Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
21.10.2002. In dieser Woche lesen Sie: Welches die vier besten Kinder- und Jugendbücher sind. Wohin der "Herr der Diebe" verkauft wurde. Und warum dem Heyne Verlag der Erfolg des Bohlen-Buches nicht peinlich sein muss

Börsenblatt

Natürlich enthalten die Branchenblätter fast ausschließlich Rückblicke auf die Buchmesse. Sie war "von Optimismus und Selbstbewusstsein geprägt, so die Einschätzung von Buchmessedirektor Volker Neumann. (...) Die 6.375 Aussteller aus 110 Ländern seien mehrheitlich mit den auf der Messe getätigten Geschäften zufrieden. Besonders die kleinen und mittleren Verlage gingen gestärkt aus der Messe hervor."

Die Erzdiözese München und Freising hat eine einstweilige Verfügung gegen das Buch "Die katholische Kirche und der Holocaust" von Daniel Goldhagen erwirkt, da eine Bildlegende falsch ist: Sie identifiziert einen Bischof, der ein SA-Spalier durchschreitet, als Kardinal Faulhaber. Auf die umstrittene Namensnennung will der Verlag bei kommenden Ausgaben bis zur Identifizierung des Abgebildeten verzichten.

Auf der Buchmesse wurde der deutsche Jugendliteraturpreis vergeben - zwei der vier Siegertitel kommen aus dem Gerstenberg Verlag. In der Kategorie Bilderbuch gewann "Die ganze Welt" von Katy Cuprie und Antonin Louchard, in der Kategorie Kinderbuch wurde "Wir alle für immer zusammen" von Guus Kuijer und Alice Hoogstadt auf den ersten Platz gewählt. Unter den Jugendbüchern siegte "Ich habe einfach Glück" von Alexa Hennig von Lange, beim Sachbuch "Das visuelle Lexikon der Umwelt" von Bernd Schuh.

Zur Vorbereitung der nächsten Frankfurter Buchmesse will das Gastland Russland bereits im Januar deutschlandweit ein "Russland-Jahr" einläuten. "Geplant ist ein breit gefächertes kulturelles Programm, das seinen Auftakt in Berlin und seinen Höhepunkt im Oktober in Frankfurt finden soll."

Weitere Meldungen: Am 15. November erscheint weltweit eine "aktuelle Biografie über den irakischen Staatschef Saddam Hussein", in Deutschland bei List. Der Verkauf der Könemann-Bestände läuft weltweit an. Der Süddeutsche Verlag "muss an sein Tafelsilber ran": Objekte aus der Fachinformationssparte sollten verkauft werden, um das schwer angeschlagene Flaggschiff des Verlags, die Süddeutsche Zeitung, zu sanieren. Die Bücher von Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz sind laut Börsenblatt wieder lieferbar. Nach Bertelsmann will auch die Verlagsgruppe Holtzbrinck ihre Vergangenheit in der Nazizeit überprüfen lassen. Das Bohlen-Buch muss verändert werden. Und zum Schluss noch ein Schmankerl: Der am häufigsten gestohlene Titel der Buchmesse ist "Hure" von Nelly Arcan.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

"Nichts als die Wahrheit" von Dieter Bohlen steht "mit einem bisher nicht gekannten Abstand zu den Verfolgern" auf Platz eins der Bestsellerliste, schreibt der buchreport (auf der Sachbuch-Liste ist das allerdings auch nicht ganz so schwer). Das Düsseldorfer Marktforschungsunternehmen Innofact habe hochgerechnet, dass sich das Buch bis zum Jahresende 500.000-mal verkaufen werde. "Der Erfolg des Buches macht klar, nach welchem Rezept die Megaseller der Zukunft gebaut sein müssen: Medienstars werden mit ihren Lebensberichten inklusive Beichten aus dem Bett so gnadenlos gepusht, bis das Interesse an ihren Büchern auch bei Lieschen Müller wach geworden ist." Das Blatt weist darauf hin, dass die Wertschöpfung "diesmal via Familie" funktioniert habe: Wie die Bild-Zeitung gehöre auch die Verlagsgruppe Heyne Ullstein List zum Springer-Konzern. Ein paar Seiten weiter hinten die Enthüllung: "Hinter vorgehaltener Hand räumten Vertreter der Verlagsgruppe in Frankfurt ein, dass ihnen ihr neuer Top-Seller schon ein bisschen peinlich sei. Schließlich besteht das Buch vor allem aus Bohlens freimütiger Auskunft über verschiedene Bettgeschichten. Es fehlen nicht einmal die schnoddrige Schilderung eines erlittenen Penisbruchs oder der Testgriff an die Silikon-Brüste seiner Langzeit-Freundin Nadja Abdel Farrag alias Naddel." Großzügig fügt der buchreport hinzu: "Dabei muss es in schwierigen Zeiten niemandem peinlich sein, wenn er dem angeschlagenen Buchhandel zu einem ordentlichen Umsatz verhilft." Ein Vorteil des Buches sei, dass der Verkaufserfolg kaum auf Kosten anderer Titel gehen werde.

