefahren und hat sie schließlich in sein selbstgebautes Gefängniscamp gesteckt.

In den seltensten Fällen bringen diese Szenen einen Mehrwert, etwa wenn bestimmte Foltermethoden visualisiert werden, deren Unmenschlichkeit man sich sonst vielleicht nicht ganz so drastisch hätte vorstellen können. Der größte Teil des Films aber erfüllt den Tatbestand der visuellen und emotionalen Nötigung. Wenn in den wenigen realen Interviewszenen mit Ruhel, Asif und Shafiq - die übrigens sehr überzeugend wirkenden jungen Männer, die das alles tasächlich erlebt haben - die Sprache auf Bombenopfer kommt, werden sofort mit Kunstblut überschüttete Afghanen gezeigt, an denen die Schauspieler erschöpft vorbeistapfen. Erzählt einer, er habe sich in Guantanamo wie im Zoo gefühlt, gibt es totsicher einen Schnitt und man sieht einen Maschendrahtzaun, hinter dem ein Häftling im orangefarbenen Overall kauert.

Auf der Pressekonferenz sagt Winterbottom stolz, es hätte sehr lange gedauert, bis er die 600 Seiten Interviews mit Ruhel, Asif und Shafiq in Filmszenen übersetzt hat. Hätte er die drei doch bloß länger erzählen lassen und sich zurückgehalten. Denn sie sind die besten Überbringer ihrer eigenen Geschichte. Winterbottom spielt dagegen lieber sein Guantanamo-Laientheater zu ersetzen. Warum? Ich wollte die Geschichte möglichst funktional erzählen, sagt Winterbottom. Mit seiner narzisstischen Inszenierung hat er es geschafft, die eindrucksvolle und absurde Leidensgeschichte von Ruhel, Asif und Shafiq zu desavouieren. Militärs würden das als Kollateralschaden bezeichnen.

Christoph Mayerl

"The Road to Guantanamo" Regie: Michael Winterbottom. Mit Rizwan Ahmed, Farhad Harun, Waqar Siddiqui, Arfan Usman u.a., Großbritannien 2006, 95 Minuten (Wettbewerb)


Unverzeihlich. Pen-ek Ratanaruangs "Invisible Waves" (Wettbewerb)

Das Verhängnis des asiatischen Kinos trägt den Namen Christopher Doyle. Der aus Australien stammende Kameramann ist nach erträglichen Anfängen als Handkamera-Experte inzwischen berühmt für seine schönen Bilder. "Schön" allerdings wie in "alles so schön grün hier" oder "warum nicht mit dem Kran über das Mäuerchen schwenken und die Figur kriegen wir auch noch irgendwie unter"-schön. Oder "schön" wie in "dann noch eine Kamerafahrt hin zur Wand" oder "dann ist das Aquarium gut im Bild"-schön. Oder "schön" wie in "diese Fahrt durchs Dunkle kommt sicher sehr gut" oder "die Umrisse im Gegenlicht, das macht Effekt"-schön.

Mit "2046" hat Doyle den einst interessanten Regisseur Wong Kar-wei dazu gebracht, einen unerträglich prätentiösen Film zu drehen. Was passiert, wenn er dann mit einem Regisseur wie dem Thailänder Pen-ek Ratanaruang zusammenarbeitet, der immer schon nichts zu erzählen hatte, das aber bedeutungsschwer, mag man sich ausmalen. Nur dass es, wenn man gefühlte drei Stunden lang vor "Invisible waves" sitzt, einfach noch schlimmer ist, als man sich vorstellen konnte.

Der Plot, der Form halber, denn er interessiert hier keinen: Koji, der Koch ist und Killer und ein Japaner in Hongkong, tötet die Frau seines Chefs. Er macht mit dem Schiff eine Reise nach Thailand und begegnet dabei einer Frau mit einem Baby, die ihm am Ende als Freundin des Chefs, den er nun töten will, begegnen wird. Auf der Reise nach Thailand wird er von irgendjemandem verfolgt. In Phuket stirbt Koji, aber auch wieder nicht. Er kehrt zurück, und es geht irgendwie aus, nur viel zu spät. Einer der letzten Sätze des Helden, übersetzt aus dem gebrochenen Englisch, das alle hier sprechen: "Es muss irgendwie enden, nicht wahr." Als hätte Selbstironie jemals einen schlechten Film gerettet!

