Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
03.05.2004. In dieser Woche lesen Sie: dass der Trend zum "Buchhandel light" anhält. Und dass die EU-Osterweiterung auch die Buchbranche erweitern könnte. von Sandra Evertz

Börsenblatt

Der Trend zum "Buchhandel light" hält an. "Während die Umsätze des traditionellen Buchhandels stagnieren oder zurückgehen, erleben Boulevard-Buchhandlungen und MA-Spezialisten einen erstaunlichen Aufschwung", heißt es im "Thema der Woche" des Börsenblatts. Über Umsatzsprünge hätten sich im vorigen Jahr Weltbildplus, Weltbild-Tochter Jokers mit ihren stationären Discountern und die Wohlthat'sche Buchhandlung freuen können. Das Konzept einer "klaren Vorselektion", um so dem Kunden Orientierung zu geben, ein Schwerpunkt auf Schnäppchen, Sonderausgaben und Bestsellern, sowie die Vermischung von MA-Titeln mit preisgebundenen Büchern, scheint bei der Zielgruppe aufzugehen. Sorgen bereitet der Light-Buchhandel vor allem kleinen Sortimentern, aber auch den Bahnhofsbuchhändlern.

Unterschiedlicher Meinung sind Börsenvereinsvorsteher Dieter Schormann und der Vorsitzende des Sortimenter-Ausschusses im Börsenverein, Rudolph Braun-Elwert, in der Ladenschluss-Debatte. Wirtschaftsminister Clement hatte letzte Woche laut über die Abschaffung aller Vorschriften zu den Ladenöffnungszeiten an Werktagen nachgedacht. "Denken die Politiker dabei auch an diejenigen, die die langen Öffnungszeiten umsetzen müssen?" fragt Braun-Elwert kritisch. Vor allem kleinere Sortimente, die ihre Personalkapazitäten kaum noch ausweiten können, befürchteten eine Kaufkraftverschiebung zugunsten großer Filialen. Schormann findet es grundsätzlich richtig, dass Unternehmen selbst entscheiden können, wann und wie lange sie offen haben. (Der Buchreport hat herausgefunden, dass bereits in zehn EU-Ländern kein Ladenschluss an Werktagen vorgeschrieben ist).

Stumpfe Jobs machen kreativ und verhelfen zu Bestsellern und Auszeichnungen. Zumindest im Fall von Christiane Scherer, die sich - warum auch immer - in Anlehnung an Theodor W. Adorno Thea Dorn nennt. Vor zehn Jahren, als Hilfskraft an der Uni, sei ihr die Idee für ihren ersten Krimi gekommen, erzählte die Autorin und Moderatorin des SWR-Büchertalks dem Börsenblatt. Während sie damals stundenlang am Kopierer gestanden hätte, immerfort auf die braunen Postfächer an der Wand starrend, habe sie sich irgendwann gefragt, was geschähe, wenn in diesen Fächern nicht Briefe und Päckchen, sondern ausnahmsweise einmal ein zerteilter Professor läge: von kundiger Hand filetiert, in Gefrierbeutel verpackt.

Hohe Wachstumsraten
bei Amazon. Was die Zahlen für Deutschland allein angeht, hält sich der weltweit größte Online-Buchhändler stets bedeckt. Amazon.com vermeldet für das erste Quartal dieses Jahres einen Umsatz von ca. 1,5 Milliarden Dollar. Der Gewinn lag bei 111 Millionen Dollar, gegenüber einem Minus von zehn Millionen Dollar im Vorjahr. Im Auslandsgeschäft (Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan) stieg der Umsatz in den ersten drei Monaten 2004 um 80 Prozent auf 684 Millionen Dollar.

Der Europa Verlag, durch die Insolvenz des Mutterkonzerns, Senator Entertainment AG, ins Schlittern geraten, hat einen neuen Gesellschafter gefunden. Arne Teutsch, Gesellschafter von Altberliner, Baumhaus, BuchVerlag für die Frau, Leiv und "Eselsohr", wird mit 51 Prozent Mehrheitsgesellschafter und kaufmännischer Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens. Vito von Eichborn hält 49 Prozent an "Europa" und bleibt verlegerischer Geschäftsführer. Teutsch verspricht sich durch Synergien in Zusammenhang mit seinen anderen Verlagen Kostenersparnisse in den Bereichen Herstellung, Vertrieb, Marketing und Verwaltung, erklärte er im Börsenblatt-Interview.

