Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
16.02.2004. Diese Woche lesen Sie: Welche Autoren sich Günter Berg für Hoffmann und Campe wünscht. Wie die Verlagsvertreter ihre Frühjahrsreise beurteilen. Welche Synergien Bonnier im Blick hat. Von Sandra Evertz.

BuchMarkt

"Cupido" fährt Bahn. Der Gerichtsthriller von Jilliane Hoffman (bei Wunderlich) ist das erste Buch, das unter dem Motto "Die Buchpremiere des Monats" mit Fernzügen (ICE, EC und IC) in 500.000-facher Anzahl unterwegs ist. Die Deutsche Bahn plane eine langfristige Kooperation mit den Holtzbrinck-Publikumsverlagen S. Fischer, Rowohlt, KiWi und Droemer Knaur, meldet der BuchMarkt. Leider gibt es eine Einschränkung, denn natürlich liegen keine halbe Million Bücher in den Bahnen aus: Ausführliche, exklusive Leseproben der Buchpremieren seien im Kundenmagazin der Bahn abgedruckt, angereichert mit Autoreninterviews, Hintergrundberichten und Gewinnspielen.

Genaue, selbstbewusste, erfolgreiche und ein bisschen geheimnisvolle Autoren - die wünscht sich Günter Berg (Suhrkamp) für seine neue Aufgabe als Programmchef bei Hoffmann & Campe. Er sei überzeugt, dass ein unternehmergeführtes Haus die besten Chancen habe, am Markt zu bestehen, erzählte er im BuchMarkt-Interview. Gründe dafür seien kurze Wege, schlanke Organisationsstrukturen und die Nähe aller wesentlichen Kollegen zum Kern der Arbeit, zum Programm.

Zum 22. Mal hat der Buchhandel die besten Verlage, Bücher und Autoren des vergangenen Jahres gewählt, zum zweiten Mal elektronisch über das BuchMarkt-Panel. Mit großem Vorsprung wurde Diogenes "Verlag des Jahres 2003", vor Rowohlt und Piper, die sich mit gleicher Punktzahl den zweiten Platz teilen. Joanne K. Rowling und "Harry Potter und der Orden des Phönix" sicherten sich die ersten Plätze in den Kategorien "Buch des Jahres" (es überwogen die Kriterien - wer hätte es gedacht? - "Umsatz" und "Medienpräsenz") und "Autor des Jahres". Auf die zweiten Plätze kamen Carlos Ruiz Zafon und "Der Schatten des Windes", gefolgt von Michael Moore und "Stupid White Men" auf den dritten Rängen.

50 Jahre Diogenesgeschichte hat Daniel Kampa auf fast 1000 Seiten in der illustrierten Diogenes-Verlagschronik dokumentiert. Um das Ganze nicht als Selbstbeweihräucherung ausarten zu lassen, würden neben Erfolgen auch Misserfolge erwähnt, "Diogenes stand immerhin dreimal kurz vor der Pleite", berichtet der Chronist dem BuchMarkt. Kampa selbst arbeitet seit zehn Jahren im Verlag, in den er mit 17 Jahren über einen wütenden (ihm heute peinlichen) Protestbrief gekommen sei, worin er die neue Covergestaltung der Taschenbücher kritisiert hätte.
Archiv: BuchMarkt

buchreport.express

Gedämpft optimistisch geben sich die Verlagsvertreter nach ihrer Frühjahrsreise. Insgesamt schlage sich die leicht verbesserte Grundstimmung im Sortiment bei den meisten Verlagen nur zögerlich auf den Einkauf durch. Einer Vertriebsleiter-Umfrage zufolge beurteilten 30 Prozent der Verlage die Ergebnisse der Vertreterreise als "gut", zehn Prozent als "enttäuschend", teilweise sogar "entmutigend", und fünf Prozent als "schwierig". Der Gewinner im Buchhandel, konstatiert der Buchreport, scheine einmal mehr das Hörbuch zu sein. Hier ist der Vertrieb durchweg "zufrieden".

In den USA bringt der erste große Publikumsverlag seine Bücher direkt an den Endverbraucher - und die ganze Branche schaut hin. Verhalten habe Penguin Putnam den Direktverkauf gestartet, Bücher würden vorerst zum empfohlenen Ladenpreis plus Porto verschickt, berichtet der Buchreport. Vornehmlich unabhängige US-Buchhändler seien frustriert und angespannt, fürchteten, dass Penguin Vorreiter für einen neuen Trend sein könnte. "In Deutschland steht das Gros der Verlage zum Buchhandel. Vor allem Publikumsverlage (Hanser, Suhrkamp) verweisen an örtliche Sortimenter."

Die Süddeutsche Zeitung bastelt im stillen Kämmerlein an ihrer 50-bändigen Klassiker-Reihe (siehe auch Archiv). "Während sich die SZ von der durch aufwändige Werbemaßnahmen flankierten Aktion eine Auflagensteigerung sowie zusätzliche Einnahmen durch den Buchverkauf verspricht, droht den Taschenbuchverlagen das Gegenteil", erklärt der Buchreport. Fest stehe der konkurrenzlos günstige Preis von 4,90 Euro pro Titel und, dass jeweils zehn Titel von Suhrkamp, Hanser und Diogenes dabei seien. Gerüchteweise will die Süddeutsche am 20. März mit Kunderas "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" loslegen.

