Abschied von AtochaRoman
Rowohlt Verlag, Reinbek
2013
ISBN
9783498039417, Gebunden, 256Seiten, 19,95
EUR
Klappentext
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Der junge amerikanische Lyriker Adam Gordon verbringt ein Jahr als Stipendiat in Madrid, auf der Suche nach sich selbst und seiner Rolle als Künstler. Doch ob vor den verehrten Bildern im Prado, beim Zusammensein mit seinen beiden spanischen Geliebten, denen er das Blaue vom Himmel herunterlügt, oder auf der Bühne vor einem befremdlich begeisterten Publikum immer bedrückender wird sein Verdacht, dass ihn und die Welt ein unüberwindlicher Graben trennt. Das liegt beileibe nicht nur an seinem holprigen Spanisch, das Anlass zu den kuriosesten Missverständnissen gibt, sondern an seiner wachsenden Überzeugung, dass er selbst eine ebensolche Fälschung ist wie seine nach dem Zufallsprinzip komponierten Gedichte. Immerhin, was ihm an Echtheit fehlt, ersetzt er durch blühende Phantasie. Doch dann geschieht der blutige Al-Qaida-Anschlag auf den Bahnhof Puerta de Atocha, und seine spanischen Freunde wollen ein politisches Bekenntnis von ihm.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.02.2014
Schlichtweg "betörend" findet Rezensent Ulrich Seidler Ben Lerners Romandebüt "Abschied von Atocha", in dem ein verhinderter Dichter sich durch ein erschlichenes Auslandsstipendium ein Auslandsjahr in Madridverschafft. Amüsiert liest Seidler, wie sich Adam mit Spucke unter den Augen und erfundenen Lebenstragödien die Aufmerksamkeit von Frauen ergaunert oder tagelang in spanischen Bars sein Lyriker-Dasein inszeniert. Ganz hingerissen ist der Rezensent auch von den rauschhaften, intelligenten und rasanten Denkschleifen und Sprachspielen des Autors, die der Übersetzer Nikolaus Stingl exzellent ins Deutsche übertragen hat. Dieses Buch wird jeden Leser umhauen, versichert Seidler.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 03.12.2013
Der amerikanische Lyriker Ben Lerner hat einen spannenden, anspruchsvollen Debütroman geschrieben, in dem er mit dem Schema des Entwicklungsromans spielt, ohne es einzulösen, berichtet Nico Bleutge. In "Abschied von Atocha" schickt Lerner seinen Protagonisten Adam Gordon für ein Stipendienjahr nach Madrid, wo er, unter eigenem Vorbehalt, als Lyriker auftritt, fasst der Rezensent zusammen. Es geht in diesem Roman um Adams Erlebnisse in Madrid, meist unter Drogeneinfluss, erklärt Bleutge, es geht aber auch oder vor allem um seine Gedanken: über "Inkommensurabilität von Sprache und Erfahrung", über die erzählerische Struktur, in der jede sprachliche Äußerung von vorneherein verstrickt ist. Irgendwie schafft es Lerner durch eine gewisse Ironie und durch das Aushebeln von Erwartungen aber, dass einem das alles nicht zwangsläufig wie das Wiederkäuen zäher Postmoderne vorkommt, staunt Bleutge.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.10.2013
Dem Erzähler traut Thorsten Gräbe nicht über den Weg, aber das soll so sein. Das Buch von Ben Lerner macht dem Rezensenten nicht zuletzt wegen der Unzuverlässigkeit der Hauptfigur, eines amerikanischen Studenten mit Madrid-Stipendium, so viel Freude. Gewitzt findet Gräbe auch die Ähnlichkeiten zwischen Autor und dichterisch ambitionierter Figur und überhaupt die intellektuell reizvollen Bezüge im Buch, zu Walter Benjamin etwa. Als moralisch ambivalent erscheint ihm die Figur schließlich auch, als im Text die Bomben von Madrid 2004 explodieren - ein Antiheld mit Amüsementpotenzial, findet Gräbe, der auch die kluge Konstruktion der Geschichte lobt.