Ein Schiff nach KobeDas japanische Tagebuch meiner Mutter
Piper Verlag, München
2003
ISBN
9783492044899, Gebunden, 283Seiten, 19,90
EUR
Klappentext
Die italienische Autorin blättert in den Tagebüchern ihrer Mutter und erinnert sich an ihre früheste Kindheit: den Aufbruch aus dem faschistischen Italien zu einer langen Reise ins ferne Japan, das unkonventionelle Leben fern der Heimat mit ihrem Vater, dem Ethnologen Fosco Maraini, und ihrer schönen, aristokratischen Mutter Topazia Alliata. Ein berührendes Zeitzeugnis, ergänzt durch zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.06.2004
Dacia Maraini ist eine in Italien bekannte feministische Autorin, die Romane, Theaterstücke, aber auch Essays und zeitpolitische Kommentare geschrieben hat und weiterhin schreibt. Erstmals, betont Sabine Doering, hat sich Maraini nun der eigenen Lebensgeschichte auf dokumentarische Weise genähert, indem sie die in den Jahren 1938 bis 1941 entstandenen Japan-Tagebücher ihrer Mutter präsentiert und kommentiert. Die Mussolini kritisch gegenüberstehenden Eltern Marainis nutzten ein ethnologisches Forschungsangebot für den Vater in Japan, um sich für längere Zeit ins Ausland abzusetzen. Die Tagebücher skizzieren kleine Alltagsszenen, die eine multikulturelle Idylle beschwören, die mit der Internierung der Familie jäh endete, worüber die Tagebücher aber nichts mehr berichten. Auch Dacia Maraini deutet die bösen Erfahrungen nur vage an, meint Doering leicht bedauernd. Sie findet die Kommentare Marainis zu den Tagebuchaufzeichnungen der Mutter etwas unproportional, da sie diese an Länge häufig überträfen. Auch zöge die Publizistin allzu oft Rückschlüsse auf ihre spätere Entwicklung und nutze die Erinnerungen ihrer Mutter zur Kommentierung aktueller Themen wie Rinderwahnsinn oder Sexualmoral. Maraini hätte die Aufzeichnungen ihrer Mutter mehr für sich sprechen lassen sollen, lautet Doerings Kritik. Auch die nicht immer authentischen Fotos verstärkten die Eigenschaft des Buches als "rührselige Inszenierung".
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 04.02.2004
Als eine "erstaunliche Meditation über das Familiäre" beschreibt Meike Fessmann das auf den Tagebüchern der Mutter basierende Buch "Ein Schiff nach Kobe" von Dacia Maraini. Die Tagebuchnotizen aus den Jahren 1938 bis 1942, in denen die italienische Familie vor dem Faschismus nach Japan flüchtet, sind von "unglaublicher Nüchternheit", handeln von alltäglichen Elternsorgen und -freuden. Maraini lässt diese Aufzeichnungen weitestgehend unkommentiert, so die Rezensentin, ergänzt sie assoziativ und zeichnet "in knappen Skizzen den familären Hintergrund der Großfamilie". Allerdings, kritisiert Fessmann, ist dem Buch eine "gewisse Verleugnung des Schmerzes" anzumerken, die zuweilen in "Naivität" umschlägt: Maraini bewegt sich nicht gern in der Negativität, glaubt Fessmann, und dies sei wohl auch ein Grund dafür, dass sie über die Inhaftierung ihrer Familie in einem japanischen Konzentrationslager 1943 und den Untergang ihres Kindheitsidylls nie schreiben konnte. Andererseits macht sie darin genau auch das "Ungewöhnliche" dieses Buches aus: dass sich die Autorin "niemals dem Schmerz" hingibt.