Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
15.07.2002. In dieser Woche lesen Sie: Warum die Krise des Buchhandels keine ist. Wie fest Axel Springer zu seinen Buchverlagen steht. Warum Vertreter überflüssig werden könnten. Und wie Outsourcing funktioniert. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Die wirtschaftliche Lage der Buchbranche ist "kein Grund zur Panik", meint der Börsenverein. Offenbar will der Verband wegkommen vom Image des Jammerers, das der Branche anhängt: "Seit Wochen schon berichten die Feuilletons und Wirtschaftsseiten großer Zeitungen und Zeitschriften genüsslich über die Flaute der Buchbranche. Buchhandel und Verlage seien dem Abgrund nahe, kämpften um ihr Überleben. Dass die Branche vom Tief des gesamten Einzelhandels betroffen ist und schon bessere Zeiten gesehen hat, bestreitet niemand - von einer existenzbedrohenden Krise kann jedoch keine Rede sein." Das klang schon mal anders (wie nicht zuletzt dem Juli-Heft des BuchMarkts zu entnehmen ist, siehe unten). Mehr Zahlen und Informationen aus der Wirtschaftspressekonferenz des Börsenvereins hier. "Flaute ja, Krise nein", meint auch Christina Schulte.

Der Axel Springer Verlag stellt seine gesamte Buchsparte auf den Prüfstand. Das sagte Vorstandschef Mathias Döpfner der Financial Times Deutschland, berichtet das Börsenblatt. "Das öffentliche Eingeständnis kommt einem Kurswechsel in der PR-Strategie des Unternehmens gleich: Bislang hatten Geschäftsführungsmitglieder stets bekräftigt, dass ein Verkauf der Buchsparte, zu der unter anderen Ullstein Heyne List gehört, nicht zur Diskussion stehe. In der Branche waren schon seit längerem Gerüchte im Umlauf, Springer wolle sich von seinen Buchverlagen trennen."

Der Börsenverein trennt sich von seinem langjährigen Pressesprecher Eugen Emmerling. Die Bereiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Mitgliederkommunikation, Dienstleistungsmarketing, Leseförderung und Mitgliedsstelle werden zusammengefasst, Chefin dieser Abteilung wird Anja zum Hingst.

Marcel Reich-Ranicki hat die Ehrendoktorwürde der Ludwig-Maximilian-Universität München verliehen bekommen und bei der Gelegenheit heftig gegen den "Mann vom Bodensee" vom Leder gezogen. Hier die Börsenblatt-Meldung, hier mehr.

Weitere Meldungen: Der Aufbau Verlag wechselt zur VVA. Und der Süddeutsche Verlag will kräftig Stellen abbauen: "Mehr als zehn Prozent der insgesamt ca. 5 000 Mitarbeiter des Süddeutschen Verlages werden das Unternehmen verlassen, heißt es in einer Pressemitteilung des Verlags." Und in der Statistik "Die 100 größten Unternehmen" ist Bertelsmann in fast jeder Kategorie dabei. Schließlich meldet das Börsenblatt, dass die DVA umzieht: Die FAZ bündelt ihre Buchverlage.
Archiv: Börsenblatt

Börsenblatt

Der Streit zwischen der DVA auf der einen und ZDF, ORF und dem Regisseur Dieter Wedel auf der anderen Seite ist beigelegt. In einem Vergleichsverfahren erhält die DVA 38.350 Euro von ihren Kontrahenten. Nach Angaben des Verlags habe Wedel für seinen TV-Sechsteiler "Die Affäre Semmeling" Dialoge, Zitate und Handlungsstränge aus dem Roman "Monrepos" von Hans Zach ohne Genehmigung entnommen. Die Vergleichszahlung liege in der Größenordnung von Lizenzzahlungen, sagte DVA-Verlagsleiter Jürgen Horbach dem Börsenblatt, darum habe man zustimmen können.

Der Verlag an der Ruhr hat seinen Harry-Potter-Prozess gegen Time Warner gewonnen. Er darf weiterhin Unterrichtsmaterialien zu den Büchern von Joanne K. Rowling vertreiben. Das Landgericht Berlin wies den von der Autorin und Time Warner Entertainment gestellten Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zurück. Mehr hier.

Auszüge der Erhebung "Buch und Buchhandel in Zahlen 2002" liegen diesem Börsenblatt bei. Das vollständige Nachschlagewerk ist für 34,80 Euro über die Buchhändlervereinigung zu bekommen.

