Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
28.01.2003. In dieser Woche lesen Sie: Wie die Branchenblätter das Pokerspiel um einen Umzug der Frankfurter Buchmesse nach München bewerten. Warum Kinder den neuen "Harry Potter" vielleicht gar nicht lesen werden. Und wer schon bald Mehrheitseigner der Eichborn AG sein könnte. Von Hubertus Volmer

buchreport.express

Aufmacherthema dieses Heftes ist die Diskussion um einen Umzug der Frankfurter Buchmesse nach München. Volker Neumann, der Direktor der Buchmesse, hatte diese Debatte mit einer entsprechenden Bemerkung im US-Branchenmagazin Publishers Weekly angestoßen. Zwar wird die Buchmesse nun wohl am Main bleiben. Doch der buchreport hält nicht viel von Neumanns "Spiel mit dem Feuer": Das Image der Buchmesse habe ebenso Kratzer abbekommen wie die Stadt Frankfurt, "in der nicht nur der Börsenverein residiert, sondern auch die Deutsche Bibliothek zu Hause ist und in der seit 53 Jahren der Friedenspreis verliehen wird." Seinen Kommentar hat Bodo Harenberg mit dem Titel versehen: "Erst denken, dann handeln". Harenberg kritisiert er nicht nur Neumanns Umzugsvorschlag: "Wenn er die Tore der Messe am Freitag für eine Büchernacht öffnen und das Publikum - zusätzlich zum Samstag und Sonntag - auch noch am Montag in die Hallen einladen will, könnte er die Rechnung ohne die Masse der Aussteller machen: Sie brauchen Zeit für Gespräche untereinander, mit Agenten und Autoren, und sie wollen wegen der damit verbundenen Kosten eher eine kürzere als eine längere Messe." Die Buchmesse brauche schnellstens ein klares Konzept: "internationale Fachmesse oder Publikumsevent. Ein starker Kompromiss könnte sein, viel mehr für die Aussteller zu tun, sie in ein internationales Veranstaltungsprogramm einzubinden und nicht massenweise Events, sondern hochkarätige Treffen zu schaffen, die auch nach der Abrechnung aller Spesen als wichtige Erinnerung in den Köpfen der Verleger verbleiben."

Die Verlagsgruppe Dornier schließt nach Leipzig auch den Standort Berlin. Dornier werde künftig in Stuttgart residieren, dem Stammsitz des Kreuz Verlags, der 55 Prozent zum Gesamtumsatz der Gruppe beisteuere, schreibt der buchreport. Bereits im Dezember hatte Dornier mitgeteilt, dass der (Ost-) Berliner Henschel Verlag sowie die Leipziger Verlage Edition Leipzig und E. A. Seemann dicht gemacht werden. Später erklärte Dornier allerdings, einen Käufer für diese Verlage suchen zu wollen.

Zwar ist der Erscheinungstermin der deutschen Übersetzung von "Harry Potter and the Order of the Phoenix" noch offen. Aber bestellt werden kann das Buch schon. Bei Amazon.de seien rund 70.000 Vorbestellungen eingegangen; das seien 75 Prozent mehr als für Band vier ("Harry Potter und der Feuerkelch"). Bei Amazon.co.uk, Amazon.com, Amazon.fr und Amazon.de steht das Buch bereits auf Verkaufsrang eins. Auf dem deutschen Potter-Verlag Carlsen laste ein starker Druck: Jeder Tag Verzug mit der Übersetzung sei auch ein Umsatzverlust. Denn wer Englisch lesen kann, wird nicht auf die Übersetzung warten wollen. Ein weiteres Problem sei der Umfang des Buches. Das englische Original wird 768 Seiten, die deutsche Übersetzung wahrscheinlich 1.000 Seiten stark sein. "Bereits vor dem vierten Band (765 Seiten) sollen junge Leser kapituliert haben. Hannelore Daubert, pädagogische Mitarbeiterin am Institut für Jugendbuchforschung der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt: 'Nach meinen Erfahrungen würde ich die Möglichkeit, dass Kinder ein solch umfangreiches Buch schaffen, verneinen. Aber "Harry Potter" ist ein spezifisches Phänomen.'"

Die Übernahme des Österreichischen Bundesverlags (ÖBV) durch Klett schlage in der österreichischen Presse derzeit hohe Wellen, berichtet der buchreport. Der Vorwurf: "Klett habe eigentlich nur Interesse am Einstieg ins profitable Schulbuchgeschäft (die österreichische Gratisschulbuchregelung bringt per annum rund 92 Millionen Euro Schulbuchumsatz), während die zum ÖBV zählenden Publikumsverlage Deuticke, Residenz und Brandstätter befürchten, sie könnten in Stuttgart als reine Verkaufskandidaten mit an Bord genommen werden." Klett dementiert: Das sei "absoluter Quatsch", zitiert das Blatt Geschäftsführer Tilmann Michaletz. "Sobald die Verkaufsverträge unterschrieben sind, müssen wir mit den Unternehmen allerdings Gespräche führen, wie mehr Wirtschaftlichkeit hergestellt werden kann".

