Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
22.04.2003. Heute Lesen Sie: Welches Buch sich hinter der ISBN 3-551-55555-9 verbirgt. Was der Buchhandel von den neuen Ladenöffnungszeiten hält. Wie dramatisch der Kinderschwund für die Kinderbuchverlage ist. Und wie Springers letzte Buch-Bastion in die Offensive geht. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Die Frankfurter Buchmesse bekommt ein Rahmenprogramm fürs breite Publikum. Der Name ist tatsächlich nicht sehr originell gewählt: "Anders als in Leipzig, wo sich das Programm 'Leipzig liest' im Wesentlichen auf die Messestadt beschränkt, soll das Begleitprogramm im Herbst unter dem Motto 'Hessen liest' das ganze Bundesland in eine Lesebühne verwandeln. Die Planung befindet sich, wie es heißt, im Anfangsstadium. Eine Projektskizze wird Grundlage für Gespräche mit dem Land und einzelnen Städten wie Darmstadt, Kassel oder Marburg sein." Geschrieben wurde die Skizze von Theo Schäfer, dem Erfinder von "Leipzig liest". Knapp sechs Monate haben die Planer noch Zeit.

Joseph von Westphalen wundert sich, dass es den Welttag des Buches erst seit 1996 gibt. "Welttag des Buches. Der Singular ist putzig. Er suggeriert die Sehnsucht nach einem bestimmten Buch, das einem viel bedeutet, und verschleiert das eigentliche Problem, das weniger darin besteht, dass nicht mehr gelesen wird, sondern darin, dass auch die lesewilligsten Menschen angesichts einer Flut von lesenswerten Büchern nicht mehr wissen, was sie lesen sollen. Das Fernsehen hat mit den vielen Sendern die Fernbedienung erfunden. Das Buch verlangt noch immer Konzentration. Das ist sein Charme und sein Handicap."

Die ehemaligen Thienemann-Verleger Gunter Ehni und Hansjörg Weitbrecht haben zusammen mit der Lektorin Gudrun Kolb-Rothermel die Edition Erdmann, bislang ein Imprint des Thienemann Verlags, gekauft. "Das Team hat bereits seit dem Verkauf von Thienemann an den Medienkonzern Bonnier (2001) in freier Arbeit die Edition Erdmann betreut."

Damit ist die Edition Erdmann "der jüngste im Bunde", schreibt Margrit Philipp. Und zwar im Bunde der Verlagsrückkäufe. Derer gab es jüngst eine ganze Reihe, an den meisten war Random House beteiligt: Random House gab Arnulf Conradi den Berlin Verlag wieder, Friedrich-Karl Sandmann kaufte den Zabert Sandmann Verlag von Ullstein Heyne List zurück, Martin Scheriau erhielt von Random House die Anteile der Verlagsgruppe an dem Wiener Verlag Kremayr & Scheriau und Monika Thaler und Gert Frederking kauften Random House ihren Verlag Frederking & Thaler ab. Die "neue Lust an der Selbstständigkeit" könne nur vordergründig als Triebfeder für diesen unternehmerischen Wagemut ausgemacht werden. "Trotz schwierigster Marktbedingungen geht es allen Verlegern vorrangig um ein Ziel: Sie wollen die drohende Schließung oder den Verkauf an Dritte abwenden, schlicht, ihr verlegerisches Lebenswerk erhalten. Dies kann offenbar von den großen Konzernen langfristig nicht garantiert werden, obgleich es in besseren Zeiten in Aussicht gestellt worden war." Einen Vorwurf gegen die Konzerne erhöben die Verleger nicht. "Wenngleich der Bertelsmann-Konzern nicht als Verlagskiller auf der Anklagebank sitzt, so könnte sich unterm Strich doch ein ernst zu nehmendes Imageproblem ergeben. Dies scheinen die Unternehmensstrategen bereits erkannt zu haben. Künftig soll die Verlagsgruppe Random House ein großes Dach für viele virtuell eigenständige Verlage bieten, in der jeder Verleger agiert, als ob er sein eigener Herr wäre." Dieses Modell bringe einen "neuen interessanten Typus von Manager hervor: den Scheinverleger".

