Das EigentlicheRoman
Droschl Verlag, Graz
2009
ISBN
9783854207641, Gebunden, 176Seiten, 19,00
EUR
Klappentext
Das Eigentliche ist für jeden etwas anderes. Für Hans Frambach sind es die Verbrechen der Nazizeit, an denen er leidet, seit er denken kann. Darum ist er Archivar im Institut für Vergangenheitsbewirtschaftung geworden; nur fragt er sich, ob es nicht an der Zeit für eine andere Arbeit wäre. Auch für seine beste Freundin Graziela stand die Fassungslosigkeit über diese Vergangenheit im Mittelpunkt bis sie einen Mann kennenlernte, der sie begehrte, und fortan die Begegnung der Geschlechter im Fleische für das Eigentliche hielt; ein Konzept, an dem sie nun zweifelt. Aber kann man denn den Nationalsozialismus für alles verantwortlich machen? Eigentlich ist es doch ihre Unfähigkeit zum Glück, die Hans und Graziela zu so wunderlichen Gestalten macht. Nur sie selbst halten ihr Unglück nicht für gott-, sondern für nazigegeben. Zugleich hat auch der Staat, in dem sie leben, sein Eigentliches. Es ist das unausgesetzte Bemühen um Harmlosigkeit seiner Repräsentanten, das allen voran die Bundeskanzlerin vorführt, wenn sie jede Woche übers Internet zu uns spricht.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 30.06.2010
Martin Zingg gibt Entwarnung. Eine Shoah-Satire hat die Autorin nicht geschrieben, meint er. Kühl und distanziert verhalte sich Iris Hanika zu ihrem Stoff. Dass es sich um heikles Terrain handelt, das Hanika mit ihrer teils ins "Shoah-Business" verstrickten, teils davon abgestoßenen, selbstquälerischen Figur betritt, weiß Zingg genau. Die Erkenntnis, dass Erinnern stets eine widersprüchliche Angelegenheit ist, wird ihm von der Autorin allerdings "meisterhaft" vermittelt. Am Ende ist für Zingg klar, was "das Eigentliche" hier meint: Es sind die Verbrechen der Nationalsozialisten.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 25.06.2010
Was das Eigentliche ist, hat Meike Fessmann schon gelernt bei Iris Hanika und ihrem zweiten Roman: Vom Sex bis zur Shoah kann es einfach alles sein. Dass so ein Ergebnis die Rezensentin nicht eben froh stimmt, ist auch klar. Leider komme nicht mehr bei rum in Hanikas kalauernder Geschichte um einen melancholischen Archivar des "Shoah-Business". Und die Verschränkung einer individuellen psychischen Leerstelle mit dem Massenmord an den Juden, den kann Fessmann der Autorin schon gar nicht durchgehen lassen. Dramaturgisch nicht und moralisch sowieso nicht.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.01.2010
Alles in allem sehr beeindruckt ist Rezensent Andreas Platthaus von diesem zweiten Roman der Berliner Autorin Iris Hanika. Sie wagt nämlich sehr viel. Um nicht weniger als die Frage nach dem Umgang mit der Schuld des Holocaust geht es. Ihren Helden Hans Frambach, Mitarbeiter eines "Instituts für Vergangenheitsbewirtschaftung", schickt sie nach Auschwitz, wo er dann sehr buchstäblich auf den Spuren ermordeter Juden unterwegs ist. Die eigentliche erzählerische Pointe sieht Platthaus in zweimal drei Seiten. Drei sind ganz leer, über den anderen steht jeweils nur: "Raum für Notizen". Ein Kunstgriff, der den Rezensenten als Witz beim zweiten Mal nicht recht überzeugt. Was für den ganzen Roman aber ganz und gar nicht gilt. Der nämlich verhandle auf höchstem Niveau "den Zwiespalt dessen, was Erinnerung ist".