Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
22.04.2002. In dieser Woche lesen Sie: Wie Amazon die Kunden erfreut und die Branche verärgert. Wie der Streit um die Club-Ausgaben und das Preisbindungsgesetz die Branche spaltet. Wie lange wir noch auf Harry Potter Nummer 5 warten müssen. Und wo eine Buchhandlung ohne Bücher auskommt.

buchreport.express

Mit dem richtigen Gespür für einen Branchen-Aufreger hat der buchreport die Schlagzeile "Gebrauchte Bücher werden Preisbrecher" auf seiner Titelseite platziert. Amazon.com wie auch Amazon.de haben einen neuen Service: "Wer auf der Website von Amazon ein beliebiges Buch sucht, sieht neben den bibliografischen Daten für die preisgebundene Verlagsausgabe automatisch, ob und zu welchem Preis Amazon-Kunden dieses Buch aus ihren Beständen verkaufen wollen." Langfristig könne dieses Angebot das Kaufverhalten der Kunden grundlegend ändern, meint der buchreport. Das weckt natürlich die Urängste einer ohnehin furchtsamen Branche. In den USA hat die Autorenvereinigung Authors' Guild ihre 8.200 Mitglieder zum Boykott von Amazon aufgerufen, "konnte aber nicht einmal verhindern, dass Autoren inzwischen ihre Belegexemplare zu Niedrigpreisen bei Amazon selbst angeboten haben." Dass auch österreichische Autoren Angst vor Amazon haben, teilt das Börsenblatt in einer Notiz mit: Durch das neue Verkaufsmodell des Internet-Buchhändlers entwickle sich ein direkter Konkurrenzmarkt, meint die österreichische IG Autorinnen Autoren. "Dadurch werde es für Verlage immer schwerer, die Risiken bei neuen Titeln einzuschätzen; Autoren müssten künftig mit finanziellen Einbußen rechnen. Sollte das Geschäftsmodell Bestand haben, so wird außerdem gewarnt, könnten nur noch Bestseller überleben."

Urängste, Teil zwei: Im Streit um das geplante Preisbindungsgesetz "lässt der Bertelsmann Club auch hinter den Kulissen seine Beziehungen spielen". Der Streit dreht sich um die Club-Ausgaben (mehr dazu unten); der aktuelle Gesetzentwurf sieht eine Club-freundliche Regelung vor, dies wiederum erzürnt den freien Buchhandel. "In einem Schreiben an Abgeordnete des Bundestages, das buchreport vorliegt, formuliert der Tübinger Rechtsprofessor Wernhard Möschel die Club-Position. (...) Möschel formuliert drastisch. So nennt er die vom Börsenverein angestrebte Änderung der Vorschrift einen 'eher beschämenden Vorgang'. Das Wirtschaftsministerium habe sich mit der Lockerung des Parallelausgaben-Paragrafen 'zu Recht bemüht, wenigstens Restspuren von Wettbewerb aufrechtzuerhalten'." Das faktische Monopol auf billigere Bücher für die Clubs soll Wettbewerb in die Preisbindung bringen?

Dann erklärt der buchreport noch, wer eigentlich in der Arbeitsgemeinschaft Buchgemeinschaften organisiert ist, die sich so vehement für die Clubs einsetzt. Das sind neben dem Bertelsmann Club nur die Büchergilde Gutenberg, die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt und die Buchgemeinschaft Herder, die aber kaum noch der Rede wert sei. Gemessen an seiner Konkurrenz müsse sich der Bertelsmann Buchclub wie Gulliver bei den Zwergen vorkommen - "nur sind die anderen Buchgemeinschaften noch viel kleiner als die Zwerge in Gullivers Geschichte".

"Harry Potter" Nummer 5 lässt noch ein wenig auf sich warten. Das Erscheinen von "Harry Potter and the Order of the Phoenix" sei für Juni geplant gewesen, doch daraus werde nichts. Joanne K. Rowling schreibe noch an dem Buch, mit dem Manuskript rechne der Verlag frühestens im Herbst, vielleicht sogar erst gegen Ende November, Anfang Dezember, sagte eine Sprecherin des britischen Potter-Verlags Bloomsbury.