Die Unternehmensberatung Roland Berger hat beim Süddeutschen Verlag für das vergangene Jahr einen Verlust in Höhe von 73 Millionen Euro errechnet - eine "desaströse Diagnose", meint der buchreport. "Tonnenschwer auf den Schultern liegen dabei nicht nur die eklatant weggebrochenen Anzeigenannahmen. Als größter Verlustbringer zieht die Tochter Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformationen (SVHFI) die Mutter mit einem Minus in Höhe von 42,6 Millionen Euro in den Keller. (...) Medienweit planen die Süddeutschen bis zum Jahresende die Reduktion um 650 Stellen. In 2004 sollen weitere 300 wegfallen, im Bereich der Fachinformationen stehen 139 Arbeitsplätze auf der roten Liste."

Im Februar soll "die erwartete Ramsch-Welle der Könemann-Bücher" anrollen. Einer der Hauptabnehmer der Könemann-Bestände, der Kölner Großantiquar Zanolli, will am 10. Februar die erste Charge von Büchern des in Konkurs gegangenen Verlags anbieten. "Rund 300 Könemann-Titel mit einer Gesamtauflage von 'einigen Millionen' Exemplaren will Bruno Zanolli in der Zentrale des MA-Spezialisten in Köln-Bocklemünd unter die Sortimenter bringen. (...) Obwohl der Abverkaufsdruck wegen der hohen Lagerkosten immens ist, glaubt Bruno Zanolli, 'eine Blase im Markt' verhindern zu können: 'Wir wollen den Namen Könemann nicht kaputtmachen.' Dafür soll eine vorsichtige Preisgestaltung sorgen."

Die Fernsehgala für den Deutschen Bücherpreis, die im vergangenen Jahr überaus peinlich geriet, wäre in diesem Jahr fast ausgefallen: Der MDR hatte sein Konzept für die Sendung zum vereinbarten Termin nicht präsentieren können. Dies hat der Sender nun nachgeholt. Dieter Schormann sagt, das Konzept habe den Börsenverein überzeugt. "Die Gala findet also statt, jetzt müssen wir in den verbleibenden zwei Monaten alles dransetzen, die Sendung auf die Beine zu stellen", zitiert der buchreport den Börsenvereins-Vorsteher.

Der buchreport zieht eine Zwischenbilanz des Preisbindungsgesetzes. Die ersten Erfahrungen von Börsenverein und Preisbindungstreuhänder seien "positiv" oder sogar "uneingeschränkt positiv". Allerdings zeige der Fall der Bohlen-Sonderausgabe: "Das Preisbindungsgesetz ist nicht die eierlegende Wollmilchsau, für die viele Buchhändler es gehalten haben. Das große Konfliktpotenzial, das in Sachfragen wie den Voraussetzungen für Sonderausgaben steckt, ist allenfalls vorübergehend entschärft." (Mit einer Taschenbuchausgabe des Bohlen-Buchs für 12,90 Euro, die zunächst nur von Weltbild angeboten wurde, hatte Ullstein Heyne List die Sortimenter verärgert.)

Peter Olson, Chef der Bertelsmann-Verlagsgruppe Random House, hat die Verlagsleiterin der amerikanischen Random House Trade Group, Ann Godoff, entlassen. Zudem soll der "eher literarisch geprägte Verlag" mit dem Mass-Market-Taschenbuchverlag Ballantine verschmolzen werden. Verlagsleiterin der neuen Random House Ballantine Trade Group wird die bisherige Ballantine-Chefin Gina Centrello. "In einem Memo an die Mitarbeiter hat Olson indirekt bestätigt, dass kommerzielle Gründe ausschlaggebend für die umstrittene Entscheidung waren. Trotz ihrer vielen 'unbestrittenen Stärken' war die Random House Trade Group 'der einzige Verlagsbereich von Random House, Inc., der seine jährlichen Gewinnvorgaben regelmäßig verfehlt hat', schreibt er als Begründung für den überraschenden Rauswurf." (Mehr hier.)

In den USA haben die fünf größten Verlagsgruppen im vergangenen Jahr 77,4 Prozent "aller verfügbaren Hardcoverplätze auf den Jahresbestsellerlisten belegt", meldet der buchreport unter Berufung auf die Kollegen von Publishers Weekly. Beim Taschenbuch sind es sogar 79,5 Prozent. Rechnet man die Nummern sechs und sieben dazu, ist das Ergebnis noch krasser: Die sieben größten Verlagsgruppen kontrollieren im Hardcover 91 und im Taschenbuch 85,8 Prozent des Bestsellergeschäfts.