Nichts zu sagen zu haben, das ist das eine. Das kommt vor. Sich aber in die Sinnlosigkeit des eigenen Tuns zu verlieben, das, was ins Bild soll, möglichst hübsch zu drapieren, einzig des dekorativen Effekts wegen, Dinge geschehen zu lassen, nur weil man sie irgendwie lustig findet, darunter Ambient-Musik zu legen und das was man sieht in immerwährenden Schummer zu rücken, weil es dann schön "atmosphärisch" ist - all das erfüllt den Tatbestand des Unverzeihlichen.

Christopher Doyles Kamera geht es niemals darum, eine Szene aufzulösen im Sinne der Herstellung einer Beziehung von Raum und Figur, im Sinne eines Interesses an möglichen Wirklichkeiten. Er will nur totgeborene "schöne" Bilder, in denen sich Vorder- und Hintergründe als Muster zueinander verhalten, nichts sonst. An die Stelle des Denkens in Bewegungs-Kadern tritt der Einfall, den man halt hat, der Schwenk, der nichts bedeutet. An die Stelle des filmischen Raums tritt das Unterwasserfarbige eines Bildkonzepts, das mit der Geschichte, den Figuren in rein beliebiger Verbindung steht. Kurz gesagt: Es gibt auf der Seite keines Beteiligten auch nur das mindeste Erkenntnisinteresse an der Wirklichkeit der Welt oder an Möglichkeiten des Films. "Invisible Waves" ist deshalb nicht nur geradezu betäubend langweilig, es handelt sich hier schlicht um Kino in seiner verabscheuungswürdigsten Form.

Ekkehard Knörer

"Invisible Waves"
. Regie: Pen-ek Ratanaruang. Mit Asano Tadanobu, Gang Hye Jung, Eric Tsang, Maria Cordero u.a., Niederlande, Thailand, Hongkong 2005, 115 Minuten (Wettbewerb)


Schweißig: John Hillcoats "The Proposition" (Panorama)

Ab dem ersten Bild ist man mitten in einem infernalischen Feuergefecht. Nein, es ist eher eine Hinrichtung, die sich da in der kleinen Hütte abspielt. Glas klirrt, Töpfe scheppern, abgerissene Gestalten hasten durch den Raum, stolpern, wimmern und schreien, wenn sie getroffen sind. Die Kamera dreht sich hektisch von Sterbendem zu Sterbendem. Die Hütte wird von draußen beschossen, von allen Seiten, und man hört nur die Einschläge - in Holz, Metall oder Fleisch, nicht den Schuss. Jede Kugel, die die Bretterwände durchschlägt, hinterlässt ein kleines Loch, durch das das Sonnenlicht einfällt. Langsam, während dieser aufreibenden ersten Minuten, wird es in dem Verschlag immer heller und immer stiller. Das Licht, die Sonne bedeutet hier draußen im australischen Outback von 1880 den Tod.

Mit diesem furiosen Auftakt machen Regisseur John Hillcoat und der fürs Drehbuch verantwortliche Balladensänger Nick Cave gleich zu Beginn klar, dass niemand wird wegsehen können in den nächsten beiden Stunden. Captain Stanley schließt einen Pakt mit dem gefangenen Outlaw Charlie Burns. In neun Tagen, bis zum Weihnachtsabend, soll er seinen psychopathischen Bruder gefunden und umgebracht haben, sonst wird der Dritte der Mörderbande, der 14-jährige Mikey hingerichtet. Diese Abmachung von klassischen Dimensionen, die auch Friedrich Schiller gefallen hätte, bildet den zeitlichen wie inhaltlichen Rahmen des Films. Beide Gegenspieler werden an diesem Pakt zugrunde gehen.