Der britische Ableger des Online-Buchladens von Bertelsmann, Bol.uk, wird in einen Online-Buchclub umgewandelt. Damit folgt Bertelsmann seiner deutschen Strategie: Bol.de war bereits im vergangenen Jahr abgespeckt und in das Clubgeschäft integriert worden. "Im Zuge der Integration wird das Angebot von Bol.uk von mehr als einer Million auf rund 10.000 Titel zurückgefahren. Mitglieder will der Online-Club durch Rabatte von bis zu 60 Prozent auf aktuelle Bestseller und Backlist-Titel gewinnen."

Außerdem berichtet das Börsenblatt über Verkaufsgerüchte um Vivendi Universal, über Vorwürfe gegen Reed Elsevier, falsch bilanziert zu haben, und über die erste Buchmesse in Basel vom 2. bis zum 4. Mai 2003. Schließlich schreibt Eckart Baier - passend zum baldigen Schuljahresbeginn - über das Geschäft mit Schulbüchern. Eine weitere Börsenblatt-Umfrage hat ergeben, dass es den Fachbuchhändlern besser geht als ihren Kolleginnen und Kollegen im allgemeinen Sortiment. Und Helmut Benze gibt erneut Tipps für kundenfreundliches Bücherverkaufen.
Archiv: Börsenblatt

BuchMarkt

Der BuchMarkt hat die Konsumflaute - und den damit verbundenen Sparzwang - zum Anlass genommen, ein altes Thema aufzugreifen: Als Folge der Kaufzurückhaltung fragen sich die Verlage, so Christian von Zittwitz, ob Vertreter nicht überflüssig sind. "Bei einem Kostenblock zwischen vier und sieben Prozent vom Umsatz wird die kritische Frage verständlich, ob man sich künftig ein derart teures System noch leisten kann. Ein alter Hase sagt es offen: 'Die großen Buchhändler werden doch eh von unseren Key-Accountern betreut'." Ein "Kenner der Szene" stellt ebenso offen und ebenso anonym folgende Forderung auf: "Stärker das Barsortiment in die Verteilung von Büchern einbinden, den Infofluss zum Handel verbessern, geschickter werben - schriftlich bzw. in Ausnahmefällen über das Telefon, über Internet oder über die Fachpresse. Ich denke, das wird auch wieder zu mehr Entdeckerlust im Sortiment führen." Manche Buchketten lehnen Vertreterbesuche mittlerweile ab. Erstaunlicherweise habe die Analyse der 2001-Zahlen in "etlichen Verlagen" gezeigt, dass die Umsätze der nicht vom Vertreter besuchten kleineren Buchhandlungen "im Schnitt höher sind, als die der vertreterbesuchten". Nach Ansicht des Verlagsberaters Christoph Mann sind "nicht mehr Außendienstleister mit glorreicher Vergangenheit" gefragt, sondern "Verkaufsprofis des 3. Jahrtausends".

"Sortimenter und Verleger sind wegen offizieller und journalistischer Aussagen" über eine "Krise des Buchhandels" besorgt, schreibt Gerhard Beckmann. "Der Buchhandel befinde sich 'in der schwersten Krise des Buchhandels seit 40 Jahren' (Dieter Schormann). Oder gar: Es sei 'überhaupt die erste Krise des Buchhandels seit 40 Jahren' - so der buchreport, der dem Statement vom Vorsteher des Börsenvereins noch eins draufsatteln wollte, um ihm dann flink 'neue Ideen und Initiative' zur Überwindung der Krise abfordern zu können". Davon hält Beckmann nichts: "Als ob der Börsenverein die Marktgegebenheiten durch ein Umpfriemeln der Rahmenbedingungen verändern könnte oder - auch das eine typische Wadenbeißer-Unterstellung - eine Art ökonomischer Task Force mit Lenkungsvollmacht fürs operative Geschäft der Einzelunternehmen sei." Eine "Krise" kann Beckmann nicht erkennen: "Mit dem Verfall des geschichtlichen Bewusstseins" gehe "der Verlust von historisch überliefertem Know-how für den Umgang mit wirtschaftlichen Veränderungen einher". Er zitiert Friedrich Sieburg: "Es hat das, was man 'Krise des Buches' nennt, immer gegeben, oder wenigstens, seitdem das Buch sich an die Massen wendet." Und überhaupt: Dem Buchhandel gehe es im Vergleich zu anderen Branchen noch immer gut: "In unserem kulturellen Snobismus sind wir so behämmert, dass wir uns nicht mal informiert haben - sonst wüssten wir seit langem: Unternehmen anderer Branchen haben die gleichen und manchmal noch viel größere Zukunftssorgen."

