Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
24.02.2003. Diese Woche lesen Sie: Wie die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers für Feuer unterm Dach gesorgt hat. Welcher Buchverlag bei Springer bleibt. Der wahre Grund, warum Verlage Werbung für Bücher machen. Und warum die lieben Konzerne die Finger von der Literatur lassen sollten. Von Hubertus Volmer

buchreport.express

Beim Bertelsmann-Konzern sei "Feuer unterm Dach", heißt es auf der Titelseite des buchreport. Reinhard Mohns "vermächtnishafte Ankündigung" habe "Irritationen und Machtkämpfe an der Spitze ausgelöst". Mohn hatte das Machtzentrum des Konzerns kürzlich voll auf seine Frau Liz und seine Kinder Christoph und Brigitte ausgerichtet. "Insbesondere das Misstrauensvotum gegen das Bertelsmann-Management - seit vergangener Woche nachzulesen in dem Mohn-Buch 'Die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers' - hat viele der Führungskräfte gegen den Patriarchen und seine Familie aufgebracht" (und ist damit nebenbei ein Hinweis darauf, dass auch Familienunternehmer Unfug anrichten können). Jetzt brauche der Konzern einen "Troubleshooter", so der buchreport weiter.

Die Verlagsgruppe Holtzbrinck hat kartellrechtliche Bedenken gegen die Übernahme von Heyne Ullstein List durch Bertelsmann angemeldet. Der Konzern will eine Beiladung zum Kartellverfahren beantragen. "Als Beigeladene könnten die Stuttgarter dem Kartellamt vortragen, warum das fusionierte Unternehmen ihrer Ansicht nach eine marktbeherrschende Stellung einnehmen wird". Die Holtzbrinck'schen Bedenken richten sich gegen die Position von Random House bei den Paperbacks. Holtzbrinck geht davon aus, dass die neue Verlagsgruppe einen 40-prozentigen Anteil am Taschenbuchmarkt hätte.

Bei der Zentrale des Bertelsmann-Clubs in Rheda-Wiedenbrück sollen 57 Arbeitsplätze abgebaut werden, betriebsbedingte Kündigungen soll es dem Unternehmen zufolge nicht geben. "Die Maßnahme ist Teil einer Standortvereinbarung, die soeben erneuert worden ist. Zu ihr gehört auch die Vereinbarung mit den Angestellten über eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 39 Stunden."

Zu dem Spiel "Die Siedler von Catan" wird es im kommenden Sommer ein Buch geben. Der Titel von Rebecca Gable erscheint in dem Lübbe-Imprint Ehrenwirth, also nicht im Kosmos Verlag, der das Spiel auf den Markt gebracht hat. "Die Kontakte zu Rebecca Gable knüpfte Spieledesigner Klaus Teubner schon 2001 auf der Frankfurter Buchmesse. Gable, im Krimi und vor allem im Genre des historischen Romans zu Hause, fand offenbar sofort Gefallen an der Idee. 'Die Siedler von Catan wird ein historischer Roman der etwas anderen Sorte. Er wird nur an fiktiven Orten spielen, ausschließlich von erfundenen Personen handeln, aber trotzdem ein Stück faszinierendes Mittelalter erzählen', wirbt sie auf ihrer Homepage."

Der Axel Springer Verlag hat seine gesamte Buchsparte verkauft. Seine gesamte Buchsparte? Nicht ganz: Der Cora Verlag "mit dem Schwerpunkt 'Liebe und Romantik' für die weibliche Zielgruppe" hält wacker das Fähnchen der Springer-Buchkultur hoch. Das Programm soll sogar noch ausgebaut werden, kündigt Cora-Geschäftsführer Thomas Beckmann an. "Mit dem Imprint Mira-Taschenbuch will Beckmann in Zukunft verstärkt auch in den großen Buchhandelsketten auftrumpfen. 'In den internen Verkaufscharts der Karstadt-Buchabteilungen liegen wir schließlich regelmäßig an der Spitze, dieses Argument sollte auch im klassischen Buchhandel Interesse wecken', meint Beckmann."

Der Preiskampf um die englische Ausgabe des neuen "Harry Potter" habe nun auch die "Bindungsrepublik Deutschland" erreicht: "Während buchkatalog.de und BOL mit einem Preis von 24,90 Euro der Bloomsbury-Empfehlung (16,99 Pfund) noch recht nahe kommen, bleiben Libri.de mit 19,99 Euro und Booxtra mit 19,95 Euro schon deutlich darunter. Noch weiter runter gehen Amazon.de und Weltbild.de, die jeweils 16,80 Euro verlangen." Zumindest Amazon ist mittlerweile jedoch umgeschwenkt.