Verbrechen zahlen sich aus, meint Rainer Uebelhöde und räumt dem Krimi in seinem Buchreport-Kommentar neue Chancen ein. Das Genre habe lange unter einem Schmuddelkind-Image gelitten. Mittlerweile animiere der ständig wachsende Markt, abseits der herausgeschleuderten Massenware, zunehmend literarische Autoren (etwa Thomas Hettche, Thea Dorn, Matthias Altenburg). Diese könnten dem Krimigenre, "das im puren Overkill der zumeist mit Lizenzen aus dem angelsächsischen Sprachraum gespeisten Novitätenflut lange Zeit in der Beliebigkeit unterzugehen drohte, neuen Glanz verleihen."

Elke Heidenreich ist mit ihrer "Lesen!"-Sendung (ZDF) weiterhin Spitzenreiterin der Büchermagazine - zuletzt verbuchte sie eine Einschaltquote von 1,68 Millionen Zuschauern (7,7 Prozent Marktanteil). "Lesen!" soll in 2004 insgesamt sechs Mal über die Fernsehschirme laufen.

Personalien: Suhrkamp hat eine der einflussreichsten und anspruchsvollsten Positionen des Literaturbetriebs neu besetzt: Vier Wochen nachdem Thorsten Ahrend seine Stelle als Lektoratsleiter "Neue Deutsche Literatur" gekündigt hat, wurde mit Charlotte Brombach eine Nachfolgerin aus dem eigenen Nachwuchs rekrutiert.

Meldungen: Die britische Polizei hegt den Verdacht, dass Elaine Hawking ihren Ehemann, den an den Rollstuhl gebundenen Wissenschaftler und Autor Stephen Hawking, misshandelt hat - das Paar schweigt sich aus. Der spanische Autor Arturo Perez-Reverte wird in seiner Heimat vom Vorwurf des Plagiats freigesprochen. Andre Rettberg, ehemaliger Chef der 2002 Konkurs gegangenen Libro AG (Österreich) und "Manager des Jahres 1999", ist untergetaucht. Ihm wird vorgeworfen, fünf Millionen Euro veruntreut zu haben. "Harry Potter" rutscht auf der Belletristik-Bestsellerliste wieder einen Platz nach unten - wer es diesmal überraschenderweise auf den zweiten Platz schafft und die anderen Platzierungen: hier.

Börsenblatt

Die neue Rechtschreibung wird bis August 2005 erneut modifiziert - so sieht's nach ersten Gesprächen der Kultusministerkonferenz aus. Die endgültige Abstimmung ist im März (siehe auch Archiv). "Eine zweite Rechtschreibreform (und sei es eine schleichende) ist den Kinder- und Jugendbuchverlagen nicht zuzumuten", klagt Beltz-Verleger Ulrich Störiko-Blume auf der Meinungsseite des Börsenblatts. Selbiges gelte für die Schulbuchverlage, die ebenfalls Bücher neu setzen müssten. "Geradezu unseriös ist die immer wieder aufgewärmte Legende, dergemäß ?die Verlage' eine Art permanenter Rechtschreibrevolution befürworten, weil sie daran verdienten", ärgert sich Störiko-Blume.

Kaum ist Ullstein Econ List unter dem Dach von Bonnier und der schwedische Medienkonzern drittgrößte Kraft am deutschen Buchmarkt, denkt Geschäftsführer Viktor Niemann im Börsenblatt laut über Synergien nach. Zwar sollten die Verlage so viel Spielraum wie möglich haben, an verschiedenen Standorten selbstständig agieren und auch ein gemeinsamer Vertrieb komme nicht in Frage, doch würden Teile der Verwaltung künftig zentral angesiedelt und die Verlage nur noch mit einer Auslieferung zusammenarbeiten. Ebenso sei denkbar, sich, was die Druckereien betreffe, zusammenzutun.

Leipziger Buchmesse-Splitter: Rund vier Prozent Ausstellerzuwachs nach den Erwartungen von Buchmesse-Chef Oliver Zille. Erstmals mitwirkend beim Programm: das Kuratorium Haus des Buches (Leipzig) und Der Spiegel. Der ungenierteste Autor, der sich zum Signieren seines "Tagebuchs" angekündigt hat: Altkanzler Kohl. Etwa 1.200 weitere Veranstaltungen im Rahmen des parallel zur Messe laufenden Lesefestivals "Leipzig liest", ein Novum: Live-Performances beim Hörbuch. Hier alle Termine und Teilnehmer.

Die Buchbranche hat sich im Januar erneut gegen den Abwärtstrend im Einzelhandel gestemmt, ein zweistelliges Plus im Vergleich zum Vorjahresmonat konnten die Hörbücher verbuchen. Ausführlichere Informationen verschickt der Börsenverein monatlich im E-Mail-Newsletter "Branchen-Monitor Buch".

Personalien: Peter Handke wird mit dem ersten, mit 50.000 Euro dotierten Siegfried Unseld-Preis ausgezeichnet. Geehrt werde ein literarischer Nomade, heißt es in der Begründung der Stiftung. Weitere Personalien aus der Buchbranche.

Meldungen: "Literatur & Musik" ist das Motto der Internationalen Frühjahrsbuchwoche, die vom 7. bis zum 15. März in München stattfindet (mehr). Nachdem das Bundeskartellamt Holtzbrinck die Übernahme des Berliner Verlags (u. a. Berliner Zeitung) untersagt hat, legt die Verlagsgruppe Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein.
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