Der buchreport hatte für den März einen spektakulären Umsatzrückgang von 19,37 Prozent errechnet. Boris Langendorf registrierte zwar "nur" ein Minus von 10,9 Prozent; ein Umsatzabsturz ohne Gleichen bleibt es dennoch. Woran lag's? Jedenfalls weder am Wetter noch daran, dass Ostern in diesem Jahr in den April gefallen ist (statt, wie im Vorjahr, in den März). Auch Grippewelle und Irak-Krieg seien nicht schuld. "Die Stimmung, der vor einem Monat noch eine steigende Tendenz zu attestieren war, beginnt bei Wirtschaft und Verbrauchern leider schon wieder zu bröckeln - bevor sie sich nennenswert erholt hat." Zum Schluss bleibt nur das Prinzip Hoffnung: "Erfreulicherweise lassen die ersten Apriltage erwarten, dass es nicht weitergeht wie im März, sondern das Geschäft wieder anspringt. Möge dies, gestützt durch Ostern, länger anhalten."

Nachdem der Bundestag das Gesetz zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft ohne Änderungen (und mit dem umstrittenen Paragraphen 52a) beschlossen hat, hoffen die Verleger auf die Gerichte. "Mit einem solchen Gesetz sind wesentliche, gravierende und umfangmäßig bedeutsame Nutzungshandlungen quasi freigegeben", sagt der Vorsitzende des Urheberrechtsausschusses, Wulf D. v. Lucius, im Interview mit Sybille Fuhrmann. "Ob das mit den strengen Vorgaben der EU-Richtlinie [die das Gesetz umsetzen soll] in Einklang steht, das bezweifeln wir, und das wird der Börsenverein rechtlich prüfen lassen." Lucius kritisiert "die Konzeptionslosigkeit des Gesetzgebers: Im Jahr 2002 wurde mit dem Urhebervertragsrecht ein Gesetz zur Begünstigung der Autoren formuliert, das wir Verleger überzogen fanden. Nun werden wissenschaftliche Autoren massiv teilenteignet".

Buchmesse-Chef Volker Neumann weist den Vorwurf zurück, die Preise für Buchmesse-Stände seien um mehr als zwölf Prozent gestiegen. Im Interview mit dem Börsenblatt sagt er: "Wir haben immer vom Standpreis gesprochen. Dieser verteuert sich für den kleinsten Stand in diesem Jahr von 165,14 Euro pro Quadratmeter auf maximal 177,53 Euro - wer einen Dreijahresvertrag unterzeichnet, zahlt sogar nur 168,65 Euro / qm. Wir machen also ein äußerst günstiges Angebot".

Weitere Meldungen: Die Eichborn AG hat sich vom Büro für Berufsstrategie getrennt. In der insolventen Leipziger Buchhandlung Franz-Mehring-Haus läuft der Betrieb im Stammhaus und in allen acht Filialen "reibungslos weiter". Ewald Walgenbach, Chef der Bertelsmann Direct Group, will die Verluste seiner Sparte ("unbestätigten Gerüchten zufolge 50 Millionen Euro") noch in diesem Jahr halbieren und im kommenden Jahr schwarze Zahlen schreiben. Buch-Chef bei Karstadt und damit Nachfolger von Carola Markwa wird Andreas Kühn; Markwa arbeitet ab 1. Juli für die Buchhandlung Weiland. Mairs Geographischer Verlag übernimmt den Vertrieb für die Bildbände, Ratgeber und Sachbücher von National Geographic Deutschland.

Außerdem schreibt Susanne Osadnik über die Lage auf dem Immobilienmarkt für Buchhändler. Regine Meyer-Arlt führt in den hart umkämpften Markt der Garten-Ratgeber ein. Nicola Bardola stellt den Schriftsteller Joachim Zelter und dessen Roman "Das Gesicht" vor, eine "bissige Satire über die Auswüchse des Literaturbetriebs". Schließlich erläutert Thomas Blume das Leseköpfe-Programm zum Welttag des Buches. Mehr dazu hier und hier.

