Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
22.07.2002. In dieser Woche lesen Sie: Wer die Schuld an der Buchhandelskrise trägt. Was der Kiepert-Betriebsrat der Geschäftsleitung der Berliner Buchhandlung vorwirft. Was aus Sicht der Buchhändlerinnen und Buchhändler die Sommerhits 2002 sind. Wie es der Frankfurter Buchmesse geht. Und was der Sachbuch-Herbst 2002 bringt. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Laudator bei der diesjährigen Verleihung des Friedenspreises wird Theodor Berchem sein, Präsident des DAAD und Präsident der Universität Würzburg. Geehrt wird in diesem Jahr der nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe. Der Friedenspreis wird am 13. Oktober verliehen.

Weltbild-Chef Carel Halff hält die Probleme der Buchbranche für selbst verschuldet. Im Interview mit dem Börsenblatt sagt er: "Die Branche hat Probleme - und die sind hausgemacht, ja sogar zielgerichtet herbeigeführt. Als Stichwörter nenne ich Überproduktion und Flächenexpansion in einem stagnierenden, schrumpfenden Markt. Wer solche Strategien verfolgt, muss sich nicht wundern, wenn er lange Durststrecken zu bewältigen hat." Zudem werde an überholten Geschäftmodellen festgehalten: "Eine großstädtische Buchhandlung mit Vollsortiment unter 100 Quadratmetern zum Beispiel kann heutzutage nicht mehr funktionieren. Auf diesem Gebiet findet jetzt ein notwendiger Bereinigungsprozess statt." Die Weltbildplus-Filialen nähmen solchen Buchhandlungen allerdings keine Kunden weg: "Laut Kundenbefragungen suchen Weltbildplus-Kunden kaum andere Buchhandlungen auf."

Nach eigenen Angaben hat Weltbild seinen Umsatz von Juni 2001 bis Juni 2002 um ein Prozent auf 627,8 Millionen Euro gesteigert. "Töchter und Beteiligungen erzielten ein Plus von sechs Prozent und erwirtschafteten 320,6 Millionen Euro. (...) Angaben zum Ergebnis wurden nicht gemacht. Carel Halff, Vorsitzender der Geschäftsführung, bewertete es jedoch als zufriedenstellend - insbesondere Fortschritte im Kostenmanagement hätten zu einer Verbesserung geführt. Im Geschäftsjahr 2000/2001 hat das Umsatzwachstum noch bei rund zehn Prozent gelegen. Diesen Wert hätte man nicht erreicht, so Halff, unter anderem deswegen, weil ertragsschwache Segmente abgebaut worden seien."

Am 17. Juli hat die angeschlagene Berliner Traditionsbuchhandlung Kiepert den Insolvenzantrag gestellt. Der Betriebsrat hat, so berichtet das Börsenblatt, "nur noch wenig Hoffnung auf Rettung des Unternehmens". In einer Presseerklärung warf er der Geschäftsführung Fehlverhalten (und, so der buchreport, "Missmanagement") vor. "Zugleich wandte sich der Betriebsrat gegen Darstellungen, er habe der Kündigung von 50 Mitarbeitern zugestimmt." Laut Betriebsrat sollen insgesamt 65 Kündigungen ausgesprochen worden sein. "Die Entlassungen seien von der Geschäftsführung als unabdingbar bezeichnet worden, so der Betriebsrat, um das Unternehmen verkaufen zu können beziehungsweise vor der Insolvenz zu bewahren. Nun sehen sich Betriebsrat und Belegschaft 'getäuscht'." Neben den verkauften Filialen in Prenzlauer Berg und Zehlendorf sollen die Kiepert-Läden in den ProMarkt-Häusern am Kurfürstendamm und in Reinickendorf geschlossen werden. "Die Verträge seien zum 31. Juli aufgelöst worden, sagte eine Sprecherin der ProMarkt Holding auf Anfrage." Der Betriebsrat meint, damit sei die Chance auf einen Verkauf des Hauptgeschäfts erheblich gesunken. Kiepert werde von vielen Verlagen nicht mehr oder nur gegen Vorkasse beliefert, so das Börsenblatt weiter. (Für die Kunden sind die Folgen bereits erkennbar: Einige obere Regalbretter sind leer.)

Untätigkeit will sich der Börsenverein nicht vorwerfen lassen: Er hat Gespräche mit der Bundesregierung und mit den Fraktionen im Bundestag aufgenommen, "um ein Kreditsicherungsprogramm für kleinere Verlage und Buchhandlungen anzuregen", meldet das Verbandsorgan. "Hintergrund: die Kürzung von Zuschüssen für Übersetzungen, die rückläufige Förderung von wissenschaftlichen Verlagsprojekten durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die zunehmend restriktive Praxis der Banken bei der Kreditgewährung für kulturwirtschaftliche Unternehmen." Zur Kreditvergabe der Banken gibt es einen weiteren Artikel.