Penguin will in den USA ausgewählte Taschenbücher in Supermärkten verkaufen. "Das Kind muss einen Namen haben, und weil Buchclubs jenseits des Atlantiks bei Tageszeitungen, Fernsehsendern und auch in Buchhandlungen wie Pilze aus dem Boden schießen - Oprah Winfrey lässt grüßen - hat Penguin das neue Vertriebsprojekt 'Readers Club of America' getauft." Damit Käufer und Leser sich nicht allzu veralbert vorkommen, soll es eine Website geben, auf der man über die Bücher diskutieren kann. Zunächst will Penguin vier Taschenbuch-Titel neben die Kühlregale stellen.

Weitere Meldungen: Die erste Runde im angestrebten Verkauf des Fachverlags BertelsmannSpringer hat begonnen; acht Interessenten wurden von Bertelsmann eingeladen. Das "größte Buchkonglomerat in den deutschsprachigen Ländern" soll möglichst komplett und möglichst schnell verkauft werden. Der Verlag Delius Klasing kauft die maritime Buch-Sparte des Busse Seewald Verlags; Busse Seewald will sich künftig auf das Kerngeschäft im Segment Lifestyle, Wohnen und Ambiente konzentrieren. Noch in diesem Jahr will der Ratgeberverlag Humboldt in Baden-Baden mit rund 20 Novitäten neu starten. Und schließlich weist der buchreport darauf hin, dass in diesem Jahr ungewöhnlich viele Filme nach Literaturvorlagen für einen Oscar nominiert wurden.

Hier der Link auf die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Aldo Frei von der Werbeagentur Lesch + Frei kritisiert die Werbung für das Buch: "Sie propagiert Zündstoff und bringt die Leute dennoch nur zum Gähnen. Sie thematisiert das große Drama und weckt dennoch null Interesse." Außerdem seien die Anzeigen von Buchverlagen uniform. "Ein Verleger, den ich einmal fragte, warum denn die Werbung in seiner Branche so entsetzlich sei, gab mir mit seiner Antwort noch mehr zu denken: 'Das ist nur Alibi, diese Anzeigen werden nicht gemacht, um Leser zu gewinnen. Sie werden bloß für die Autoren geschaltet, damit diese das Gefühl haben, für den Verlag wichtig zu sein.' Interessant, dachte ich, eine Branche, in der die Lieferanten wichtiger sind als die Kunden."

Wieder einmal E-Learning. "Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es beim virtuellen Lernen nicht nur um technische Innovation geht", schreibt Sebastian Domsch. "Der lernende Mensch als Anwender steht heute im Vordergrund. Er braucht sowohl vernünftige Inhalte als auch eine Rückbindung an den Präsenzunterricht. Blended learning heißt der Trend, der das rein virtuelle und asynchrone Lernen mit interaktiven Formen wie Online-Chat, Diskussionsforen und vor allem einem echten Tutor verbindet." Dieser sollte in der Lage sein, Fragen und zu beantworten und bei nachlassender Motivation seines Schülers "aufmunternde E-Mails schreiben".

Im Berliner Buchhandel geht es auch in der Nach-Kiepert-Ära "kalt und stürmisch" zu, berichtet Volkhard Bode. Er widmet sich in seinem Artikel dem Bereich zwischen Friedrichstraße und Alexanderplatz. Die Inhaberin einer kleinen Buchhandlung im Berlin-Carre am Alexanderplatz ärgert sich über eine neue Wohlthat-Filiale in ihrer Nachbarschaft: Wenn Titel aus dem Modernen Antiquariat bunt ins Sortiment gemischt würden, suggeriere das eine Aufhebung der Preisbindung, "und das wirkt ruinös für kleinere Buchhandlungen". Weiter westlich profitiert das Kulturkaufhaus Dussmann offenbar von der Kiepert-Pleite; "neuerdings nehmen Fachbuchbestellungen deutlich zu" - die Kiepert-Filiale hinter der Humboldt-Universität gibt es nicht mehr. Sowohl auf Studenten als auch auf Touristen hofft auch die Buchhandlung Unibuch Mitte in der Spandauer Straße. Unweit von Dussmann haben es Hugendubel und der Laden "Berlin-Story" vor allem auf Touristen abgesehen. "Nur wen es in der Friedrichstraße nach Süden verschlägt, stößt auf ein trauriges Kapitel: Wo noch bis Jahresende Kiepert-Stadtmitte stand, bröckelt schon der Putz von den Wänden. Aber vielleicht wagt es ja bald ein Mutiger an dieser oder anderer Stelle."

