EpochenwendeGewinnt der Westen die Zukunft?
Propyläen Verlag, Berlin
2005
ISBN
9783549071779, Gebunden, 312Seiten, 22,00
EUR
Klappentext
Die Idee des "Wachstums" hat zwei Jahrhunderte lang die europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik geprägt. Die jährlichen Wachstumsraten schienen über Glück und Unglück einer Gesellschaft zu entscheiden. Ohne Wachstum kein Wohlstand, keine Arbeitsplätze, keine ausgeglichenen Staatshaushalte. Doch die Wachstumsraten der Vergangenheit sind ein für alle Mal vorbei, Europa stagniert, wir sind Zeugen einer fundamentalen Epochenwende.
Rezensionsnotiz zu
Die Tageszeitung, 31.12.2005
Durchaus "denkwürdig" erscheint Barbara Dribbusch dieser neue Essay des Sozialforschers Meinhard Miegel. Nicht weil er wirklich bedeutsame Einsichten und Gedanken enthielte, sondern weil er dokumentiert, "dass sich der 'Krisendiskurs? selbst in Deutschland in einer ernsten Krise befindet". Zu gesellschaftlichen Problemen wie Massenarbeitslosigkeit, Alterung der Gesellschaft und Staatsverschuldung fällt dem Autor nach Ansicht der Rezensentin wenig ein. Im Gegenteil: sie betrachtet die dürftigen Lösungsvorschläge - Miegel fordert einen staatlich subventionierten Niedriglohnsektor, im Alter nur noch eine Grundversorgung - eher als Teil des Problems. Miegels Appelle an die Moral der Bildungsbürger, sein Lobgesang auf Werte wie "Fleiß", "Bildung" und "Haltung" können Dribbusch nicht überzeugen. "Mit Moral wird man jedoch nicht weit kommen" meint sie, wenn der Ausgleich zwischen den Einkommensschichten in Zeiten der Globalisierung nicht mehr stattfindet. "Doch diese Verteilungsfragen anzusprechen ist derzeit offenbar nicht so angesagt."
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 18.10.2005
Die Zeichen stehen auf Sturm. Die Geburtenzahlen in Europa sinken bedrohlich, Überalterung wird heute schon zur Tatsache. Korea und China rüsten sich, dem Westen die Führung in der Weltwirtschaft abzunehmen. Was kann man da tun? Meinhard Miegel versucht sich an einer Antwort: "Epochenwende. Gewinnt der Westen die Zukunft?" Ja, das tut er, so Miegels Antwort, allerdings nur um den Preis des Umdenkens. Rezensent Heinz Bude referiert mit Sympathie Miegels Ausführungen. Denn der "harte Realist des sozialen Wettbewerbs", wie er Rezensent nennt, erweist sich als "ein hoher Moralist einer menschlichen Gesellschaft". Was Miegel prognostiziert: Früher oder später werden auch jene Gesellschaften, die im Augenblick ein höheres Tempo vorlegen als Europa, in Krisen geraten. Bei Russland werde es anfangen, aber auch das Wachstum der fernöstlichen Industrien müsse an ein Ende gelangen. Und dann? Dann, so Miegels These, dann wird man wieder einmal auf Europa blicken. Und bei uns nach Orientierung suchen. Und diese Orientierung kann Europa auch geben, davon ist Miegel überzeugt, wenn es "eine Kultur des Verzichts" lernt. Also gewissermaßen sich in jenen soft skills übt, die im Kapitalismus so rüde vernachlässigt werden: Solidarität, Wertschätzung des "menschlichen Maßes", gesellschaftliche Teilhabe auch jenseits der Bereicherung. Und persönliches Glück. Auch mit dem Thema Armut muss anders umgegangen werden als bisher. Maßgeblich muss die Frage sein, "was ein Mensch braucht, um ein auskömmliches und würdevolles Leben zu führen", referiert zustimmend der Rezensent.
Rezensionsnotiz zu
Die Zeit, 08.09.2005
Vieles in Meinhard Miegels neuem Buch "Epochenwende" findet Gunter Hofmann zustimmungswürdig, wie beispielsweise die Analyse des grenzenlos hedonistischen Konsumismus, der hierzulande herrscht. Was ihn aber verwundert, ist einerseits, dass Miegel, ungeachtet einer Flut von differenzierenden Untersuchungen zu den je eigen ausgeprägten Wirtschaftssystemen der europäischen Staaten, mit der Pauschalgröße "Westens" operiert. Noch befremdlicher findet Hofmann, dass Miegel die Zukunft dieses Westens unbedingt pessimistisch sehen möchte; ein englischer Blick, unkt der Rezensent, käme doch womöglich anders daher: "offensiv, frisch, zukunftsgewiss". Analyse schlägt bei Miegel zu oft in Anklage um, bemängelt der Rezensent - daran mag es denn auch liegen, dass der Autor, anstatt offensiv, frisch und zukunftsgewiss gesellschaftlich beobachtbare Trends zum Besseren - der Rezensent bricht sogar eine Lanze für die "kulturkritische Weltsicht" in Angela Merkels Kompetenzteam - weiterzuverfolgen, im Rückwärtsgang direkt bei Ludwig Erhard landet. Eine "formierte Gesellschaft"? Das, so Hofmann, kann?s doch wohl auch nicht sein.