Das Börsenblatt hat einige Buchhändler befragt, was ihre Sommerhits 2002 sind. Neben "Tod eines Kritikers", "Schundroman" und "Die Korrekturen" werden unter anderem folgende Bücher genannt: "Ayla und der Stein des Feuers" von Jean M. Auel, "Das Gesetz der Lagune" von Donna Leon, "Was ich liebte" von Siri Hustvedt, "Kreutzersonate" von Margrit de Moor, "La Cucina Siciliana oder Rosas Erwachen" von Lilly Prior ("prall, humorvoll, erotisch"), "Meeresrand" von Veronique Olmi, "Ich wünsche mir, dass irgendwo jemand auf mich wartet" von Anna Gavalda, "Im Namen von Ismael" von Guiseppe Genna, "Die Stadt der wilden Götter" von Isabel Allende, "Die Stille ist ein Geräusch" von Juli Zeh und "Dunkler Schlaf" von Karin Fossum ("ungeheuer raffiniert psychologisches Buch"). Alle Antworten hier.

Weitere Meldungen: Auch im Juni war der Umsatz im Buchhandel rückläufig: rund zwei Prozent minus. Das kumulierte Umsatzminus des Jahres 2002 stieg von zwei auf drei Prozent. Außerdem schreibt Sylvia Werfel über die Gestaltung von Schulbüchern: Weniger ist mehr gilt auch hier.

In seiner Online-Ausgabe meldet das Börsenblatt, dass die Frankfurter Buchmesse einen neuen Chef hat: Volker Neumann, Ex-Geschäftsführer von Random House.

Ein Extra-Teil beschäftigt sich mit dem Thema Aus- und Fortbildung in Verlagen und Handel.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Während der BuchMarkt in seiner letzten Ausgabe darüber spekulierte, ob Vertreter zukunftsfähig sind, denken die Verlage über eine dritte Vertreterreise nach. Zwar seien die Verlage mit dem bisherigen Verlauf der Vertreterreise "in Anbetracht der schwierigen Lage im Buchhandel nicht unzufrieden", so der buchreport, "aber es mangelt an Stückzahlen bei den Novitäten und Bestellungen für Backlist-Titel". Dies sei das Ergebnis der traditionellen Vertriebsleiter-Umfrage, die der buchreport jeweils sechs Wochen nach Beginn der Herbst- und Frühjahrsreise durchführt.

Trotz der offenbar noch halbwegs passabel verlaufenden Vertreterreise besteht kein Grund zum Jubel. Das merkt auch die Frankfurter Buchmesse: Verlage sagen ab oder reduzieren die Größe ihres Auftritts - "und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem eine völlige Neuordnung in den Hallen ohnehin für Unruhe sorgt". Die Springer-Verlagsgruppe Ullstein Heyne List will 730 Quadratmeter belegen; im vergangenen Jahr waren es noch 1.120 Quadratmeter. Random House geht von 1.650 auf 1.000 Quadratmeter zurück. Und die Vereinigung Evangelischer Buchhändler und Verleger sagte die Teilnahme von mehr als 30 Verlagen ab, weil sie sich schlecht platziert fühlte. In einem Kommentar weist Bodo Harenberg darauf hin, dass Frankfurt ganz grundsätzliche Probleme hat. "Fragt der eine Aussteller auf der Frankfurter Buchmesse den anderen: 'Warum gehen wir eigentlich noch nach Frankfurt, wo wir doch von Buchhändlern sowieso keine Messeaufträge mehr bekommen und das Lizenzgeschäft längst anderswo entschieden wird?' Antwortet der andere Aussteller: 'Weil es sonst heißt, denen geht es so schlecht, dass sie sich nicht einmal mehr die Buchmesse leisten können.'" Wichtige Geschäfte würden "nicht mehr an einem einzigen Termin pro Jahr festgemacht", zugleich steige die Bedeutung der Konkurrenzmessen in den USA und in London. "Der Börsenverein muss sich also auf einen Schrumpfungsprozess einstellen und für Ausrichter und Besucher neue Parameter abstecken. Ansonsten könnte der größten Buchmesse der Welt das Schicksal der Dinosaurier drohen. Sie sind das Opfer ihrer eigenen Größe geworden." Schlechte Nachrichten - vermutlich vor allem für die Leipziger Buchmesse.

Nach der geplatzten Übernahme der Weka-Zeitschriftensparte durch die Süddeutschen Verlag Hüthig Fachinformation will Weka die SVHFI auf Schadenersatz verklagen. "Weka-Geschäftsführer Wolfgang Materna beziffert den Schaden aus dem geplatzten Handel auf 75 Millionen Euro. Begründung: Seit dem Vertragsschluss sei der Wert der Zeitschriftengruppe durch die Krise auf dem Anzeigenmarkt kräftig gesunken."

