CoDex 1962Roman
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main
2020
ISBN
9783103973419, Gebunden, 640Seiten, 32,00
EUR
Klappentext
Aus dem Isländischen von Betty Wahl. In seiner Trilogie "CoDex 1962" zieht der Isländer Sjón alle erzählerischen Register. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs begegnen sich in einem norddeutschen Gasthof das Zimmermädchen Marie-Sophie und der jüdische Flüchtling Leo Löwe, mit dabei ein Lehmklumpen. Aus diesem erschafft Leo das gemeinsame Kind Josef, da ist die Familie aber schon längst in Island, und wir sind bereits im Jahr 1962, dem Geburtsjahr des Autors Sjón. Der große isländische Erzähler entführt uns in ein unendliches Vexierspiel, in dem vieles Rätsel ist und bleibt und anderes sich auf geniale Weise zusammenfügt.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 30.08.2021
Rezensent Aldo Keel findet die erzählerische Vielfalt in der Romantrilogie "CoDex 1962" von Sjón "brillant". Ursprünglich zwischen 1994 und 2016 veröffentlicht, erzählt der isländische Autor darin von dem jüdischen Alchemisten und KZ-Überlebenden Leo Löwe, der aus dem fiktiven deutschen Kükenstadt auf einem Schiff nach Island flieht und dort im Jahr 1962 einen Golem namens Josef erschafft, beschreibt Keel. Der Titel, erklärt der Rezensent, ist hierbei nicht nur eine Anspielung auf die vielen mittelalterlichen Kodizes Islands, sondern auch auf die isländische Firma "Decode Genetics", die Sjón mit Skepsis erfüllt. Überzogen werden die Erzählungen aus zusammengeflochtenen Märchen, Mythen, Lyrik, theologischen Stücken und selbstreflexiven Passagen, merkt der Rezensent an. Die unterbrechenden kurzen "Totentanzkapitel" im letzten der drei Bände rühren ihn, denn sie fungieren als Erinnerung an die Geborenen und seither Verstorbenen im Jahr 1962. Und nicht nur für die Trilogie, auch für die "vorzügliche" Übersetzung von Betty Wahl fordert der Rezensent schlussendlich Applaus.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.09.2020
Rezensentin Nicole Henneberg bestaunt den grotesken Humor in den politischen Szenen des Sci-Fi-Roman-Triptychons von Sjon. Das aufklärerische Anliegen des Textes entgeht ihr bei all den surrealistisch anmutenden Momenten und den Anspielungen auf Alchemie nicht. Sjons moderne Behandlung des Golem-Stoffes scheint ihr beklemmend nicht zuletzt wegen ihrer Kritik an menschlicher Arroganz und totalitärem Machtstreben, im Text symbolisiert durch das Genforschungs-Institut CoDex 1962 und seine Machenschaften. Auch sprachlich beeindruckt der Text die Rezensentin nachhaltig - als "Eloge auf die isländische Sprache", "hochmusikalisch" übersetzt von Betty Wahl.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Rundschau, 22.09.2020
Katrin Hillgruber kann der Zusammenfassung von Sjons zwischen 1994 und 2016 im isländischen Original erschienenen Romanen in einem Band nicht allzu viel abgewinnen. In diesem Fall scheinen ihr die Teile mehr als ihre Summe. Sjons literarischer Totalitätsanspruch erschöpft sich laut Hillgruber in der Erkundung der Frage nach der Herkunft, die Sjon "recht behäbig" mit an Lars von Trier erinnernden albtraumhaftem Nazikitsch ausstaffiert. Beeindruckend findet die Rezensentin allerdings die Übersetzungsleistung von Betty Wahl, die sogar die "allerisländischsten" Anspielungen im Text in leichtes und "leuchtend schönes" Deutsch bringt, wie wir lesen.
Rezensionsnotiz zu
Deutschlandfunk, 07.09.2020
Rezensentin Katrin Hillgruber hat durchaus Freude an Sjons Island-Trilogie, auch wenn das Buch mit seinem Totalitätsanspruch der Leserin einiges abverlangt. Lesevergnügen bereitet der Rezensentin einerseits die hyperbolische Komik, mit der Sjon über isländische Identität im Zeitalter der Biotechnologie schreibt, andererseits der spürbare Stolz auf isländische Sprache und Literatur, der das Buch laut Hillgruber prägt. Sjons Ansinnen, wirklich alles von einem Individuum zu erzählen, wird für den Leser allerdings eher fruchtbar in den Einzelteilen des Buches, die so gesehen mehr sind als ihre Summe, wie die Rezensentin erläutert.