Eingebildete Musik
Richard Wagner, das jüdische Wien und die Ästhetik der Moderne
Edition Text und Kritik, Frankfurt am Main 2019
ISBN 9783869168272,
Gebunden, 346Seiten, 36,00 EUR
Klappentext
Richard Wagners Werk ist ein europäisches Politikum, Indiz und Impuls für die gesellschaftlichen Umbrüche der Moderne. Breite weltanschauliche Wirkung entfaltet etwa seine "Judenthum"-Schrift (1850/1869) als Triebkraft des europäischen Antisemitismus. Die Verbreitung einer "jüdischen Musik" hat der Komponist damit allerdings gerade nicht verhindert. Vielmehr hat er ihre Entfaltung unfreiwillig befördert.Richard Wagner unterstellt den künstlerisch "unfruchtbaren" jüdischen Komponisten seiner Zeit, "Gefühle" musikalisch ohne eigenes Vorstellungsvermögen und daher nur aus zweiter Hand auf den Hörer übertragen zu können. Im Hintergrund stehen dabei Vorurteile gegen die Wirkung des mosaischen Bilderverbots, das die künstlerische Kreativität "der Juden" lähme. Dem angeblichen Mangel an Einbildungskraft stellt Wagner die Ideologie einer "deutschen Innerlichkeit" entgegen, die allein anschauliche Vorstellungen im Hörer erzeugen könne, um die Fasslichkeit der flüchtigen Kunstform Musik zu gewährleisten. Das Buch versteht diese Frage nach der Bildlichkeit des Hörens als einen Brennpunkt der modernen Musikästhetik. Zwischen den Opern "Königin von Saba" (Carl Goldmark, 1875) und "Moses und Aron" (Arnold Schönberg, 1930) entfaltet es die deutschnationale Frage nach der "Innerlichkeit" als Kampfplatz zwischen Anpassung und Selbstbehauptung einer "jüdischen Musik": zunächst in Reaktion auf Wagners Judenfeindschaft, dann in Konkurrenz und fruchtbarer Abgrenzung von ihr. Wagners Schmähung des Bilderverbots wird so am Ende des Zeitalters der "Innerlichkeit" zum Motor eines kraftvollen, ja visionären Kunstanspruchs.
Richard Wagners Werk ist ein europäisches Politikum, Indiz und Impuls für die gesellschaftlichen Umbrüche der Moderne. Breite weltanschauliche Wirkung entfaltet etwa seine "Judenthum"-Schrift (1850/1869) als Triebkraft des europäischen Antisemitismus. Die Verbreitung einer "jüdischen Musik" hat der Komponist damit allerdings gerade nicht verhindert. Vielmehr hat er ihre Entfaltung unfreiwillig befördert.Richard Wagner unterstellt den künstlerisch "unfruchtbaren" jüdischen Komponisten seiner Zeit, "Gefühle" musikalisch ohne eigenes Vorstellungsvermögen und daher nur aus zweiter Hand auf den Hörer übertragen zu können. Im Hintergrund stehen dabei Vorurteile gegen die Wirkung des mosaischen Bilderverbots, das die künstlerische Kreativität "der Juden" lähme. Dem angeblichen Mangel an Einbildungskraft stellt Wagner die Ideologie einer "deutschen Innerlichkeit" entgegen, die allein anschauliche Vorstellungen im Hörer erzeugen könne, um die Fasslichkeit der flüchtigen Kunstform Musik zu gewährleisten. Das Buch versteht diese Frage nach der Bildlichkeit des Hörens als einen Brennpunkt der modernen Musikästhetik. Zwischen den Opern "Königin von Saba" (Carl Goldmark, 1875) und "Moses und Aron" (Arnold Schönberg, 1930) entfaltet es die deutschnationale Frage nach der "Innerlichkeit" als Kampfplatz zwischen Anpassung und Selbstbehauptung einer "jüdischen Musik": zunächst in Reaktion auf Wagners Judenfeindschaft, dann in Konkurrenz und fruchtbarer Abgrenzung von ihr. Wagners Schmähung des Bilderverbots wird so am Ende des Zeitalters der "Innerlichkeit" zum Motor eines kraftvollen, ja visionären Kunstanspruchs.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.06.2020
Rezensentin Christiane Wiesenfeldt versteht die Musikgeschichte um 1900 und deren antisemitischen Tendenzen besser mit der Studie von Matthias Schmidt. Auch wenn sie es nicht unproblematisch findet, Wagners aggressiven Thesen über das Judentum in der Musik in einem Buch so viel Raum zu geben, scheint ihr der Gewinn von Schmidts Darstellung doch beträchtlich. Wenn der Autor nach den Voraussetzungen von Wagners "Das Judentum in der Musik" und seinem Einfluss auf die Moderne um 1900 fragt, entsteht für Wiesenfeldt das "facettenreiche wie deprimierende" Bild einer Gesellschaft, für die Innerlichkeit zum Leitbild und Antidot zur angeblichen jüdischen Oberflächlichkeit wurde. Inwieweit das Komponieren vor diesem Hintergrund "kontaminiert" wurde, kann der Autor der Rezensentin ebenfalls vermitteln.
Rezensentin Christiane Wiesenfeldt versteht die Musikgeschichte um 1900 und deren antisemitischen Tendenzen besser mit der Studie von Matthias Schmidt. Auch wenn sie es nicht unproblematisch findet, Wagners aggressiven Thesen über das Judentum in der Musik in einem Buch so viel Raum zu geben, scheint ihr der Gewinn von Schmidts Darstellung doch beträchtlich. Wenn der Autor nach den Voraussetzungen von Wagners "Das Judentum in der Musik" und seinem Einfluss auf die Moderne um 1900 fragt, entsteht für Wiesenfeldt das "facettenreiche wie deprimierende" Bild einer Gesellschaft, für die Innerlichkeit zum Leitbild und Antidot zur angeblichen jüdischen Oberflächlichkeit wurde. Inwieweit das Komponieren vor diesem Hintergrund "kontaminiert" wurde, kann der Autor der Rezensentin ebenfalls vermitteln.