Der Branchenführer Thalia hat dementiert, Interesse am Haupthaus der Berliner Buchhandlung Kiepert zu haben. Dagegen bestätigte Thalia-Geschäftsführer Jürgen Könnecke dem buchreport, sein Unternehmen habe die beiden Filialen an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg und in Zehlendorf übernommen. Unterdessen sind nach Kiepert-Angaben zahlreiche Verlage bereit, auf Forderungen gegen den Berliner Filialisten zu verzichten. Kiepert-Geschäftsführer Andreas Kiepert sagte dem buchreport, die Reaktionen auf einen entsprechenden Vorstoß seien überwiegend positiv. Kiepert hatte die Verlage gebeten, auf 60 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten und die Restforderungen bis zum 30. September zinslos zu stunden. Nach eigenen Angaben belaufen sich die "aktuell bestehenden Lieferantenverbindlichkeiten" auf ca. 5,1 Millionen Euro.

In Krefeld haben sich zehn Buchhandlungen zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen die Invasion von Thalia und Habel zu kämpfen. Nun auch im Internet (nämlich hier). Grund für die Aktion: Die Thalia-Tochter Greven wird von 450 auf 1.700 Quadratmeter erweitert, Habel eröffnet auf 3.000 Quadratmeter. Der Herbst in Krefeld verspreche heiß zu werden, prognostiziert der buchreport.

In München ist das Problem nicht der Zuzug der Großen, sondern der Auszug der Institute: Aus Platzmangel gehen die naturwissenschaftlichen und technischen Institute der TU an den Stadtrand; freies Gelände hatte die Stadt nicht der TU, sondern dem neuen Museumsviertel gegeben. "Alteingesessene Buchhändler, deren Klientel vor allem von den betroffenen Instituten gespeist wird, sehen sich in ihrer Existenz bedroht."

Der buchreport berichtet außerdem über die ganzseitige Hugendubel-Anzeige in der Süddeutschen Zeitung, in der zum Kauf der Bücher "Schundroman", "Tod eines Kritikers" und "Über Literaturkritik" von Marcel Reich-Ranicki aufgerufen wurde. Der Listenpreis für eine ganze Seite - 41.606,40 Euro - sei allerdings nicht bezahlt worden. Zudem hätten sich die Verlage - FVA, Suhrkamp und DVA - über Freiexemplare an der Anzeige beteiligt.

Weitere Meldungen: Der britische Bestsellerautor Terry Pratchett hat für seinen Roman "The Amazing Maurice and his Educated Rodents" die prestigereiche Carnegie Medal erhalten. Und auf Platz eins der Bestsellerliste der New York Times steht ein Titel aus dem Bilderbuch der Amerika-Klischees: "Slander" von Ann Coulter. Untertitel: "Liberal Lies About the American Right".

Und hier die deutsche Bestsellerliste.

Börsenblatt

Andreas Trojan hat sich die Herbstprogramme der Sachbuchverlage angeschaut und dabei Bekanntes - "Globalisierung, fundamentalistischer Terror und deutsche Geschichte" - und Neues entdeckt. So richtig neu ist das Neue allerdings nicht, denn es handelt sich lediglich um "eine Zusammenschau von Themen, die zuvor in der Regel getrennt betrachtet wurden: Gewalt im Nationalsozialismus etwa erscheint als eine Art Vorläufer für heutigen Terror, Globalisierung als Nährboden religiöser Verblendung". Unter anderem zählt Trojan "Die Zukunft der Geschichte" von Christian von Krockow zu diesen Büchern. Vielleicht sollte sich mal jemand die Mühe machen, nachzuzählen, wie viele Bücher über die "Berliner Republik" erschienen sind. Im Herbst wird die Liste jedenfalls noch etwas länger: "Wie anders sind die Deutschen?" von Alfred Grosser erscheint. Was noch? "In einem reichen Land. Zeugnisse alltäglichen Leidens an der Gesellschaft", ein Buch, das unter der "Schirmherrschaft" von Günter Grass im Steidl Verlag erscheint. Erwähnt werden außerdem eine Brandt-Biografie von Peter Merseburger, Lafontaines Wut-Buch und "Welt Um Welt. Gerechtigkeit und Globalisierung" von Jürgen Trittin. Noch mehr Globalisierung gibt es von Claus Leggewie, Stefan Gosepath und Jean-Christophe Merle sowie von Ulrich Beck. Ein Bestsellser-Geheimtipp sei "Sushi in Bombay, Jetlag in L.A. Unterwegs in einer Welt ohne Grenzen" von Pico Iyer.

Weitere Meldungen: Der Bleicher Verlag stellt sein Buchprogramm ein. Weltbildplus eröffnet neue Filialen in Wernigerode und in Sondershausen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz hat Weltbildplus damit 218 Filialen. Außerdem gibt es einen Hintergrundbericht zur Kiepert-Krise.
Archiv: Börsenblatt