Narzissmus und MachtZur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik
Psychosozial Verlag, Giessen
2002
ISBN
9783898060448, Broschiert, 439Seiten, 24,90
EUR
Klappentext
Die Möglichkeit, politische oder ökonomische Macht auszuüben, nährt Größen- und Allmachtsphantasien. Umgekehrt bahnen Karrierestreben und Rücksichtslosigkeit den Weg zu den Schaltzentralen der Macht. In detaillierten Fallstudien - u. a. über den Skinhead Max, den Pädophilen Ivo, Ministerpräsident Uwe Barschel, Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl und Serbenführer Slobodan Milosevic - analysiert der Autor die Verflechtungen zwischen der individuellen Psychopathologie und den ethnischen, religiösen und kulturellen Identitätskonflikten der Gruppe.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.04.2003
Hans-Jürgen Wirths Analyse "Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik" hat Rezensentin Caroline Neubauer nicht wirklich überzeugt. Problematisch findet sie etwa, dass sich Wirth bei seinem Versuch den Narzissmus von der Politiker Barschel, Kohl, Fischer und Milosevic psychoanalytisch zu durchleuchten, auf allgemeinzugängliche Quellen - etwa die Artikel des "Spiegel"-Journalisten Jürgen Leinemann - stützen muss. "So kommen sehr eindimensionale Ableitungen zustande", moniert die Rezensentin, "wie sie die Psychoanalyse gerade ablehnen muss". Zu kurz kommt zu ihrem Bedauern in Wirths Interpretationen vor allem auch die Projektionsfigur. Immerhin hält Neubauer dem Buch zu Gute, dass es die Möglichkeit eröffne, die verschiedenen Momente der Bedrohungen und Möglichkeiten, die zur narzisstischen Selbstbehauptung gehören, als die verschiedenen jeweils exemplarischen Akzente in einer gemeinsamen Struktur zu lesen.
Rezensionsnotiz zu
Die Tageszeitung, 31.12.2002
Der Untertitel sei irreführend, behauptet Martin Altmeyer wohlwollend von Hans-Jürgen Wirths Politiker-Studie, denn erstens gehe es gar nicht um Psychopathologie im engeren Sinne und zweitens enthalte sich der Autor des sonst üblichen psychoanalytischen Fachjargons auf angenehme Weise. Er erliege nicht der Versuchung, Psychoanalyse und Zeitdiagnostik kurzzuschließen. Vielmehr handelt es sich Altmeyer zufolge um einen "intersystemischen Austausch", der die gegenseitige Beeinflussung von Persönlichkeit und Politik thematisiert. Wobei Narzissmus und Macht nicht per se etwas Negatives bedeuten müssen, berichtet der Rezensent, in einer bestimmten Konstellation aber destruktives Potenzial gewinnen könnten. Im Mittelpunkt des Buches stehen die Portraits von drei Politikern, auf die letzteres bestimmt zutrifft: Helmut Kohl, Uwe Barschel und Slobodan Milosevic. Zwei weitere Kapitel widmeten sich Zeitphänomenen und ihren Repräsentanten: der 68er Bewegung (Joschka Fischer) sowie dem Erstarken eines "politischen Manichäismus" seit dem 11. September 2001, wobei der Autor einen unbewussten Zusammenhang von Narzissmus und Macht "als interkulturelle Entscheidungsschlacht verkleidet" sehe. Mehr will Altmeyer nicht berichten, um die Spannung zu wahren.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 24.08.2002
Der Gießener Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth bezeichnet Narzissmus und Macht als "siamesische Zwillinge". Ludger Lütkehaus will so weit nicht gehen, der grundsätzlichen Analyse des Autors aber stimmt er zu, zumal dieser selbst für die "obligaten Differenzierungen" sorge. Über Freuds etwas "grobschlächtige Narzissmus-Konzepte" gehe er hinaus, die Verwicklungen, die sich aus der Notwendigkeit öffentlicher Verbergung von Macht ergeben, widersprechen seinen Thesen nicht, so Lütkehaus. Die Fallstudien - von Barschel über Kohl und Joschka Fischer bis zu Milosevic - leuchten dem Rezensenten ein, die zu Barschel findet er "besonders eindrucksvoll".