Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
29.04.2003. Diese Woche lesen Sie: Was nach der Übernahme des Berlin Verlags durch Bloomsbury aus der geplanten deutschen Bloomsbury-Filiale wird. Wer den Glauser bekommt. Wie eine US-Tochter von Random House dem Rechtsruck in den USA Rechnung trägt. Und warum die Literatur eine Vorzeigebranche ist. Von Hubertus Volmer.

buchreport.express

Die verlängerten Ladenschlusszeiten an Samstagen werden im Buchhandel unterschiedlich bewertet. Das hat ergab eine Umfrage des buchreport. "Während die Großen wie Thalia und Hugendubel (...) in den Innenstädten die Öffnungszeiten bis 20 Uhr wahrscheinlich ausschöpfen wollen, wird sich das Samstag-Finale bei kleineren Buchhändlern vermutlich bei 18 Uhr einpendeln, auch wenn viele von ihnen selbst bei dieser Verlängerung skeptisch sind." Höhere Umsätze erwarten die kleinen Buchhändler zumeist nicht, statt dessen Mehrkosten an Personal und Strom.

Der britische Harry-Potter-Verlag Bloomsbury hat den Berlin Verlag gekauft. Die Absicht, eine deutsche Dependance zu gründen, hat Bloomsbury zugleich aufgegeben. Das erste Belletristik- und Sachbuch-Programm der deutschen Bloomsbury-Tochter hätte bereits im Herbst erscheinen sollen. Für seinen Verlag erhält Berlin-Verleger Arnulf Conradi Bloomsbury-Aktien im Wert von 106.000 Euro. Er bleibt alleinverantwortlicher Verleger. "Die Entscheidung war ein Deal unter Freunden", so der buchreport. Conradi und Bloomsbury-Chef Nigel Newton seien seit langem befreundet; auch in ihren Verlagen gebe es "eine ungewöhnlich starke Übereinstimmung": Beide verlegen Nadine Gordimer und Margaret Atwood sowie einige gemeinsame Sachbuchautoren. Dorothee Grisebach, die bereits das deutsche Bloomsbury-Programm vorbereitet hatte, wird künftig "von München aus, jedoch in engem Kontakt mit Berlin, Bücher selbstständig einkaufen und bearbeiten". Die "Harry Potter" Bücher erscheinen allerdings weiter bei Carlsen.

Der diesjährige Friedrich-Glauser-Preis des Syndikats geht an den Schriftsteller Bernhard Jaumann. Er wird für seinen Roman "Saltimbocca" ausgezeichnet. Der Glauser gilt laut buchreport in der Krimi-Szene als "Gütesiegel mit Garantie".

Die Österreichische Post verkauft nicht nur Briefmarken, sondern seit neuestem auch Bücher, CDs und DVDs. Zumindest in St. Pölten. "Grund für die Entscheidung, in den Handel zu expandieren, ist der rückläufige Markt, verursacht durch neue Kommunikationsformen wie E-Mails. Weil die Österreichische Post das Potenzial ihres Filialnetzes (derzeit rund 1.670 Shops) mit z.T. hervorragenden Standorten nicht ungenutzt lassen will, soll nun ein Teil davon umgestaltet werden." Noch in diesem Jahr sind weitere 30 Standorte geplant. Insgesamt wäre das Konzept für rund 200 Filialen denkbar.

Die Crown Publishing Group, eine Tochter von Random House, "trägt den aktuellen politischen Strömungen in den USA Rechnung und baut ein Imprint auf, das ganz gezielt die politische Rechte im Land bedienen soll". Jährlich soll es etwa 15 Neuerscheinungen geben. "Crown-Verleger Steve Ross vergleicht den neuen Verlag vollmundig mit der Veröffentlichung von Terry McMillans "Waiting to Exhale", der afroamerikanische Literatur in den USA salonfähig gemacht hat."

Weitere Meldungen: Brockhaus plant für 2005 eine 30-bändige Enzyklopädie. Der Taschenbuchmarkt "stagniert und ist in Teilen sogar rückläufig", hat der buchreport ermittelt. Die Bayerische Beteiligungsgesellschaft ist mit einer Million Euro als stiller Teilhaber beim Verlag Zabert Sandmann eingestiegen; die BayBG ist ein Zusammenschluss von 40 bayerischen Banken und des Freistaates Bayern. Die Klett-Gruppe darf den Österreichischen Bundesverlag kaufen. Die Verleger fordern die Erhöhung der Kopier-Abgabe. Buch Habel hat seine Krefelder Filiale eröffnet; damit ist der Startschuss für einen voraussichtlich harten Verdrängungswettbewerb gefallen. Das Softwareunternehmen Binfos hat Insolvenz angemeldet, Produkte und Kundenservice sollen jedoch weitergeführt werden. Die Wirtschaftsprüfergesellschaft KPMG sagt voraus, dass bis 2005 fast jede dritte Insolvenz auf den Einzelhandel entfallen werde. JPC verstärkt sein Buch-Engagement. Libri.de und buchhandel.de haben ihre Auftritte gerelauncht (oder muss es regelauncht heißen?). Beim Börsenverein wird über einen Umzug innerhalb Frankfurts nachgedacht. Und die Aktionen zum "Welttag des Buches" haben sich nach Einschätzung des buchreport "im Kleinen" verloren (ein Hinweis nebenbei: Der Nachrichtensender n-tv hat zum Welttag einen Schreibwettbewerb für Schülerinnen und Schüler gestartet; mehr hier).

