Professor Andersens NachtRoman
Dörlemann Verlag, Zürich
2005
ISBN
9783908777168, Gebunden, 200Seiten, 19,80
EUR
Klappentext
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Alle Jahre wieder zelebriert Pal Andersen, Professor für Literatur, mit großem Vergnügen und "kindlicher Einfalt" die Heilige Nacht. Er kleidet sich festlich, kocht das traditionelle Weihnachtsessen, um dann alleine zu speisen. Ein erwachsener Mann Mitte fünfzig mit einem intakten kindlichen Gemüt. Er erfreut sich an den erleuchteten Fenstern seiner Nachbarn, die sich alle zum selben Ritual um den Weihnachtsbaum versammeln. Die stille Nacht des Professor Andersen findet ein abruptes Ende, als er im Fenster gegenüber den Mord an einer jungen Frau beobachtet.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 24.12.2005
Nicht jeder Mord macht aus einem Buch gleich einen Krimi, so die vergnügte Rezensentin Kristina Maidt-Zinke. So etwa hier: Der sein rituelles Weihnachten feiernde Professor Andersen steht besinnlich am Fenster, als er zum Zeuge eines Mordes in einer gegenüberliegenden Wohnung wird. Der "innere Diskurs", den diese Beobachtung im Professor lostritt, hat die Rezensentin regelrecht fasziniert. Schnell werde klar, dass die Polizei unbenachrichtigt bleiben werde. Stattdessen befalle den Professor das plötzliche Bewusstsein seines immerwährenden Angepasstseins sowie die unglückliche Erkenntnis, "in einer 'kümmerlichen Zeit' zu existieren". Auch die sozialen Verpflichtungen der Weihnachtszeit, berichtet die Rezensentin weiter, machen des Professors "Missvergnügen" nur noch schlimmer und lösen einen regelrechten "misanthropischen Schub" aus, von dem er selbst nicht ausgenommen ist: Es lauert die Erkenntnis, dass seine Spezialisierung auf Ibsen reine karrieristische Berechnung war. All das, so das werbende Fazit der Rezensentin, vollbringt Dag Solstad mit einer "skandinavischen Langsamkeit und Gründlichkeit, an die man sich erst gewöhnen muss, hinter der dann aber viel rhetorische Eleganz und abgründiger Witz" zum Vorschein kommen.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 22.11.2005
Wie wird aus der Selbstanklage eines misanthropisch mediokren Intellektuellen ein spannender Roman? Mit "beißender Ironie", meint Rezensent Aldo Keel, und einer stilistischen Eleganz, die eine stets "abwägende Distanz" zur Hauptfigur hält. Seit 40 Jahren sei sie das "Markenzeichen" des norwegischen Autors Dag Solstad. Dieses Mal beobachte der Held an Heiligabend, wie im Nachbarhaus ein Mann eine Frau erwürgt, aber anstatt die Polizei zu benachrichtigen, steigere sich Professor Andersen in einen "Diskurs über Literatur und die letzten Dinge". In einer Art Parallelaktion, so der Rezensent, gehe Andersen mit der "kümmerlichen Zeit" und insbesondere dem Tod der Literatur ins Gericht, an die er sein Leben verschwendet habe, während der Autor seinerseits mit dem Professor und seinen erfolgreich ignoranten Freunden aus der 68er Generation erbarmungslos abrechnet. Das alles wird präsentiert in "gedrechselten, mitunter koketten, doch stets eleganten Sätzen", die das Lesen für Keel "zum Genuss machen". Schließlich flüchtet der Held vor einer Entscheidung in ein "richtig heißes Bad", wie der Rezensent verrät.