Haus der NamenRoman
Carl Hanser Verlag, München
2020
ISBN
9783446261815, Gebunden, 288Seiten, 24,00
EUR
Klappentext
Aus dem Englischen von Ditte und Giovanni Bandini. Im geheimnisvollen Haus der Namen findet Orestes Zuflucht vor dem neuen Mann seiner Mutter. Diese hat nach der Opferung ihrer Tochter ihren Ehemann ermordet. Deswegen wird sie nun von ihrem Sohn Orestes und seiner Schwester Elektra angefeindet. Es beginnt ein blutiges Rachespiel zwischen Mutter, Tochter und zurückgekehrtem Sohn. Immer tiefer gerät Orestes zwischen die Fronten. Und dann ist da noch seine Liebe zu Leandros, die ihn vor eine Zerreißprobe stellt.
Rezensionsnotiz zu
Deutschlandfunk, 23.06.2020
Beeindruckt ist Rezensent Wolfgang Schneider von Colm Toibins Roman "Haus der Namen", der die "Orestie" nacherzählt beziehungsweise neu erzählt, ohne sich angesichts der Wucht des antiken Stoffes zu blamieren. Dabei erzählt der irische Schriftsteller eher unaufwändig und in einer schlicht gehaltenen Sprache, aber psychologisch glaubwürdig, so dass Schneider sowol mit Klytaimnestra wie auch mit Elektra und Orest mitleiden kann. Interessant und gelungen erschient ihm auch, dass Orest dem Teufelskreis blutiger Rache entkommt, indem er sich als "wohltemperierter, testosteronreduzierte und kooperativer Mann" gegen das Morden und für die Liebe entscheidet.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Rundschau, 08.04.2020
Rezensentin Sylvia Staude ist gespannt, wie Colm Toibin den Tantaliden-Stoff angeht. Dem Autor bei seiner Beobachtung der Klytämnestra folgend, freut sich Staude zunächst, dass Toibin sich bald dem Orestes und seiner Geschichte zuwendet, nüchtern, aber vorantreibend. Wieso der Autor Klytämnestra und Elektra in seiner Adaption so kraftvoll zeichnet, Orestes aber so hölzern und gleichsam aus der Ferne, bleibt Staude ein Rätsel. An diesem "Zinnsoldat" verliert sie leider recht schnell das Interesse.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020
Rezensent Simon Strauß hält Colm Toibins Buch für ein ebenso gewagtes wie gelungenes Unterfangen. Wie der Autor antike Mythen fortschreibt, nüchtern, spannungsgeladen, ohne Künstlichkeit, mitunter vielleicht etwas zu umgangssprachlich das kritische Selbstbewusstsein der Figuren zeichnend, aber den Leser so nah wie nie an Elektra, Orestes, Klytaimnestra heranlassend, findet Strauß lesenswert. Moderne Menschen mit nachvollziehbaren Gefühlen und Gedanken, wie Angst und Hoffnung, treten Strauß da auf einmal entgegen sowie das Grauen - ganz unprätenziös.
Rezensionsnotiz zu
Deutschlandfunk Kultur, 27.02.2020
Rezensentin Sigrid Löffler zieht die Tragik des Ur-Mythos der Neubearbeitung von Colm Toibin vor. Zwar hat sie Respekt vor Toibins aufwendigem Versuch, die Gewaltgeschichte der Atriden im Licht heutigen Bewusstseins neu zu entwerfen, doch scheint ihr der Text letztlich allzu zerrissen zwischen der antiken Rache-Story und ihrer Neusichtung als Geschichte einer dysfunktionalen Familie. Der Verzicht auf die Götter, die Zutat eines lässigen heutigen Idioms und die aufgerufenen heutigen politischen Konflikte fügen sich nicht ins archaische Setting, stellt Löffler durchaus bedauernd fest. Der Roman bleibt für sie leblos, unentschlossen zwischen Alt und Neu.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 17.02.2020
Catrin Lorch liest Colm Toibins Bearbeitung des antiken Dramas "Die Orestie" mit Gewinn. Staunend, wie wenig archaisch Gattenmord und Rachegelüste bei Toibin erscheinen, folgt Lorch Toibin bei seinem Versuch zu erzählen, wie es nach Gewalt und Tod weitergehen könnte. Dass der Autor weiß, worüber er schreibt, daran zweifelt Lorch nicht, hält sie ihn doch für einen Spezialisten in Äußerungen der Macht wie des Terrors. Perspektivisch wie rhythmisch wechselvoll gefasst wird der Stoff für Lorch zum neuen Narrativ, zur "Formel für die Gegenwart". Toibins Lebensklugheit macht's möglich, so Lorch.