Schließlich meldet der buchreport, dass Buch Habel künftig nur noch Filialen mit einer Fläche von mindestens 600 Quadratmetern betreiben will. Die Kette schließt daher zwei Buchhandlungen in Berlin und Gotha.

Hier der Link auf die Bestsellerlisten des buchreport.

Börsenblatt

Das Börsenblatt bemüht sich in der Bewertung der Buchmessen-Debatte um eine ausgewogene Position: "Volker Neumann hat mit seiner Frage nach einem anderen Standort an ein Tabu gerührt, gleichsam das Unmögliche gedacht und ausgesprochen. Das muss erlaubt sein - um der Frankfurter Buchmesse willen", schreibt Chefredakteur Hendrik Markgraf im Editorial. "Und siehe da: Der Sturm, den er entfachte, hat Wirkung gezeigt: Die Stadt bewegt sich". Endgültig vom Tisch ist die Frage "München oder Frankfurt?" jedoch nicht. Börsenvereins-Vorsteher Dieter Schormann: "Die Zeit für eine Standortdiskussion ist noch nicht reif. Die Heftigkeit der Diskussion zeigt, wie sehr der Standort Frankfurt in den Köpfen und Herzen verankert ist." Ein längerer Artikel im Heft beschäftigt sich mit Neumanns Reformplänen. Darin geht es unter anderem auch um die Frage, ob den Verlagen erlaubt werden soll, am Messemontag Bücher zu verkaufen. Eine Umfrage des Börsenblatts zeigt, dass Buchhändler eher dagegen und kleine Verlage sehr dafür sind (weil sie in vielen Buchhandlungen gar nicht vertreten sind). Größere Verlage sitzen da ein wenig zwischen den Stühlen. Aufbau-Verleger Bernd F. Lunkewitz sagt, man müsse ein solches Experiment wagen, dabei aber prüfen, ob sich dies negativ auf den Buchhandel auswirke. "Andere Messen haben gezeigt, dass das Sortiment von der Messe profitiert. Der Trend geht zum Zweitbuch, und das wird in der Buchhandlung gekauft."

Die Online-Auktionsbörse eBay hat zugesagt, künftig Angebote aus dem Netz zu nehmen, die gegen das Buchpreisbindungsgesetz verstoßen. Eine entsprechende Vereinbarung haben Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels und eBay getroffen. "Auch die Namen der jeweiligen Anbieter werde das Unternehmen nennen und auf diese Weise ein Abmahnverfahren ermöglichen, teilte Wallenfels mit."

Der Schriftsteller und Zeichner Walter Moers hat seinen zehnprozentigen Anteil an der Eichborn AG verkauft. Moers war dem bisherigen Eichborn-Programmchef Wolfgang Ferchl zum Piper Verlag gefolgt. Neuer Eigentümer der zehn Prozent ist die Fuldaer Verlagsagentur (FVA), die nun 41,4 Prozent der Eichborn-Anteile hält. "Die FVA war früher im Besitz von Eichborn-Vorstand Matthias Kierzek und gehört seit dem vergangenen Jahr mehrheitlich Ludwig Fresenius, Aufsichtsrat des Instituts Fresenius in Taunusstein bei Wiesbaden. (...) Sollte sich Fresenius auch für das Eichborn-Aktienpaket der insolventen Kieler Achterbahn AG (33,2 Prozent) interessieren, könnte er bald Mehrheitseigner sein."

Die Buchkette Thalia wird nun doch nicht versuchen, die Verlage finanziell an ihren sieben regionalen Einkaufsbörsen zu beteiligen. 200 Euro hätten pro Veranstaltung kassiert werden sollen. "Ganz vom Tisch ist das Thema aber nicht. Bei den Jahresgesprächen, die ab Mitte Februar anstehen, wird wohl auch über die Kostenbeteiligung verhandelt." Die Einkaufsbörsen sollen Vertreterbesuche ersetzen; sie finden in diesem Jahr zum ersten Mal statt.

Weitere Meldungen: Der Vier-Türme-Verlag der Abtei Münsterschwarzach hat nach eigenen Angaben ein Umsatzplus von rund zehn Prozent erzielt. Die Lübecker Buchhandlung Weiland öffnet ihre Filiale in Hannover nicht schon im Frühjahr, sondern erst im Herbst. Die von der Bundesregierung geplante Anhebung der Mehrwertsteuer auf Kombiprodukte (z.B. Buch plus CD-ROM) ist "erst einmal vom Tisch".

