Wir sind nicht wirRoman
Berlin Verlag, Berlin
2015
ISBN
9783827012067, Gebunden, 896Seiten, 24,99
EUR
Klappentext
Aus dem Englischen von Astrid Becker und Karin Betz. Eileen will der Enge ihres kleinen Apartments in Queens unbedingt entfliehen. Als sie Ed Leary begegnet, einem jungen Wissenschaftler voller Sanftmut, scheint das Ersehnte so nah: ein schönes Haus, eine kleine Karriere, eine glückliche Familie. Doch was, wenn Träume in Erfüllung gehen, das Glück sich aber nicht hinzugesellt? Thomas erzählt nicht von Tellerwäschern und Millionären, sondern von ganz gewöhnlichen Menschen. Denn sie - die Mittelschicht - sind es, die Amerika zu einem mythischen Ort der Freiheit und Selbstverwirklichung gemacht haben. Aber so, wie wir längst wissen, dass dieser Mythos nur eine Chimäre war, erfahren auch Eileen, Ed und ihr Sohn Connell, wie schnell Sichergeglaubtes ins Wanken gerät. Dann stellen sich die drängenden Fragen: Was ist wirklich wichtig im Leben? Hat man ein Recht auf Glück? Und wer sind wir, wenn wir nicht mehr wir selbst sind?
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2015
Tief beeindruckt liest Wolfgang Schneider diesen großen, auf persönlichen Erfahrungen beruhenden Roman über die zunehmende Demenz eines Vaters, der ausgerechnet als Hirnforscher schon mit fünfzig von der Krankheit ereilt wird. Der Vergleich mit Jonathan Franzens "Korrekturen" bietet sich an und wurde laut Rezensent auch gezogen. Er selbst vergleicht das Buch außerdem mit Arno Geigers "Der alte König in seinem Exil", das ihm allerdings - schon wegen des älteren Patienten - milder erscheint als jenes von Thomas, das kein krudes Detail auslässt. Schneider respektiert es dafür, verzeiht ihm die Längen, auch wenn es wegen der nicht so virtuosen Beherrschung des Materials doch nicht an Franzen heranreicht. Und doch: So intensiv sind Mathews Berichte, dass man das Buch "fast schon als Angehöriger" liest. Interessant erscheint Schneider en passant ein Kapital über Deutschland und die "unbeirrte Disziplin", mit der hier die Erinnerung an die Verbrechen der Nazizeit gepflegt wird - ein ironischer und abgründiger Kontrast.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 03.07.2015
Matthew Thomas' "Wir sind nicht wir" ist nicht nur ein sehr, sehr dicker Roman - immerhin neunhundert Seiten, warnt Ulrich Baron -, sondern auch ein großer, verspricht der Rezensent. Thomas erzählt die Geschichte einer Tochter irischer Einwanderer in New York, die versucht, sich und ihre Familie einen "Weg durch das Dickicht des Mittelklassedaseins" zu bahnen, während sie mit der Alzheimer-Erkrankung ihres Mannes umzugehen lernt, fasst Baron zusammen. Die Krankheit wird hier weniger beschönigt als etwa in Arno Geigers "Der alte König in seinem Exil", so der Rezensent, und Thomas gelingt es sogar darzustellen, "wie die Krankheit auch die Gesunden entstellt", lobt Baron.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Rundschau, 25.02.2015
Sylvia Staude hat diesen 900 Seiten dicken Roman gern gelesen. Der Amerikaner Matthew Thomas erzählt in ihm ungefähr die Geschichte seiner Eltern, die als Kinder irischer Einwanderer in New York aufwuchsen, es zu bescheidenem Wohlstand brachten und am Ende die Alzheimer-Erkrankung des Vaters mit so viel Würde wie möglich durchstehen wollten, fasst die Rezensentin zusammen. Staude schätzt den Roman für die "feinen Schilderungen von Seelenzuständen", das realistisch-nüchterne Erzählen und die zu Herzen gehenden Geschichte. Aber sie macht auch sehr deutlich, dass es sich hierbei um alles andere als eine "literarische Sensation" handelt, dafür fehle es dem Autor einfach an sprachlicher Kraft.
Rezensionsnotiz zu
Die Welt, 14.02.2015
Wieland Freund hat dergleichen noch nicht gelesen. Dass Matthew Thomas zehn Jahre lang an diesem Romandebüt gearbeitet hat, merkt er auf jeder Seite. Und mit etwas Geduld (des Autors und des Lesers) entwickeln sich die Figuren im Text laut Freund auch in all ihrer Tiefe. Das Tastende und Zurückhaltende des Romans steht der Geschichte und ihren Figuren gut, versichert der Rezensent und bringt die ihn an Jonathan Franzens "Korrekturen" erinnernde Familiengeschichte schließlich in Gang. Spätestens im dritten Teil des Buches, in dem Thomas der Demenzerkrankung als dem Verfall eines Ich folgt, scheint Freund der Autor auf der Höhe seiner Kunst angelangt. Die Schilderung des inneren wie des äußeren Kampfes gegen die Krankheit, die schleichende Veränderung des Alltags, das Wegbrechen der Erinnerung - all das erzählt der Autor laut Rezensent meisterhaft einfühlsam und gnadenlos zugleich.