Personalien: Job-Rotation bei den neuen Bonnier-Verlagen: Michael Neher, zurzeit Programmchef bei der DVA, wird spätestens zum 1. Oktober Leiter der Verlage Ullstein und Propyläen in Berlin. Hartmut Jedicke ist seit 1. Mai Geschäftsführer der Ullstein Buchverlage, ebenfalls an der Spree. Das neue Führungstrio bei Piper in München bilden Hans-Joachim Hartmann (kaufmännische Leitung), Wolfgang Ferchl (Programm) und Christa Beiling (Marketing). Weitere Personalien aus der Buchbranche.

Meldungen: Heidelberg ist die Stadt mit der größten Buchhandelsdichte in Deutschland - 3510 Leser müssen sich hier eine Buchhandlung teilen. Der Bibliotheksverband BIB hat mit www.bibliothekssterben.de (hier) eine eigene Internet-Seite ins Netz gestellt, um geschlossene und gefährdete Einrichtungen zeitnah zu erfassen. Morgen startet der Wettbewerb "Das schönste deutsche Wort" des Deutschen Sprachrats - bis zum 1. August können Vorschläge (mehr) eingereicht werden.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Die EU-Osterweiterung könnte zur Internationalisierung der Buchmärkte beitragen, prognostiziert der Buchreport vorsichtig. Darauf setzen vor allem deutsche Schulbuch- und Sprachenverlage, das hoffen aber auch Fach- wie Publikumsverlage, deren Exporte in die Beitrittsländer bisher nur marginal gewesen sind (Gesamtvolumen des Exports in 2003: unter 50 Millionen Euro). Ihre Fühler gen Osten ausgestreckt haben bereits der Bertelsmann Club mit Ablegern in Tschechien und der Slowakei und Versender Weltbild, der nach seiner deutschen Geschäftsphilosophie rund eine halbe Million Kataloge in Polen verschickt.

Zeitgenössische Literaten aus den großen Beitrittsländern, etwa der Ungar Peter Esterhazy oder der Tscheche Pavel Kohout, werden in den deutschen Feuilletons geschätzt. Auf den Bestsellerlisten seien sie aber, bemerkt der Buchreport, seltene Zaungäste. Seit 1999 hätten es nur vier Titel von Autoren aus den EU-Neulingen in die Jahresrankings geschafft, am besten habe sich die Autobiografie des polnischen Juden Roma Ligocka, "Das Mädchen im roten Mantel" (Droemer), platziert (Rang 42).

Preisbindung
ist für das Gros der neuen EU-Staaten ein Fremdwort, nur in Ungarn gelten feste Preise für Bücher. In Deutschland werden Preisbindungsverstöße immer geschickter getarnt, deckt der Buchreport auf. Ein Blick auf den Marktplatz Ebay offenbare tausende Auktionen, bei denen Bücher als "ungelesen", nicht jedoch als "neu" bezeichnet würden. Kein Wunder, dass die Zahl der Verstöße bei Ebay, wie Rechtsanwalt Dr. Christian Russ feststellt, abnimmt. Nicht auszuschließen ist nämlich, dass sie schlicht unentdeckt bleiben.

Genervt ist der Buchreport vom Börsenverein, der die Aktion "Leseköpfe" (zur Erinnerung: mehr) zum Welttag des Buches, als "vollen Erfolg" gerühmt hat: "Mittlerweile wird es langweilig, immer wieder auf das nächste Jahr zu hoffen und schließlich doch nur zu registrieren, dass außer Selbstlob der Frankfurter Kreativen kein Ergebnis zu registrieren ist." Statt der betonierten Leseköpfe müssten kluge Köpfe her, die neue Ideen realisierten. Vorbildlich seien in dieser Hinsicht die Organisatoren der lit.Cologne.

Wer keine Lust mehr hat, die Wochen des Stillstandes auf der Spiegel-Bestsellerliste Hardcover Belletristik zu zählen, der sei auf nächste Woche vertröstet. Der neue Commissario Brunetti-Roman von Donna Leon, eingestiegen auf Platz 46, wird sich in der kommenden Woche "wesentlich weiter oben" platzieren, glaubt der Buchreport. Welche Titel derzeit noch auf den ersten Rängen mauern, hier.