Aus der Sicht des Schriftstellers zeichnet Joseph von Westphalen den Weg von der Idee zum Buch nach. Zunächst trifft sich der Autor mit dem Chef seines neuen Verlags "und erzählt ihm, was man zu schreiben gedenkt. Man schaukelt sich hoch. Die Augen leuchten. Zwei Menschen träumen vom Sieg. Hunderttausende werden das Buch verschlingen. Das Feuilleton wird sich verneigen. Besonders schön träumt es sich, wenn das Buch noch nicht geschrieben ist." Wenn es dann allerdings ums Geld geht, fragt sich der Autor, "ob man nicht doch besser einen Agenten hätte nehmen sollen. Dann könnte man jetzt pinkeln gehen, und wenn man zurückkäme, hätten die Herren sich vielleicht auf eine halbe Million geeinigt. Mark natürlich." Dann die Arbeit, dann das Misstrauen, ob das Buch dem Verlag wirklich gefällt, dann die Erleichterung, als es bei der Vertreterkonferenz gut ankommt. Schließlich erscheint "Der Liebessalat". "Mit ist matt zumute. Denn nirgendwo ist was vom 'Buch der Saison' zu lesen. 'Endlich wissen wir, was uns gefehlt hat, ein Buch über den Wahnsinn der Liebe.' Warum schreibt das keiner?" Immerhin: "Drei Leser, junge erfreulicherweise, schreiben mir, das Buch sei 'heftig' und habe ihr Leben verändert. Vielleicht wird einer von ihnen Großkritiker, holt mich in 30 Jahren aus der Versenkung, feiert mich als 'damals seiner Zeit voraus', Nachauflagen werden gedruckt und meine Altersversorgung ist gesichert."

Christoph Schröder würdigt den großen Zeichner Chlodwig Poth, dessen Autobiographie "Aus dem Leben eines Taugewas" im Herbst bei Ullstein erschienen ist. Wegen einer 1999 diagnostizierten Netzhauterkrankung kann Poth nur "mit Hilfe einer speziellen Apparatur" zeichnen, "die einzelne Bildausschnitte für die Bearbeitung vergrößert: 'Ich musste neu lernen, zu arbeiten', sagt Poth." Zurzeit schreibt er an einer Erzählung, "der Beschreibung einer Reise, die er gemeinsam mit seiner Frau unternommen hatte. Ein 'komisches Buch', wie er sagt, denn 'Humor ist nur bedingt der Mode unterworfen'."

Nils Kahlefendt schreibt über die Dresdner Buchhandlung Buch & Kunst - das erste ostdeutsche Unternehmen, das eine westdeutsche Buchhandelsgruppe übernimmt. Sybille Fuhrmann spricht mit Claus Sprick, dem Präsidenten den Europäischen Übersetzer-Kollegiums. Sprick erzählt von der Bibliothek des Kollegiums im niederrheinischen Straelen: "Von dort aus gehen sternförmig 29 Apartments ab, in denen Übersetzer für die Dauer ihres Aufenthalts kostenlos wohnen können. Die Bibliothek ist immer offen, die Übersetzer haben rund um die Uhr Zugriff auf 110.000 Bände".

Andreas Trojan stellt Sachbücher aus den Frühjahrsprogrammen der Verlage vor. Und Sebastian Domsch schreibt über Buch-Rezensionen im Internet (und weist auf das Innsbrucker Zeitungsarchiv hin). An rein internetbasierten Angeboten nennt Domsch literaturkritik.de, wortlaut.de und das Buchmagazin des Literaturhauses Wien, außerdem Seiten, auf denen "so gut wie jeder jedes noch lieferbare Buch" besprechen darf, etwa Carpe Librum und literaturcafe.de. Besprechungen von Lesern seien vor allem für Online-Buchhändler interessant. "Schließlich kann das Urteil der Kunden als Verkaufsargument eingesetzt werden. Amazon.de etwa hat die Leserrezensionen in der jüngsten Zeit zu einem Nebenschauplatz der Literaturkritik ausgebaut", so Domsch. "Hat der Kunde von Amazon einmal ein bestimmtes Buch ausgewählt, kann er allerdings nicht nur auf Kundenbewertungen, sondern auch auf Literaturkritiken zugreifen. Geboten wird ein redaktionell betreuter Content, der sich aus Buchbesprechungen von Amazon-Redakteuren und freien Mitarbeitern, aber auch aus Kritiken anderer Quellen zusammensetzt. Dazu gehören etwa die Notizen der Website Perlentaucher.de, aber auch ganze Rezensionen aus der Neuen Zürcher Zeitung oder dem Spiegel."
Archiv: Börsenblatt