In der vergangenen Woche erschien außerdem ein Börsenblatt-Spezial zum Thema Fachbuch.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Auch der buchreport hat das Thema Ausbildungskrise entdeckt: Die Zahl der Ausbildungsplätze sei rückläufig und Fortbildungsseminare in der Buchhändlerschule in Seckbach seien schlecht besucht. "Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Buchhändler scheuen sich in der augenblicklichen wirtschaftlichen Situation, in die Ausbildung zu investieren und / oder sind nicht bereit, Mitarbeiter für Fortbildungsmaßnahmen freizustellen." Das gelte auch für die Verlage. Erstmals seien Lektorenseminare in Seckbach ausgefallen. Im ersten Quartal dieses Jahres wurden in Seckbach 20 Prozent weniger Seminare durchgeführt als im Vorjahr.

Die modifizierten Preiserhöhungen der Frankfurter Buchmesse treffen noch immer die Kleinen überdurchschnittlich stark, hat der buchreport errechnet. "Die Standmieten für die Mini-Stände auf der nächsten Frankfurter Buchmesse würden wieder kräftig subventioniert, behauptet Buchmesse-Chef Volker Neumann. Und, so rechnete er vor, die Standmieten werden nach der nun angepassten Preisliste linear 'nur' um 7,5 Prozent erhöht. Nachdem zunächst Erhöhungen je Standgröße von bis zu 40 Prozent und mehr geplant waren, hört sich diese Ankündigung moderat an. Doch sie stimmt nicht mit der neuen Preisliste überein, die die Buchmesse am letzten Freitag veröffentlicht hat." Der Preis für einen zwei mal zwei Meter großen Stand steige um 20,3 Prozent, der Preis für einen zwei mal zehn Meter großen Eckstand nur um 2,5 Prozent. Zahlreiche kleine Verlage hatten gedroht, der Messe fernzubleiben. Einige große Verlage wollen ihre Standfläche verkleinern, um die gestiegenen Kosten auszugleichen.

Nach der Eröffnung ihrer 5.000-Quadratmeter-Filiale in Essen will die Mayersche Buchhandlung ihren Standort in Bochum wechseln. Die bisherige Buchhandlung im Kortum-Haus hat 2.500 Quadratmeter. Ab Frühjahr 2004 will die Mayersche schräg gegenüber einziehen. Die 3.000-Quadratmeter-Fläche wird derzeit von Modehaus Oviesse genutzt.

In Bremen will Thalia sich vergrößern: Zusätzlich zu der 1.400-Quadratmeter-Fläche in der Sögestraße plant der Filialist ein Buchkaufhaus auf 2.300 Quadratmetern in der Obernstraße. "Thalia erfülle sich damit den 'langgehegten Wunsch', in beiden Fußgängerzonen der City präsent zu sein, lässt die Unternehmensspitze verlauten."

Der österreichische Filialist Libro will im ersten Geschäftsjahr nach dem Neustart (das am 1. März begonnen hat) knapp 40 Millionen Euro investieren und einen Umsatz von 200 Millionen Euro erreichen. Die erste eigene Filiale hat Libro Nuevo ("so die interne Bezeichnung nach der Übernahme der alten Libro AG aus der Konkursmasse") nun auf 440 Quadratmetern im niederösterreichischen Amstetten eröffnet.

Anders als der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels ist der Buchhandel von der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten nicht begeistert. "Die Vermutung der Sortimenter: Mehr Arbeit und Kosten, aber kaum mehr Umsatz. 'Ich bin ein Verfechter der geregelten Öffnungszeiten', sagt Rudolph Braun-Elwert, Vorsitzender des Sortimenterausschusses. Die Kunden seien völlig verunsichert; der größte Teil der am Samstag eingehenden Anrufe seien Nachfragen nach den Öffnungszeiten des Geschäfts." (Die armen Kunden!) Ab 1. Juni dürfen die Läden an Samstagen bis 20 Uhr geöffnet bleiben.

