46 Minuten im Leben der DämmerungMemorial - Fallen-erwachen. Gedichte
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main
2018
ISBN
9783104907567, Gebunden, 176Seiten, 19,99
EUR
Klappentext
Übersetzt von
Iain Galbraith und
Melanie Walz. In der Lyrik der Gegenwart ist Alice Oswalds Werk einzigartig; ein Plädoyer für die Dimension des Hörens, ein Lauschen auf die feinen lautlichen Differenzen und ein Rückgriff auf eine Lyrik, deren lebendige Farbigkeit sie für uns neu entdeckt: Homer steht wieder am Horizont.
Alice Oswalds Gedichte entstehen aus der Stimme. Wie Homers Epen sind sie gesprochene Ereignisse. Auf ihren Lesungen trägt sie ihre Lyrik stehend und auswendig vor. Ihre Musen sind das Auge und die Erinnerung.
Und trotzdem, es ist eine Lyrik der großen Bögen: In "Memorial" gedenkt sie der Fußsoldaten, die bei Homer fallen - nicht den Helden gilt ihr Augenmerk, sondern den Opfern in den Fugen der Geschichte.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 09.02.2019
Endlich kann die britische Dichterin Alice Oswald auch auf Deutsch entdeckt werden, freut sich Rezensent Werner von Koppenfels und ist schon beim ersten Durchblättern zufrieden: Der "raffinierten Typografie" der Lyrikerin wurde Rechnung getragen, auch die konsequente Kleinschreibung der Übersetzer Melanie Walz und Iain Galbraith entspricht den "interpunktionslos fließenden" Sätzen Oswalds, lobt er. Entsprechend wohlgestimmt lässt sich der Kritiker von der klang- und temporeichen Sprache an Bewusstseinsgrenzen führen, erlebt "fluide Zustände", lässt sich sanft fallen und lernt das Mythische englischer Landschaften kennen, etwa wenn Oswald einarmige und schenkellose Nymphen den englischen Fluss Dunt beschwören oder das "von Mänaden zerstückelte" Haupt des Orpheus flussabwärts treiben lässt. Durch die mitunter schockierenden Bildern der Dichterin, die stets das Fremde im vermeintlich Vertrauten erkennen, überkommt den Rezensenten zwar bisweilen ein Schwindelgefühl. Aber wie Oswald auch in dem ebenfalls dem Band beigegebenen Werk "Memorial - Eine Ausgrabung aus der Ilias" mit "sparsamen Anachronismen" Vergangenheit und Gegenwart kurzschließt, ringt ihm größte Anerkennung ab. Hätte sich der Verlag für eine zweisprachige Ausgabe entschieden, wäre Koppenfels vollends glücklich gewesen.