Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
21.07.2003. In dieser Woche lesen Sie: Ob im Herbst der Preiskampf beginnt. Wie lange noch jeder schreiben kann, wie er will. Was für einen Charakter der Konsument hat. Was Buchhändler von Aldi und Tchibo lernen sollten. Und wer fast so unmerklich ironisch schreiben kann wie Nabokov. Von Sandra Evertz.

Börsenblatt

Die Frage nach dem "Charakter des Konsumten" beschäftigte die Teilnehmer der Internationalen Verlegerkonferenz in München. "Wer weiß, wonach sich der Kunde sehnt und was er fürchtet, hält den Schlüssel zum Erfolg in den Händen - sofern er sein Wissen umsetzt", schreibt Hendrik Markgraf im Börsenblatt. Die heutige "Generation Kuschel" suche Halt in Bindungs- und Interessengeflechten. "Damit verknüpft ist der Trend zur Reduktion von Vielfalt: eine Suche nach verzichtloser Einfachheit, nach Sicherheit und Berechenbarkeit im Umgang mit Produkten und Marken." Händler, die dem Bedürfnis nach Überschaubarkeit und Berechenbarkeit entgegen kommen, wurden in diesem Zusammenhang in München gelobt: Aldi und Tchibo. Der Internet-Buchhändler Amazon mache sich als Meister der Orientierungshilfe verdient.

Mit einer Nullrunde beim Umsatz rechnet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels für das laufende Jahr, berichtet das Börsenblatt von der Wirtschaftspressekonferenz in Frankfurt. "Die Hoffnungen ruhen auf der Übersetzung des fünften 'Harry Potter'-Bands, die am 8. November erscheint." Der Buchhandel stehe wesentlich besser da als andere Einzelhändler, wird Börsenvereins-Vorsteher Dieter Schormann zitiert. Eine positiv stimmende Nachricht: "Das Bücherlesen liegt in der Gunst der Deutschen ganz weit vorn; unter den 39 beliebtesten Freizeitbeschäftigungen nimmt es den achten Rang ein."

Künstler mit Tantiemen zu fördern, fordert der Salzburger Verlagsleiter Jochen Jung. Anlass seines Kommentars ist die vor der Sommerpause eingerichtete Enquetekommission des Bundestags, die eine Bestandsaufnahme der Kultur in Deutschland und ihrer Einrichtungen leisten soll. Nicht zuletzt werde es um die soziale Situation der Künstler gehen, sagt Jung. "Ein Blick ins Bücher- oder CD-Regal, ein Gang durchs Museum, und wir wissen, was uns die Kunst wert ist. Diesen Wert aber hat der produzierende Künstler in der Regel nie in barer Münze gesehen." Deshalb Jungs Appell in Bezug auf Bücher: Nicht das billigere, nicht das am meisten hochgejubelte, nicht das meistverkaufte Buch lesen, sondern einfach das bessere!

Auf zwei Seiten porträtiert wird der Autor Arthur Phillips, von Kritikern in seiner Heimat USA hochgelobt. Parallelen zu dessen Vorbild Vladimir Nabokov, etwa "Ironie am Rande der Unkenntlichkeit" und "psychologische Versteckspiele von verblüffender Reichweite", findet Uwe Ebbinghaus in Phillips erstem Roman "Prag", in Deutschland erschienen bei Schöffling.

Personalien: Katrin Gärtner, zurzeit Leiterin der Bertelsmann-Büros in Brüssel, wird ab September die Interessen ihres Konzerns in Berlin vertreten. Wolfgang Ferchl ist neuer Verleger von Piper in München und Bernd Busch neuer Geschäftsführer des Deutschen Literaturfonds in Darmstadt. Carla Meyer hat die Geschäftsführung des Verbands der Freien Lektorinnen und Lektoren in Frankfurt übernommen, Roland Neururer wurde als neuer zweiter Geschäftsführer des A. Korsch Verlags in Gliching berufen.