Aber es gibt mehr als die explodierende, tierische Gewalt: Zwar werden Köpfe zerplatzen, Hälse durchtrennt, Zehen abgeschossen, Rücken von Peitschenhieben zerfetzt oder Speere durch Brustkörbe getrieben. In delikatem Kontrast dazu, und das sind überraschenderweise die nachhaltigeren Eindrücke, gibt es ein Bemühen um Zivilisation, das in seiner Hilflosigkeit anrührt. Captain Stanleys von einem Zaun eingefasster englischer Vorgarten steht wie eine weiß getünchte Mondstation in der lebensfeindlichen Wüste des inneren Australien. Mit englischem Porzellan wird die Teestunde zelebriert, der Tannenbaum ist teuer importiert, und die Schneeflocken sind aus weißer Gaze. Auf der anderen Seite unterhält Arthur Burns in seinem Versteck eine Bibliothek und bewundert still jeden Sonnenuntergang.

Wer gut und wer böse ist, verschwimmt in der flirrenden Hitze des weihnachtlichen Sommers. Alle hier draußen sind auf eine so umfassende Art heruntergekommen, dass Polizisten, Dorfbewohner und Gangster nicht zu unterscheiden sind. Die Darsteller sehen aus, als hätten sie sich monatelang nicht gewaschen. Nur die Aborigines, deren Ausbeutung und Auslöschung dem Film eine dokumentarische Grundierung gibt, sehen wie Menschen aus und nicht wie verschwitzte Kreaturen mit verfaulendem Zahnfleisch. Das sieht man meistens recht gut, denn genau wie die allgegenwärtigen Fliegen scheint die Kamera von dem Schweiß der Figuren angezogen zu werden und heftet sich so unerträglich nah an die unverblümt unschönen Gesichter, dass man sich im Kinosessel unwillkürlich ein wenig zurück lehnt.

Wenn Captain Stanley mit seiner Frau Martha Weihnachten feiert, während jede Minute die Mörderbande kommen kann, ist das der surrealste Moment der bisherigen Berlinale. Als Martha Stanley an den Haaren ins Arbeitszimmer ihres Mannes geschleift wird und ihr Vergewaltiger ein irisches Volkslied anstimmt, wird es der Sitznachbarin im Kino aber zuviel, sie rennt raus. Die Apokalypse ist ihr so erspart geblieben. Und auch der Auftritt von Nick Cave nach der Vorführung. Sein alttestamentliches Epos von Rache, Familie, Treue und Sünde hat John Hillcoat offenbar so reibungsfrei auf die Leinwand übertragen, dass Cave dem Ganzen nichts mehr hinzuzufügen hatte und mit Panik im Blick den Saal verließ. Menschen, das wurde nach "The Proposition" wieder einmal klar, mag Nick Cave nicht besonders, und der Zivilisation misstraut er. Das Gute daran ist, dass er uns an seiner Aversion so freizügig teilhaben lässt.

Christoph Mayerl

"The Proposition". Regie: John Hillcoat. Mit Guy Pearce, Emily Watson, Ray Winstone, John Hurt, Danny Huston, David Wenham u.a., Großbritannien/Australien 2005, 104 Minuten (Panorama Special)


Sprengt das Parlament: James McTeigues "V for Vendetta" (Wettbewerb)

Großer Andrang bei James McTeigues "V for Vendetta": Natürlich wegen Natalie Portman, die sich für diesen Film eine Glatze rasieren ließ. Aber auch weil die Wachowski-Brüder ("Matrix") das Drehbuch geschrieben haben nach Allan Moores legendärem DC-Comic aus den achtziger Jahren.

Wir befinden uns in einem faschistischen England zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Großkanzler Sutler beherrscht das gleichgeschaltete Land mit seinen finsteren Truppen, den Fingermännern, den "Storm Saxons" und dem Fernsehen, das rund um die Uhr und auf allen Plätzen läuft. An die Macht gebracht hat den Diktator ein fingiertes Attentat mit Biowaffen, die er in geheimen Gefängnissen an missliebigen Personen testen ließ. Als einziger überlebt hat diese Torturen V, der sich maskiert zum Rächer, Befreier und Terroristen aufschwingt, um das englische Volk aus seiner Unfreiheit zu führen. An seine Seite und in seine Fänge gerät die junge Evey (Natalie Portman), die zu seiner Mitstreiterin, seiner Geliebten und zu seinem Opfer wird.