Die Stimmung unter den Mitarbeitern der Verlagsgruppe Ullstein Heyne List sei "ambivalent", berichtet Holger Heimann. Einerseits sei schon lange klar gewesen, dass Springer sich aus dem Buchgeschäft verabschieden will. "Nun gibt es wenigstens Gewissheit, und der Käufer steht fest." Auf der anderen Seite fürchte manch ein Mitarbeiter um seinen Arbeitsplatz. "Darf es doch als wahrscheinlich gelten, dass im Zuge der Integration von Ullstein Heyne List in die Strukturen von Random House der eine oder andere Arbeitsplatz zur Disposition gestellt werden könnte." Für das Management fange die Arbeit erst an. "Zu klären ist eine Reihe Fragen. Was soll mit Traditionsverlagen wie Ullstein und Propyläen geschehen. Wie viel Geduld hat der Konzern mit Häusern wie Luchterhand und Berlin? - 'Literarische Verlage tun sich schwer', räumte (Random-House-Verleger Klaus) Eck gegenüber dem Börsenblatt ein und bestätigte Gespräche mit Arnulf Conradi, der wie bekannt ist, den Berlin Verlag gern zurückkaufen will."

"Jeder in unserer Branche ist felsenfest davon überzeugt, dass er selbst zu wenig am Buch verdient, während die Verleger Champagner aus den Schädeln verhungerter Autoren saufen", schreibt Aufbau-Verleger Bernd Lunkewitz. Er ist der Meinung, dass eine Erhöhung der Buchpreise um bis zu zehn Prozent "mehr als gerechtfertigt wäre" - "nicht zuletzt wegen der Autoren- und Übersetzerforderungen" (die Leser dürften das anders sehen). Und überhaupt könne man mit Literatur kaum Geld verdienen. "Die Nettoumsatzrendite im literarischen Verlagssektor schätze ich im langjährigen Durchschnitt auf knapp zwei Prozent". Wichtiger sei jedoch das kulturelle Kapital. "Das sollten auch die Medienkonzerne erkennen. Wenn es sowieso nur um das Prestige geht, brauchen sie in der Literatur kein großes Rad zu drehen, das kostet unnötig Geld. Wenn es denn sein muss: Ein edler Verlag, der als kleine, feine Boutique richtig gepflegt und nicht bei schlechtem Wetter über Bord geworfen wird, das reicht fürs Prestige allemal. Ansonsten, liebe Konzerne: Überlasst die Literatur den kleinen und mittleren Programmverlagen - die machen's meistens besser und günstiger. Wir versprechen dafür, euch bei Zeitungen, Zeitschriften, TV-Sendern oder Internet-Portalen keine Konkurrenz zu machen."

Auf den Internet-Seiten der Verlage hat Michael Roesler-Graichen einen neuen Trend ausgemacht. "Die meisten Häuser haben ihre Seiten von grafischem Wildwuchs entschlackt. Klare Linien, eindeutige Grundfarben und dezente Fonds sind gefragt. Auf enervierende Animationen wird verzichtet. Stattdessen steht (...) Funktionalität und Service im Vordergrund. (...) Einige Websites sind auf diesem Weg anderen bereits ein Stück voraus: Sie haben sich zu literarischen Portalen und elektronischen Serviceschaltern für den Buchhandel gewandelt - eine Entwicklung, der sich andere Verlage nach und nach anschließen werden."

Zum 150. Geburtstag von Vincent van Gogh am 30. März hat Stefan Hauck eine Liste mit Neuerscheinungen zusammengestellt: Gleich zwei Titel legt Art-Redakteur Stefan Koldehoff vor: das Rowohlt-Taschenbuch "Vincent van Gogh" und "Vincent van Gogh - Mensch und Mythos" (DuMont). Auch der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Uwe M. Schneede, hat sich mit Leben und Werk des Malers beschäftigt (C.H. Beck). Diogenes hat einen 1948 erschienenen Essay des Theologen Walter Nigg neu aufgelegt: "Vincent van Gogh - Der Blick in die Sonne". Bei Belser erscheint der offizielle Band zur Ausstellung im Amsterdamer Van Gogh Museum, "Mit den Augen Vincent van Goghs. Seine Wahlverwandtschaften und sein Kunstempfinden". Der Audio Verlag bringt das Hörbuch "Nach Süden" auf den Markt. Und in der Edition Nautilus erscheint "Van Gogh oder Das Begräbnis im Weizen" von Viviane Forrester.

