Romantiker der RevolutionEin russischer Familienroman aus dem 19. Jahrhundert
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main
2004
ISBN
9783821845425, Gebunden, 436Seiten, 30,00
EUR
Klappentext
Aus dem Englischen von Reinhard Kaiser. Jeden Tag liefert der Terror neue Schlagzeilen; doch die russischen Anarchisten, die ihn erfunden haben, sind vergessen. Sie wirken heute beinahe wie ehrwürdige Urgroßväter - schöne Seelen, die an ihre politische Moral die höchsten Ansprüche gestellt haben. In ihrem jahrzehntelangen Exil mussten sie einsehen, dass sie gescheitert waren. Alexander Herzen, Michail Bakunin und Nikolaj Ogarev, genannt "der arme Nick" - ihre Lebensläufe lesen sich wie ein Roman von Turgenjev oder Balzac: Es wimmelt in ihnen von absurden Heldentaten, Familientragödien, Gewissensqualen, Duellen, Intrigen, Liebes-, Spitzel- und Geldgeschichten. Der englische Historiker E. H. Carr hat die klassische Biografie dieser überlebensgroßen Figuren geschrieben.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 11.08.2004
Felix Philipp Ingold staunt, wie frisch dieses bereits 1933 erschienene Buch des britischen Historikers Edward Hallett Carr heute noch wirkt. Carr, ein Kenner der russischen Revolution, hatte sich seiner Zeit vorgenommen, drei Protagonisten der revolutionären Intelligenz des 19. Jahrhunderts zu porträtieren - Alexander Herzen, Michail Bakunin und Nikolai Ogarjow - und sie als "Menschen aus Fleisch und Blut und nicht bloß als Ideenträger vorzuführen", schreibt Ingold. Dass Carrs Buch nun auf Deutsch im Untertitel als "russischer Familienroman" firmiert, sei deswegen gar nicht so falsch, erklärt Ingold. Carr weite mit großer narrativer Kraft das beinahe tragikomische Verhältnis der drei ins Exil gezwungenen Helden zu einer richtigen Saga, so der Rezensent, bei der die Schilderung dieser Schicksalsgemeinschaft Innenansichten einer ganzen Epoche ergebe. Das Tragische an der Geschichte sei, hält Ingold fest, dass die hohen Ideale dieser Gesellschaftskritiker "in der Praxis unweigerlich zur Farce" mutierten. Carr sei ein geschickter und unterhaltsamer Geschichtenerzähler, schließt Ingold, der sich auch vor Eigeninterpretationen nicht scheue. Einzig, dass der Historiker die von Bakunin und Konsorten verfassten Werke nicht inhaltlich oder literarisch gewürdigt hat, ist in seinen Augen ein kleiner Kritikpunkt.