Die Egmont-Gruppe beschneidet den Verlag Franz Schneider stärker als erwartet, meldet der buchreport: "Von den 60 Mitarbeitern sollen gerade mal 6 bleiben. Betroffen sind alle Abteilungen und natürlich das Programm. Von den rund 700 Titeln einer Produktpalette (u.a. 'Hanni und Nanni' und seit 1991 die Disney-Hardcover), die den legendären 'Onkel Franz' zum Liebling ganzer Kindergenerationen werden ließen, sollen nur die allererfolgreichsten - neben der längst verstorbenen Enid Blyton (1897-1968) u.a. der unermüdliche Serienautor Thomas Brezina (40) - fortgeführt werden." Für den "dramatischen Niedergang des Verlags" gebe es innere und äußere Gründe. Die äußeren sind demographischer Natur: Die Zielgruppe schrumpft. "Im Jahr 2000 wurden in Deutschland 138.000 (15 Prozent) weniger Kinder geboren als 1990. Im Schuljahr 2001/02 wurden 1,9 Prozent weniger Kinder eingeschult als im Vorjahr, was einem Verlust von ca. 15.000 potenziellen Lesern in einem Jahrgang entspricht." Dies habe gravierende Auswirkungen auf die Kinderbuchproduktion: "2001 wurden laut Börsenverein 18 Prozent weniger Kinderbücher produziert als im Jahr zuvor. Dass die Zahl der Kinderbuchnovitäten im selben Zeitraum um 30 Prozent auf 4.800 Titel gestiegen ist, zeigt, wie sehr sich die Renditen der Verlage verschlechtert haben müssen."

Zahlen zum neuen, fünften "Harry Potter": Die ISBN der deutschen Übersetzung lautet 3-551-55555-9. Das Buch wird 28,50 Euro kosten und mehr als 1.000 Seiten stark sein. Nur eine Zahl steht noch immer nicht fest: Der Erscheinungstermin. Das englische Original kommt am 21. Juni.

Springers "letzte Buch-Bastion" geht in die Offensive. Dies sind der Cora Verlag und der Taschenbuchverlag Mira. In der "Bild"-Zeitung wirbt Mira mit dem Slogan "Hochspannung im Buchhandel". Noch werden die meisten Mira-Bücher allerdings auf den Nebenmärkten verkauft. "In den Top 30 der Verkaufsbestenliste von Karstadt waren in der vergangenen Woche bereits vier Mira-Titel vertreten." Dagegen habe es kein einziger Mira-Schmöker in die Gong-Taschenbuch-Bestsellerliste geschafft. "Doch die Abverkäufe bei Amazon und Karstadt haben offenbar auch skeptische Sortimenter hellhörig gemacht: Seit kurzem sind Mira-Titel auch bei Thalia und Gondrom gelistet."

Die wissenschaftlichen Verleger müssen sich darauf einstellen, dass der umstrittene Paragraph 52a des reformierten Urheberrechts Ende Mai in Kraft tritt: Das entsprechende Gesetz wurde im Bundestag mit breiter Mehrheit verabschiedet. "Trotz der Niederlage: Die Auseinandersetzung über das digitale Kopierprivileg für Hochschulen und Bildungseinrichtungen wird weitergehen. So hat der Börsenverein schon angekündigt, gegen die neue Vorschrift vor Gericht zu ziehen."

Buchmenschen, zückt den Kalender: Am 29. April um 22.15 Uhr läuft im ZDF die erste Folge von "Lesen!", der neuen Literatursendung mit Elke Heidenreich. Eine Probesendung mit Harald Schmidt wurde bereits gedreht. Ausgestrahlt wird jedoch nicht diese Probesendung, sondern eine Neuauflage derselben, die am 28. April in der Kölner Kinderoper aufgezeichnet wird.

Schließlich die Bestsellerlisten.