Der DekanAus Spencer C. Spencers hinterlassenen Papieren. Roman
Carl Hanser Verlag, München
2004
ISBN
9783446205307, Gebunden, 191Seiten, 17,90
EUR
Klappentext
Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Spencer C. Spencer, Professor der Philosophie und im Büro des Dekans tätig, ist geflohen. In einer heruntergekommenen Pension am Rande der Wüste notiert er die unerhörten Begebenheiten der letzten Jahre. Es geht um Mary Elizabeth, die einen modernen Faust schreiben will, um verschwundene Schriftsteller, um erhängte Universitätspräsidenten und um Leben und Tod.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Rundschau, 08.12.2004
Ein augenscheinlich nicht ganz einfaches, aber ungemein gutes Buch hat Martin Krumbholz gelesen. Lars Gustafsson verlangt seinen Lesern nämlich einiges ab. Seinen Text hat er mutwillig mit Leerstellen und Diskontinuitäten versehen und wer ihn lesen will, muss sich "mühsam" einiges zusammen buchstabieren, was dann so etwas "wie eine Geschichte werden könnte". Eine Geschichte um einen Universitätsdekan und seinen Stellvertreter, die möglicherweise einen Mordkomplott geschmiedet haben, um einen unliebsamen Dritten beiseite zu räumen.Vielleicht ist aber auch alles ganz anders. Das Buch präsentiert sich in Form der unvollständigen und chaotischen Aufzeichnungen des Vize, der darin die etwas kruden Thesen des bewunderten Dekans entfaltet. Aber, so stellt der Rezensent fest, das Buch ist kein Thesenroman, sondern ein metaphysischer Rätselroman. Eindeutigkeit soll vermieden werden, denn "nichts ist ohne sein Gegenteil wahr". Das literarische Spiel, das der Autor mit seinen Lesern treibt, gleicht bisweilen einer Rutschbahn, auf der man dem Abgrund oder dem Nichts entgegen rauscht, findet der beeindruckte Kritiker. Die Geschichte, die vielleicht gar keine ist, sei "wunderbar zu lesen, weil in ihr ein beweglicher Geist haust, der einen Haken nach dem anderen schlägt."
Rezensionsnotiz zu
Die Zeit, 11.11.2004
Ulrich Greiner zeigt sich vom jüngsten Roman des schwedischen Schriftstellers Lars Gustafsson nicht wenig verwirrt und bezeichnet ihn unumwunden als "verworrene Geschichte", die "ziemlich verworren" erzählt wird. Es geht um die Aufzeichnungen des offensichtlich verschwundenen Vizedekans Spencer der geisteswissenschaftlichen Fakultät in Austin, die die Bibliothekarin der Universität herausgegeben hat und in denen Spencer unter anderem über den Dekan, einen an den Rollstuhl gefesselten Vietnamveteran, berichtet, versucht der Rezensent die komplexe Handlung zusammenzufassen. Hier hat der Autor seine schon in früheren Romanen geübte Methode, die Leser durch seine literarischen "Verwirrspiele" durcheinander zu bringen "auf die Spitze getrieben", es vielleicht sogar etwas überzogen, meint der verunsichert wirkende Greiner. Warum er die Lektüre trotzdem für "lohnenswert" hält, kann er aber auch begründen. Ihn überzeugen die "leichthändige Eleganz" der Unterhaltungen zwischen Vizedekan und Dekan über Gott und die Welt, und er lässt sich von den "scharfsinnigen Diskursen", den "wunderbaren" Naturbeschreibungen und den "sarkastischen" Schilderungen des Universitätslebens gefangen nehmen. In diesem Roman bleibt "vieles Dunkel", kritisiert der Rezensent, doch überzeugt ihn insgesamt dennoch der typische "Gustafsson-Sound" in seiner Mischung aus "unerschrockenem Scharfsinn und kindlicher Fabulierlust".
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 09.10.2004
Andreas Dorschel hat das Gefühl, mit Gustafssons Roman "Der Dekan" ein literarisches Meisterwerk vor sich zu haben, wobei er diese Feststellung größtenteils an der Form festmacht, der er auch den Großteil seiner Rezension widmet. Dem Autor sei es in selten intelligenter Weise gelungen, eine "Kreuzung von Metaphysik und Roman" zu schaffen und dies sowohl im Inhalt als auch in der Form umzusetzen. Das erstaunlichste dabei sei die Zeitstruktur, die eine Art Strudel bilde, ohne dass der Leser wisse, in welche Richtung dieser ihn zieht. Dabei bleibe unklar, worauf diese veränderte Wahrnehmung inhaltlich zurückzuführen sei; jedoch ist der Rezensent der Auffassung, dass es sich nicht schlicht um eine gewöhnliche Unordnung sondern vielmehr um eine "Ordnung höherer Stufe" handele. Im übrigen zeigt sich Dorschel fasziniert von den kleinen intellektuellen Versteckspielchen, die der Autor treibt und die, obwohl fast ein "gelehrter Kommentar dreifacher Länge" geboten sei, nie den Anschein von Bildungsprotzerei machten. Wesentlich sei jedoch, dass man sich dem Roman nicht nur von dieser intellektuellen Ebene her nähern könne, sondern ebenso gut von der Oberfläche aus - "Indiz für ein literarisches Meisterstück".
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 24.08.2004
Seit einiger Zeit lebt der schwedische Schriftsteller Lars Gustafsson im texanischen Austin, wo er Literatur unterrichtet, informiert Andreas Breitenstein die neugierigen Leser, die den Ortswechsel auch in den beiden letzten Romanen des Schweden nachvollziehen konnten, in denen er "in einer bekömmlichen Altherren-Mischung", so Breitenstein, das akademische Milieu und erotische Leben "männlicher Geistesgrößen" aufs Korn nahm. Das Milieu ist auch im neuesten Roman Gustafssons geblieben; Protagonist ist ein Philosophie-Dozent, der dem dämonischen Charakter seines vom Vietnamkrieg geschädigten Dekans anheim fällt, in schamanistische Kreise gerät und sich in ein Mordkomplott verstricken lässt, um die dürren wie wirren Fakten dieses Romans nach Breitenstein zusammenzufassen. Einen "philosophischen Thriller", wie vom Verlag suggeriert, könne man den Roman wohl kaum nennen, rätselt der Rezensent; für einen Kriminalroman sei das Handlungsgerüst zu locker gestrickt, wendet er ein. Breitenstein bezeichnet das Buch als "Thesenroman", dessen Stärke nicht die Psychologie sei, sondern die essayistischen Einschübe, in denen Gustafsson die schwierigsten Themen ungemein leicht und locker abhandele. Auch die Übersetzung von Verena Reichel verdiene Anerkennung, lobt der Rezensent.