Fast 2.000 Geschichten hat Helmut Rellergerd unter dem Pseudonym Jason Dark geschrieben. Er sei der "ungekrönte König der Groschenromane und Erfinder von Geisterjäger John Sinclair", schreibt Ulrich Hesse. "Ähnlich wie seinerzeit der ebenfalls ortsunkundige Karl May hat er noch nie die Schauplätze seiner Romane in London besucht. Dennoch: 'Ich kenne die Stadt inzwischen wie meine Westentasche', sagt er." Als eine "Art kreativer Beamter" charakterisiere Rellergerd sich selbst. Von Montag bis Freitag produziert er täglich ab acht Uhr in maximal sechs Stunden 30 bis 35 Seiten. "Auf diese Weise und mittels nachmittäglicher Recherche entsteht einer der wöchentlich erscheinenden Heftromane; hinzu kommt ein monatliches, umfänglicheres Taschenbuch mit einer durchgeschriebenen Sinclair-Geschichte." Nach mehr als 1.500 Heftchen erscheint im Herbst der erste "John Sinclair" als Hardcover.

George Wyland-Herzfelde hat seine Erinnerungen aufgeschrieben: "Glück gehabt" heißt das Buch, das am 1. März bei dtv erscheint. Darin geht es natürlich auch um seinen Vater, den Malik-Verleger Wieland Herzfelde. Adelbert Reif fragt Wyland-Herzfelde, ob sein Vater in der DDR "mehr oder weniger in der Vergangenheit" gelebt habe. "In einem gewissen Sinne ja. Besonders in seinen letzten Jahren lebte er mehr und mehr in der Erinnerung. Einmal sagte er zu mir: Es ist nicht, als wäre ich schon gestorben, sondern als hätte ich nie gelebt."

Mit einem neuen Konzept will der Deutsche Bücherpreis Peinlichkeiten in diesem Jahr vermeiden. Über das Vorjahr sagt MDR-Kulturchefin Claudia Schreiner: "Der Versuch, seriöse Literatur gemeinsam mit einem MDR-typischen Showprogramm zu präsentieren, musste scheitern - der Graben zwischen diesen beiden Extremen ist einfach zu groß." Und welche Künstler treten am 20. März auf? "Feste Zusagen liegen vor von Klaus Hoffmann, der Chansons singt, von Fanfare Ciocarlia, einer Zigeuner-Band, und von BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken, der ein anspruchsvoller Rocksänger ist. Für den Bereich Klassik konnten wir Emma Shapplin gewinnen. Im Gespräch sind wir noch mit der Clownin Gardi Hutter, die die Kleinkunst abdecken soll." Laudatoren? "Zugesagt haben bisher Florian Illies, Armin Maiwald und Hildegard Hamm-Brücher. Zudem wird Jan Josef Liefers eine Laudatio halten. Das sind anspruchsvolle Namen, bei denen man auch Inhalte erwarten kann." Wichtig sei gewesen, dass alle nominierten Autoren anwesend sind: "Abgesagt haben nur der Dalai Lama, Jonathan Franzen und Wladimir Kaminer; um die Klitschko-Brüder kämpfen wir noch."

Weitere Beiträge: Das Gesetzgebungsverfahren beim Urheberrecht verzögert sich; erst Mitte März wird der Rechtsausschuss des Bundestags über das Gesetz abstimmen. Mairs Geographischer Verlag schließt den Standort Halle. Außerdem gibt der Unternehmensberater Andreas Dischereit Tipps zur Vorbeugung von Ladendiebstählen. Oliver Schlimm von der Rechtsabteilung des Börsenvereins informiert über Miles-and-More-Programme, an denen sich auch das Sortiment beteiligen kann. Leonhard Kossuth hat ein Buch über den leider geschlossenen Verlag Volk & Welt geschrieben. Und in der Reihe "Der Autor und sein Lektor" schreibt Peter Stamm über Arche-Verlegerin Elisabeth Raabe: "Auch diesen Text hat Elisabeth Raabe gelesen. Und so wird das siamesische Zwillingspaar von Autor und Lektorin selbst hier nicht getrennt - und die heimlichen Sensationen unserer Lektorate werden für immer unser Geheimnis bleiben."
Archiv: Börsenblatt