Mit einer Vorlesereihe unter dem Titel "Das erste Kapitel" lockt der Buchhändler Wolfgang Volk aus Buchen (Odenwald) Leser in seinen Laden. "Die Idee: Nach persönlichen Lese-Interessen ausgesuchte Bücher durch Lesung des ersten Kapitels oder eines repräsentativen Ausschnitts vorzustellen." Gelesen wird von dem Buchener Schauspieler Stefan Müller-Ruppert.

Bestsellerlisten ermitteln den Verkauf von Einzelexemplaren. Der Daten-Sammel-Partner von Media Control, eBuch, hat nun eine Bestsellerliste erstellt, die sich nach dem Umsatz richtet, den ein Buch erzielt. "Die neuen Listen nach Umsatz sind vor allem als Dispositionshilfe gedacht. Einkäufer der einzelnen Warengruppen können sich daran orientieren und vielleicht Lücken in ihrem Sortiment erkennen. Und sie werden keine Trends mehr übersehen", schreibt Jo Volks. Zum Vergleich hat der BuchMarkt die Umsatz-Liste und die Exemplar-Liste der 24. Kalenderwoche abgedruckt. Tatsächlich gibt es einige Abweichungen. Sechs der ersten zehn Titel der Umsatz-Liste tauchen auf der Exemplar-Liste nicht auf. Zwar sind die Plätze eins und zwei ("Das Gesetz der Lagune" von Donna Leon und "Wallanders erster Fall" von Henning Mankell) auf beiden Listen gleich. Die "Harry Potter"-Titel, die auf der Exemplar-Liste die Plätze drei, vier, fünf und neun einnehmen, fehlen jedoch im Umsatz-Ranking.

Im Buchhandel ist der Euro kein Teuro, hatte der BuchMarkt im Juni-Heft erklärt. Diese Aussage modifiziert er nun in der Aussage des Buchhändlers Volker Thurner (Lehmanns Fachbuchhandlung, Berlin). Thurner errechnete auf der Basis von Daten des Barsortiments KNOe: "Die Buchverlage haben die Euro-Umstellung zu einer außerplanmäßigen Preiserhöhung gut zu nutzen gewusst". Von 2000 auf 2001 sei der Durchschnittspreis für Bücher von 24,06 Euro auf 24,41 Euro gestiegen, von 2001 auf 2002 von 24,06 Euro auf 24,41 Euro. Die Preissteigerungen sind allerdings sehr ungleich über die Warengruppen verteilt: In der Belletristik etwa macht sie 0,42 Prozent aus, in der Abteilung Anthroposophie liegt die Preissteigerung bei 9,15 Prozent. Die Warengruppe 579 (Literaturwissenschaften), die allerdings nur aus 71 Titeln bestand, wurde dagegen um 6,54 Prozent billiger.

Das Unternehmen Verlagsconsult hat eine Studie zum Thema Outsourcing erstellt, die zur Buchmesse erscheinen soll. Im Interview mit dem BuchMarkt sagt der Herausgeber der Studie, Andreas Meyer, "Herstellungsbüros, Redaktionsbüros, Producer, Packager schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Angebote sind sehr unterschiedlich, ein Vergleich für die Verlage schwierig." Auch auf der Verlagsseite gebe es "Optimierungsbedarf". Freie Mitarbeiter würden "meist als Troubleshooter eingesetzt, im letzten Moment, wenn intern nichts mehr geht". Das jedoch sei das Teuerste und Unproduktivste, was man machen könne. "Als strategisches Instrument hingegen ist Outsourcing unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten höchst interessant." Die Projektleiterin der Studie, Heidemarie Heiss, sagt, ein Ziel der Studie sei es, "ein Leistungsverzeichnis der Anbieter zu schaffen, ähnlich einer Gebührenordnung für Ärzte". Die Studie kann vorbestellt werden unter buecheleres@verlagsconsult.de, Kostenpunkt bis 31. August: 249 Euro.

Weitere Artikel: Matthias Koeffler stellt die Uni-Buchhandlung Mühlau in Kiel vor (die 100 Jahre alt wird und trotz der Krise im Fachbuchhandel "voller Tatendrang" steckt). Carsten Tergast hat mit den Initiatoren des Virtuellen Verlags der Wissenschaften über Content-Vermarktung gesprochen. Dieter Brandes hat ein Buch über Management-Praktiken geschrieben und festgestellt, dass viele Buchhandlungen es nicht vorrätig hatten, obwohl der Titel bei Amazon kurz nach Erscheinen auf den Plätzen vier und fünf rangierte. Zwei Schwerpunkte widmen sich dem Hörbuch und der Religion. Darin unter anderem der Hinweis auf das Online-Magazin Hoerothek.de.
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