Auf der FluchtErinnerungen
Ullstein Verlag, Berlin
2004
ISBN
9783550075858, Gebunden, 526Seiten, 24,00
EUR
Klappentext
Auf der Flucht! Sich erinnern heißt für Hellmuth Karasek Geschichten erzählen, Geschichten, die er erlebt hat, die anderen widerfahren sind, die ihn mit Freunden und Feinden, mit Frauen und Kindern, mit Kollegen und Weggefährten aus der Kulturbranche verbinden. Für den Elfjährigen endet die Kindheit nach einem trügerisch glänzenden Weihnachtsfest 1944 mit der Flucht aus der österreichischen Tuchstadt Bielitz an der Grenze zu Galizien. Zusammen mit der hochschwangeren Mutter und drei kleinen Geschwistern, ist er unterwegs nach Schlesien, nach Sachsen und schließlich nach Sachsen-Anhalt, wo nach Kriegsende eine neue Zeit der Ängste, Lügen und Behauptungen beginnt. Mit dem DDR- Abitur in der Tasche, studiert er in Tübingen. Frontwechsel im Kalten Krieg. Die Ziele des Heranwachsenden sind klar: Er möchte satt werden und einer Welt der wechselnden Lügen entrissen - auch für den Preis der Anpassung. Dabei wird er von der Phantasie, auch der der Bücher und des Kinos getröstet und von derlität verbogen. Er erfährt Liebe, Betrug, Verrat, Nähe und Fremdheit, Lüge und eigene Wahrheit. Oder, um es in Goethes Worten zu sagen: "Eines schickt sich nicht für alle! Sehe jeder, wie er's treibe, Sehe jeder, wo er bleibe, Und wer steht, dass er nicht falle".
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.04.2005
Claudius Seidl könnte es sich leicht machen mit Hellmuth Karaseks Erinnerungsbuch "Auf der Flucht" und sagen, der Autor habe es sich stellenweise "ein wenig zu leicht" gemacht. Aber das wäre unangemessen. Denn Karasek, so Seidl, ist "mutig". Mutig ist er darin, dass er seinen "Hang zum schönen und bequemen Leben" eingesteht. Und das in einem Land, in dem "Kämpfer und Asketen" bewundert werden, wie Seidl meint. Ansonsten ist der Rezensent ganz beschwingt von der Lektüre, verleiht seiner generellen Sympathie für das Buch und dessen Helden Ausdruck. Nach seiner Einschätzung liefert Karasek aufschlussreiche Ansichten aus der frühen Bundesrepublik, gibt genaue Stimmungsbilder, zeichnet lebendig-erhellende Porträts unter anderem von Martin Walser, Billy Wilder, Rudolf Augstein.
Rezensionsnotiz zu
Die Zeit, 25.11.2004
Es ist nicht despektierlich gemeint, wenn Dieter Hildebrandt in seiner Besprechung der Karasek-Memoiren als allererstes die Erinnerungen Harald Juhnkes in den Sinn kommen; philologische Akuratesse ist der Grund, denn sowohl der omnipräsente "Pop-Proteus" als auch der nunmehr delirierende Entertainer haben in ihren Autobiografien Horvath falsch zitiert: "Ich bin ja ganz anders, aber ich komme so selten dazu", lautet das von beiden als Motto falsch wiedergegebene Credo. Ansonsten hat Hildebrandt nicht viel zu beanstanden. Mit einem "Schuss Schwejk" und "nie larmoyant" erzählt Karasek von der Flucht der Familie in den letzten Kriegsjahren. Gerade aus den damaligen Nöten heraus habe sich Karaseks besondere Gewitztheit entwickelt, deutet der Kritiker. Wenn an den Jugendepisoden etwas störe, dann die "Schlaumeierei", mit der der alte den jungen Karasek garniere. Die Schilderung der geradlinigen Journalistenkarriere gerate zum "Wer ist wer?" der westdeutschen Intellektuellenszene mit einigen "hübsch boshaften Porträts". Der Schluss stößt dem Kritiker dann wieder etwas übel auf, denn da geht der Lebensbericht "in eine Klatschgeschichte über, in der Frauen meist nur als Vernaschkatzen vorkommen".