Weitere Meldungen: Trotz gnadenloser Verrisse will der Börsenverein auch im kommenden Jahr Deutsche Bücherpreise verleihen. "Das Rahmenprogramm bedürfe allerdings gründlichster Überarbeitung", zitiert der buchreport den Sprecher des Börsenvereins, Eugen Emmerling. Und nachdem Oprah Winfrey ihren Buchclub eingestellt hat, will NBC die Lücke füllen und an die Show "Today" einen eigenen Buchclub anhängen.

Hier der Link auf die Bestsellerliste.

Börsenblatt

Die Umsätze im Buchhandel sind im März 2002 erneut gesunken: im Vergleich zum März 2001 um rund zwei Prozent. Christina Schulte kommentiert: "Durchhalten heißt die Devise." In einem Interview mit Nicolaus Sondermann vom Institut für Handelsforschung geht es um den monatlichen Betriebsvergleich, den das Institut im Auftrag des Börsenvereins erhebt.

Der vom Börsenblatt gestiftete Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik geht in diesem Jahr an die Berliner Journalistin Maike Albath (mehr hier). In ihrer Begründung schreibt die Jury, Albath beschäftige sich mit Kenntnis, Sympathie und Leidenschaft vor allem mit italienischer und deutscher Literatur.

Claudia Kramatschek stellt den Belgrader Schriftsteller Dragan Velikic vor, der seine Heimatstadt 1999 verließ und derzeit in Berlin lebt. "Ob Belgrad, Triest oder Pula - stets bannen seinen Schauplätze das, was man mediterranes Klima nennen kann und ohne das seine Romane ebenso undenkbar wären wie ohne den obligaten Baedeker, der als Motiv stets wiederkehrt (...). 'Mitteleuropa ist für mich vor allem die Literatur von Schriftstellern, die ich liebe: Hermann Broch, Elias Canetti, Robert Musil, ganz besonders aber Italo Svevo.'" Hier der vollständige Beitrag.

Weitere Meldungen: Die Berliner Universitätsbuchhandlung am Alex überlebt in verkleinerter Form: Weniger Mitarbeiter, weniger Verkaufsfläche. Der neue Laden, der von einer Mitarbeiter-GmbH getragen wird, eröffnet am 2. Mai in der Nähe des alten Standortes. Außerdem vermeldet das Börsenblatt, dass die Bertelsmann Clubs mit ihrem Online-Geschäft zufrieden sind. Und Stefan Hauck berichtet von der Internationalen Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna.
Archiv: Börsenblatt

Börsenblatt

Die Büchergilde Gutenberg startet im Herbst einen eigenen Verlag: die Edition Büchergilde. Über diesen Verlag kommen Büchergilde-Bücher auch in den freien Buchhandel. Originalausgaben der Büchergilde erscheinen seit 2001 beim Steidl Verlag. "Die Edition Büchergilde ist so etwas wie ein Steidl-Imprint", zitiert das Börsenblatt den Büchergilde-Geschäftsführer Mario Früh.

Hendrik Markgraf kommentiert den Streit um die Club-Ausgaben, der sich an John Grishams "Die Farm" entzündete (siehe dazu auch den BuchMarkt-Eintrag): "In der aktuellen Debatte (...) reklamieren die Kontrahenten jeweils für sich faire Wettbewerbsbedingungen. Freilich versteht jeder der Beteiligten etwas anderes darunter. Der Streit zeigt: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird es immer komplizierter, einen Ausgleich der Interessen zu finden; hoffentlich kommt er noch zustande. Gerade die Fähigkeit zum Konsens hat die Buchbranche so stark gemacht." Der Streit zeigt allerdings noch etwas anderes: Nichts macht Verlagen, Buchhändlern und Clubs mehr Angst als ein (mehr oder weniger) freier Markt. Gestritten wird vor allem darum, wer die Regeln diktiert.

Die Krise im Ratgeber-Geschäft hat nun auch die Weltbild-Ratgeberverlage Augustus und Midena erreicht. Augustus will die Zahl seiner Neuerscheinungen deutlich reduzieren, Midena schließt Entlassungen nicht aus.