Schließlich die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Die Weka Holding und der Süddeutsche Verlag haben sich vor dem Augsburger Landgericht nicht einigen können; beide Unternehmen lehnten einen Vergleich ab. Weka fordert 76,3 Millionen Euro Schadenersatz vom Süddeutschen Verlag. Grund ist die geplatzte Übernahme von Weka durch die Münchner Verlagsgruppe. Zunächst wird jedoch über einen geringeren Betrag entschieden: "Aus dem Prozess war ein so genanntes Urkundsverfahren herausgelöst worden. Der Vorwurf von Weka: Der Süddeutsche Verlag habe eine Bürgschaft in Höhe des Kaufpreises von 157 Millionen Euro nicht gestellt; dadurch sei Weka ein Schaden von zehn Millionen Euro entstanden. Ob Weka diese Forderung durchsetzen kann, ist fraglich." Das Urteil wird für Mitte Mai erwartet; das Verfahren über die Hauptforderung beginnt am 1. Juli.

Thomas Wegmann, Literaturwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin und Projektleiter des unlängst eingestellten Lesefestivals Leipziger Literarischer Herbst, ärgert sich über die Rotstift-Politik in den Kulturressorts der Kommunen. "Nicht nur in Leipzig wird noch immer so getan, als sei Kultur ein lästiges Bettelweib und zu blöd, sich selbst zu erhalten. Erstens hat das nie gestimmt, und zweitens kommt keine nennenswerte Ansiedlung eines privatwirtschaftlichen Betriebs heutzutage ohne öffentliche Förderung zustande - von der Subventionierung älterer Branchen wie Kohle und Stahl oder Landwirtschaft ganz zu schweigen. Dagegen gibt etwa die Stadt Berlin volle 0,6 Prozent ihres gesamten Kulturhaushalts für Literatur aus - eine Summe, die andere Leute nicht mal als 'Peanuts' bezeichnen würden." Dabei könne sich Literaturvermittlung durchaus lohnen. Sie bringe Punkte in Sachen Image und Aufmerksamkeit. "Denn was hätte Berlin außer Kultur und Wissenschaft schon zu bieten? Eben, es gibt keine Jobs, die Stadt ist eine schlecht gemanagte Baustelle, und selbst Currywurst schmeckt im Ruhrgebiet besser." Literatur sei eine Vorzeigebranche: "Sie privatisiert das Risiko und kollektiviert den Gewinn."

Hilmar Hoffmann meint, die öffentliche Hand spare ihre Büchereien kaputt. "Wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten fällt in Deutschland das Büchereiwesen noch immer unter die gönnerisch gewährten Wohltaten. Was als 'freiwillige Leistung' der öffentlichen Hand deklariert wurde, kann auch verweigert werden. Rechtsweg ausgeschlossen. Damit schrumpft der Bibliotheksetat zur bloßen Verfügungsmasse."

Für Europas größten Shopping-Center-Betreiber ECE ist der Buchhandel ein wichtiger Publikumsmagnet, sagt Klaus Striebich, Vermietungs-Geschäftsführer bei der ECE, im Interview mit Hardy Haimann. Von einem Buch gehe "eine große 'greifbare' Faszination" aus. "Die Mehrheit der Buchhändler in unseren Centern hat auch im vergangenen Jahr Umsatzzuwächse verzeichnen können." Die ECE sehe 600 Quadratmeter als Mindestfläche für Buchhandlungen an. "Besser noch sind 800 Quadratmeter, aber wir könnten uns auch Buchhandlungen mit 3.000 Quadratmetern in einem Center vorstellen." Das Unternehmen biete auch eine spezielle Förderung für Existenzgründer an, "allerdings ist bisher noch kein angehender Buchhändler auf uns zugekommen, um sich mit seinem ersten eigenen Geschäft in einem unserer Center selbstständig zu machen. Aber wer weiß, vielleicht kommt das ja noch".

Weitere Meldungen: Die Bertelsmann AG hat in den USA Schuldverschreibungen in Höhe von 500 Millionen Dollar platziert. Rainer Sprehe hat in Bielefeld den Verlag Covadonga gegründet, der sich ausschließlich dem Radrennsport widmen soll. Der IT-Verlag Galileo Press hat beim Umsatz im ersten Quartal 2003 nach eigenen Angaben um 16 Prozent zugelegt. Die Berliner Zentral- und Landesbibliothek hat die 17.000 Bände der Arbeitsbibliothek des Schriftstellers Franz Fühmann erworben. Die Klett-Gruppe darf den Österreichischen Bundesverlag übernehmen; nach den österreichischen Kartellbehörden gab auch das deutsche Bundeskartellamt grünes Licht. Die Axel Springer Verlag AG hat sich umbenannt in Axel Springer AG. Vorerst ist der Konzern dennoch über die URL asv.de zu erreichen.

Außerdem erläutert Ulrich Hesse, dass das Geschäft für den Bahnhofsbuchhandel besser laufen könnte. Nils Kahlefendt berichtet, dass der Verlag Bertelsmann Lexika zu seinem 50-jährigen Bestehen einen Gestaltungswettbewerb an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur gestartet hat; der Siegerentwurf schmückt ein dreibändiges Lexikon. Simone Beutel erklärt, wie der Buchhandel Geld mit Videos und DVDs verdienen kann. Von Regine Meyer-Arlt erfahren wir, wie der Olms Verlag sich um die Konservierung vom Verfall bedrohter Schriften verdient macht. Und Volkhard Bode hat Axel Bedürftig, Gründer des ABW Wissenschaftsverlags, interviewt.

Ein Extra-Teil widmet sich kleineren, unabhängigen Verlagen: "Kleine Verlage, große Ideen".
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