Hugo Weaving darf als V nur Stimme und Statur sein, er trägt den ganzen Film über die Maske des Guy Fawkes, jenes katholischen Verschwörers, der vor 400 Jahren versucht hatte, das englische Parlament in die Luft zu jagen. Er wurde gehängt und gevierteilt, doch seitdem werden in Großbritannien jedes Jahr zum 5. November in Freudenfeuern Strohpuppen von ihm verbrannt: "Remember, remember the Fifth of November / Gun Powder Treason and Plot. / I see no reason why Gun Powder Treason / Should ever be forgot." Ein seltsames Ritual also, dass zugleich den Verschwörer und seinen Tod zelebriert.

Genauso heiter-abgründig geht es in McTeigues Film die ganze Zeit über zu. Allan Moore hatte seinen Comic noch auf die Regierung von Margaret Thatcher gemünzt. Nun geht die Bedrohung von einem Regime aus, das seine Macht und seinen Fanatismus aus der Angst vor dem Terror zieht. Selbst mit der Vogelgrippe kommen sie einem! Heiter, aber nicht unbekümmert werfen die Macher alles zusammen, was die Comic-Vorlage und die aktuellen Umstände hergeben: die Nazis, den Krieg gegen den Terror, Shakespeare, Ideologie-Kritik, den Grafen von Monte Christo, Zorro. Im Fernsehen laufen Bilder der jüngsten Terroranschläge und um Schluss geht das Westminister Parliament in einem gewaltigen Feuerwerk und zu Tschaikowskis triumphaler Ouvertüre "1812" in die Luft. Die Funken schreiben ein gigantisches V in den Himmel. Heikler geht's nicht. Auf der Pressekonferenz fragte ein iranischer Kollege besorgt, ob der Film nicht die falsche Botschaft aussenden könnte.

Thekla Dannenberg

"V for Vendetta"
. Regie: James McTeigue. Mit Natalie Portman, Hugo Weaving, Stephen Rea, John Hurt u.a., USA, Deutschland 2005, 120 Minuten (Wettbewerb, außer Konkurrenz)


Nervtötend: Chantal Akermans "La-bas" (Forum)

Chantal Akerman ist in Tel Aviv und führt dort eine Art filmisches Tagebuch hinter heruntergelassenen Rollos. Wir sehen durch die Ritzen das Geschehen auf Balkonen und Terrassen der gegenüberliegenden Häuser, nur ist dies Geschehen ohne Belang. Es tut sich wenig, minutenlang blickt die Kamera in starren Einstellungen hinaus auf ein Nichts an Veränderung.

Es wird einem die Zeit auf die Dauer sehr lang, wenn man das sieht. Vielleicht wurde auch Chantal Akerman die Zeit sehr lang im von einer Bekannten gemieteten Appartment. Fragt sich nur: Was geht mich das an? Zwischen den Blicken auf die Häuser - die Einstellungen wechseln, einen großen Unterschied macht es nicht - gibt es kurze Telefonmonologe der Regisseurin in englischer, französischer und hebräischer Sprache. Und sie erzählt uns allerlei, das meiste ohne Belang. Dass sie das Brot aus dem Tiefkühlfach aufgetaut hat. Dass es ihr nicht so gut geht. Wiederkehrendes Thema ist der Selbstmord ihrer Tante Ruth, der Selbstmord der Mutter des Schriftstellers Amos Oz, den alle ihre Freunde lesen, manche aber kritisch.

Ein paar Mal gibt es, kurz, Impressionen vom Meer, Impressionen vom Himmel. Später eine wildes Schnitt- und Schwenkpotpourri, das womöglich der filmische Ausdruck einer inneren Verwirrung der Regisseurin ist. Man weiß es nicht, es ist auch egal. Was sich einstellt, im Lauf dieser von kaum einem auch nur halbwegs interessanten Moment getrübten knapp 80 Minuten, ist der Eindruck eines phänomenalen Narzissmus. Warum glaubt Chantal Akerman, irgendjemand könnte den Wunsch haben, zu erfahren, was sie hier tut? Und wer hat ihr erzählt, sie könne Englisch? Es hat eine Weile gedauert, bis mir klar wurde, dass "de odeurs" the others sind. Immerhin ein Aha-Effekt in einem sonst nervtötenden Film.

Ekkehard Knörer

"La-bas". Regie: Chantal Akerman. Frankreich, Belgien, 2006, 79 Minuten (Forum)