Weitere Meldungen: Der Bundesrat hat das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft gebilligt, die neuen Vorschriften treten nach Verkündung (voraussichtlich im August) in Kraft. Mit Blick auf den Erfolg des Originals erhöhte Carlsen die Startauflage von "Harry Potter V", bis zu 1,6 Millionen Exemplare werden im Herbst ausgeliefert. Der für September geplante Relaunch der Schweizer Kulturzeitschrift "du" wird voraussichtlich unter neuer Flagge stattfinden: Die Tamedia-Gruppe will die defizitäre Monatszeitschrift verkaufen, machte aber bisher keine Angaben zu Interessenten und dem anvisierten Kaufpreis. Der Wiener Fachverlag Linde will in Deutschland und der Schweiz Fuß fassen und startet im Herbst das neue Segment Linde International, das sich in die Programmlinien Wirtschaftssachbuch, -fachbuch und -ratgeber gliedert. "Gerade jetzt, wenn der Wirtschaftswind rauer weht, ist kompetenter Rat besonders wichtig", begründet die Linde-Pressesprecherin den Vorstoß.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

"Beginnt im Herbst der Preiskampf?" fragt der Buchreport auf seinem Titel und wittert bevorstehende "Niedrigpreisofferten gegen Kaufverweigerung". Preisbindungsschlupflöcher seien die altbekannten fremdsprachigen Originalausgaben, Clubausgaben, Hörbücher und Kalender. Der Internet-Auktionator eBay entwickle sich außerdem zur Konkurrenz für das Sortiment. "Der Börsenverein und Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfells erwischen etwa pro Woche einen Preissünder. Wie viele schwarze Schafe sich allerdings auf der Plattform tummeln, weiß niemand."

"Fünf Jahre, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Rechtschreibreform für rechtmäßig erklärt hat, herrscht in den Verlagen weiter Uneinheitlichkeit", bemerkt der Buchreport. Gegner der Reform sind beispielsweise Grass, Enzensberger, Walser und Rühmkorf, die weiter nach "altem Gusto" schreiben. Nur im Kinder- und Jugendbereich seien die Verlage zunehmend auf einer einheitlichen, der neuen ortografischen Linie. Ab August 2005 ist die neue Rechtschreibung für Schüler und Behörden verbindlich, "Schriftsteller können jedoch auch dann noch weiterschreiben, wie sie wollen."

Zugriff auf 50.000 religiöse Bücher und Medien haben Nutzer des neuen Internet-Portals buchreligion.de, eingerichtet von der evangelischen und der katholischen Kirche sowie ihrer Medienverbände. Direkt beteiligt sind bisher 137 konfessionelle Verlage. Kunden hätten - im Verbund mit rund 250 Buchhandlungen - die Möglichkeit, Bücher online bestellen und sie sich dann nach Hause oder in ihre Buchhandlung bringen lassen, berichtet der Buchreport. "Karlheinz Kern, Vorsitzender der Vereinigung Evangelischer Buchhändler und Verleger, erhofft sich von dem neuen Portal auch eine Stärkung des stationären Buchhandels. Es soll die Reichweite der einzelnen Buchhandlungen verstärken, also nicht in Konkurrenz mit ihnen gehen."

Ab dem 4. August wird ebookportal.de online sein. Hier können User "das Angebot der wichtigsten E-Shops durchforsten. Nach Angaben von Initiator Hans Kreuzfeldt ist das Portal das Erste, das als eine Art Meta-Suchmaschine nahezu den gesamten Bestand deutschsprachiger E-Books erfasst."

Und Andrea Czepek sieht in ihrem Kommentar zum Fachbuchhandel "noch immer Raum für Expanisonen."

Weitere Meldungen: Die geplante Gewerbesteuerpflicht sorgt bei Freiberuflern für Unruhe, trifft aber nur die "Spitzenschreiber". Der Freibetrag liegt derzeit bei 24.500 Euro. Oprah Winfrey verkauft wieder Bücher und der US-Buchmarkt dankt es ihr. Das Markenbewusstsein der Deutschen schwindet nach der aktuellen "Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2003". Beim Spracherwerb von Kleinkindern sind elektronische Medien wirkungslos.

Und schließlich: die Bestsellerlisten.