Weitere Artikel: Andreas Trojan berichtet von einer E-Learning-Konferenz im Münchner Literaturhaus. Eugen Emmerling hat einen Nachruf auf die im Januar gestorbene türkische Verlegerin Ayse Nur Zarakolu geschrieben. Und das Börsenblatt bringt Teil zwei eines Beitrags von Wulf D. v. Lucius über das neue Urhebervertragsrecht.
Archiv: Börsenblatt

BuchMarkt

Zwischen dem Bertelsmann-Club und der Verlagsgruppe Heyne Ullstein List auf der einen und dem freien Buchhandel auf der anderen Seite gibt es bekanntlich Streit, weil der Club den Grisham-Titel "Die Farm" früher und billiger in einer Lizenz-Ausgabe anbietet. Heyne-Ullstein-List-Verleger Christian Strasser bittet um Verständnis: "Der richtige neue Grisham, also der Thriller bzw. Spannungsroman, erschien soeben bei Heyne. An den Club haben wir den Titel 'The Painted House' in Lizenz gegeben, weil es sich dabei um autobiographische Aufzeichnungen handelt, die in Amerika als eine Art Fortsetzungsroman in einem kleineren Magazin erschienen sind. Für diesen Titel mussten wir trotzdem eine außergewöhnlich hohe Summe bezahlen, um den Autor weiter an unser Haus zu binden. Die Refinanzierung durch den Club entspricht den vom Börsenverein festgelegten Regeln. Diese haben wir nicht verletzt." (Das besagte Buch heißt übrigens "A Painted House" und erschien in den USA im vergangenen Jahr als Hardcover bei Doubleday und als Dell-Island-Taschenbuch.)

Dann gibt es noch ein Interview mit vier Bertelsmännern, das nicht mit einer Frage beginnt, sondern mit einer längeren Antwort von Random-House-Chef Peter Olson. Es geht zunächst um die Umstrukturierung des Führungsteams, der die Geschäftsführer Volker Neumann und Ulrich Geiger zum Opfer gefallen sind. Dann betont Olson, dass zehn Prozent Umsatzrendite durchaus erreichbar seien. Gerhard Beckmann kommentiert das von ihm geführte Interview: "Bei Bertelsmann waren, bedingt durch die Herkunft des Konzerns aus der Buchgemeinschaft und deren lang anhaltende Bedeutung, das primum movens immer Marketing und Vertrieb. Ironischerweise folgten dagegen die US-Verlage, die Bertelsmann übernahm - Random House, Knopf, aber selbst Doubleday - der alten europäischen Tradition, wo der Verleger die Musik macht." Die Umstrukturierung der Führungsetage habe nun das Random-House-Führungsmodell auch in der deutschen Verlagsgruppe durchgesetzt.

Im Berliner Stadtteil Siemensstadt gibt es eine Buchhandlung ohne Bücher. "Die großen Schaufenster sind leer, hinter den Scheiben baumeln ein paar Dekofahnen von Verlagen, nur wenige Ikea-Regale stehen an den weißen Wänden." Der Eigentümer, Edgar Schuster, hatte sich selbstständig gemacht, nachdem sein bisheriger Arbeitgeber, die letzte Buchhandlung in Siemensstadt, dicht machte. "Doch ohne Eigenkapital lehnten die Banken trotz des erfolgversprechenden Konzepts einen Kredit ab." Schuster musste also sparen - auch bei Büchern und Regalen. Die Bestell-Buchhandlung hat sich, so der BuchMarkt, mittlerweile einen treuen Kundenstamm erobert. "Inzwischen füllen sich die Regale (...) und bis zum Herbst - davon ist Schuster überzeugt - wird der Laden voll sein."

Es gibt Leute, die sich am Preisaufdruck auf Taschenbüchern stören. Das Druck-Unternehmen MohnMedia hat nun einen Balkencode entwickelt, der sich mit einem Spezialtuch wegwischen lässt. Derzeit wird die Erfindung vom Piper Verlag getestet. Und wer unter dem Code den Satz: "Sie haben gewonnen!!" findet, kann eine Reise nach Stockholm gewinnen.

Weitere Meldungen: Der norddeutsche Regionalverlag Michael Jung hat den ersten "Harry Potter"-Band ins Plattdeutsche übersetzen lassen: "Harry Potter un de Wunnersteen" heißt das Buch. Und der Online-Bücherflohmarkt Booklooker.de freut sich über rasche Umsatz- und Transaktionszuwächse.

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