Die Buchmesse habe die Weisheit bestätigt, dass Abspecken dem Wohlbefinden durchaus zuträglich sein könne, meint der buchreport. "Dass sich viele Verlage für einen schlankeren Auftritt entschlossen haben, hat der Messe insgesamt nicht geschadet", sagt auch Messe-Chef Volker Neumann. Von der buchreport-Anregung, die Messe nur für ein Fachpublikum zu öffnen, hält Neumann offenbar nichts: "Die Messe muss den Spagat zwischen Fachveranstaltung und großem Event für ein breites Publikum aushalten". Neumann lote derzeit auch "das sensible Thema" Buchverkauf aus. Den kommenden Länderschwerpunkt Russland will der Messe-Chef stärker als ins Zentrum der Veranstaltung rücken, die ausländischen Verlage sollen besser angebunden und die Wege für das Fachpublikum kürzer werden.

Der buchreport zitiert Peter Ripken, den Leiter des Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Ripken bemängelte, dass Suhrkamp es versäumt habe, die Übersetzungen der Bücher von Friedenspreisträger Chinua Achebe zu überarbeiten. Die kunstvolle Verbindung des Englischen mit dem Rhythmus von Achebes Muttersprache Igbo komme in den deutschen Übersetzungen nicht rüber, so Ripken. "Einen weiteren Grund für die mangelnde Akzeptanz Achebes in Deutschland sieht Ripken in der kritischen Darstellung der Europäer, die für viele unbequem sei. Achebe bestätige unsere Vorstellungen von Afrika nicht - Krieg und Not auf der einen Seite, Tanz und Musik auf der anderen."

Aufatmen in den Redaktionen: An der Überschrift "Das Hörbuch boomt" muss auch künftig nichts geändert werden. Denn die allgemeine Branchenkrise spart das Hörbuch bisher aus. "Der Münchner HörVerlag bekommt nach eigenen Angaben von der viel beschrienen Krise am Buchmarkt nichts zu spüren und kam mit vollem Programm nach Frankfurt und fuhr mit vollen Kassen retour. Mit zweistelligen Umsatzzuwächsen im ersten Quartal steht der Verlag zwar nicht stellvertretend für den gesamten Audio-Bereich, sondern ist eher dessen Aushängeschild, in der Tendenz geht es jedoch den meisten Hörbuch-Anbietern besser als ihren Buchkollegen."

Für die Kinderbuchautorin Cornelia Funke, deren Buch "The Thief Lord" zurzeit auf Platz drei der Kinderbuch-Bestsellerliste der New York Times steht, war die Buchmesse offenbar ein voller Erfolg. "Viele Verträge werden erst in den nächsten Wochen unterschriftsreif, doch die Zwischenbilanz ist eindrucksvoll: Außer in die USA und Großbritannien wurde 'Herr der Diebe' nach Polen, Ungarn, Jugoslawien, Japan, Thailand, Schweden, Frankreich, Taiwan, Finnland, Spanien und Färöer verkauft. Angebote liegen u.a. aus Dänemark, Holland, Russland und Griechenland vor."

Und welches Buch wird bei Thalia gestapelt? Mehr hier.

Börsenblatt

Dieses Heft bringt alle Texte rund um die Verleihung des Friedenspreises: Den Text der Urkunde, die Chinua Achebe verliehen wurde, das Grußwort von Börsenvereinsvorsteher Dieter Schormann ("Botschafter des Buches"), die Ansprache der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die Laudatio von DAAD-Präsident Theodor Berchem ("Ein Stachel im Fleisch Europas") und Achebes Dankesrede ("Über Literatur und Frieden"). Links auf die vier Reden finden Sie hier. Und hier eine Liste der deutschen Übersetzungen von Achebes Büchern. Sehr viel schöner ist allerdings dieser Link.
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Stichwörter: Friedenspreis