Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
10.05.2004. In dieser Woche: Buchreport-Magazin bringt eine ausführliche Recherche zur Lage des Taschenbuchs, die misslich ist. Laut Börsenblatt sind die Verlagsumsätze 2003 so gut wie nicht gestiegen. Laut Buchreport kocht die Branche personalpolitisch im eigenen Saft. Von Sandra Evertz

buchreport.magazin

Fakt 1: Publikumsverlage können mit ihren Hardcover-Produktionen nur überleben, wenn sie die Erfolge der gebundenen Bücher mit einer Zweitverwertung als Taschenbuch krönen. Für diese "Binsenweisheit" hätte Bertelsmann-Tochter Random House bei der Zerschlagung des ursprünglichen Konglomerats Ullstein Heyne List im vergangenen Jahr sogar kostspielige Zugeständnisse gemacht, erinnert sich der Buchreport. (Heyne ging an Bertelsmann, die anderen Verlage an Bonnier - die Bertelsmänner sind nun mit großem Abstand führend auf dem Taschenbuchsektor.) Fakt 2: Nur Optimisten sehen das Taschenbuch weiterhin als Wachstumsfeld der Branche. In 2003 seien die Umsätze der größten Taschenbuchverlage zwar wieder leicht gestiegen, ist das Ergebnis einer groß angelegten Marktanalyse des Buchreports, demgegenüber habe es aber rund 500 Titel weniger als im Vorjahr gegeben. Der Schluss liegt nahe, dass die gestiegenen Umätze hauptsächlich auf einer Erhöhung der Ladenpreise beruhen.

Ein paar Zahlen vom deutschen Taschenbuchmarkt 2003: Die Zahl der Novitäten sank um 7,82 Prozent auf 5637 Titel. DTV war mit 505 Titeln der Verlag mit den meisten Neuerscheinungen. Die Random House-Verlagsgruppe (inklusive Heyne) erzielte mit 174,9 Millionen Euro den größten Umsatz. Goldmann hatte die meisten Nummer 1-Titel in der Gong-Bestsellerliste. Suhrkamp verfügte mit 5240 Titeln über die größte Backlist. Ein Roman kostete durchschnittlich 8,42 Euro, ein Sachbuch 10,43 Euro.

"Literatur light" ist im Kommen. Schüler und Lehrer scheinen nur darauf gewartet zu haben. Nachdem der Cornelsen Verlag mit der Reihe "...einfach klassisch" den Kanon der literarischen Klassiker orthografisch und stilistisch auf den Stand der Zeit gebracht hat, wird seit vergangenem Jahr in dem von zwei Ex-Bild-Journalisten gegründeten "Moderne Zeiten"-Verlag alten Schinken ein Relaunch (hier ein Überblick des aktuellen Angebots) verpasst. Erfolgreich, denn vom ersten Band der "klassik modern"-Reihe, "Die Räuber", verkauften "Moderne Zeiten"-Macher Thomas Kuehn und Jochen Dersch innerhalb weniger Monate die Startauflage von 10.000 Exemplaren. Sprachwissenschaftler sehen rot: "Angebote zur Bequemlichkeit machen den Kopf simpel und dumm", warnt ein Bonner Germanist im Buchreport.

Ein neues literarisches Genre kristallisiert sich - an Verlagen und am stationären Buchhandel vorbei - mit den so genannten Weblogs heraus. In den Internet-Logbüchern findet eine "Literarisierung der unmittelbaren Gegenwart" statt, auf die ein "weltweites Lesepublikum, unabhängig von Auflagenhöhen, Werbeinvestitionen oder Geschmacksvorlieben des Buchhandels zugreifen kann", beschreibt der Buchreport. Buchverlage unterschätzten die Konkurrenz aus dem Internet, erklärt ein Autor mit Pseudonym Don Alphonso. "Die klassische Buchwerbung und Rezensionen kommen heute bei jungen Lesern nicht mehr an. (...) Zehntausende schreiben sich im Web einen Wolf, Zigtausende lesen das. Es gibt also einen Bedarf, einen Markt - aber die Verlage, Lektoren und Agenten sind zu dumm, zu arrogant, zu faul, sich damit zu beschäftigen." Autoren, die im Internet schreiben, sind unter anderem Else Buschheuer (mehr), Neil Gaiman (mehr), Alban Nikolai Herbst (mehr) und Ingo Niermann (mehr).

Dass Autoren Entscheidungsträger ihres Verlages sind, gibt's nicht oft. Ein Beispiel ist Schöffling in Frankfurt: Dort bildet die Autorenschaft eine "aktive Community", die an wichtigen Verlagsentscheidungen beteiligt und aus der heraus der Nachwuchs gefördert wird. Verleger Klaus Schöffling fährt gut damit. Burkhard Spinnen habe ihn auf Juli Zeh und Franziska Gerstenberg aufmerksam gemacht, Inka Parei sei eine Empfehlung von Katja Lange-Müller gewesen, erzählte Schöffling dem Buchreport. Bisher habe ihm kein anderer Verlag einen deutschen Autoren abgeworben, freut er sich. Literarischen Nachwuchs zu halten und die Kontinuität eines Werkes zu begründen sei eine Kunst.

Börsenblatt

Die Verlagsumsätze sind in 2003 im Vergleich zum Vorjahr um "nur" 1,1 Prozent (2002: minus 2,8 Prozent) gesunken. Das geht aus einer Umfrage des Börsenvereins hervor, an der sich 458 Verlage beteiligt haben. Um Umsatzausfälle wettzumachen, hätten die Verlage die Kostenschraube angezogen: Die beiden größten Kostenblöcke, Herstellung und Personal, wurden jeweils um rund drei Prozent zurückgefahren. Autoren hätten sich über mehr Geld freuen dürfen: Knapp sechs Prozent gaben die Verlage mehr für Honorare aus. In die Zukunft blicken die befragten Verlage optimistisch. Für 2004 erwarten 35 Prozent eine Umsatzsteigerung und 50 Prozent stagnierende Erlöse.

Der Konflikt um Parallelausgaben (siehe Archiv) mit dem Bertelsmann Club ist - im Prinzip - beigelegt. "Vertreter des Börsenvereins und des Clubs haben sich nach einer Reihe von Gesprächen auf einen Kompromiss geeinigt, der in der Anerkennung des Potsdamer Abkommens besteht. Dieses wird im Sinne der alten Regelung fortgeschrieben", schreibt das Börsenblatt. Die Eckdaten des Kompromisses: Mindestabstand zwischen Originalausgabe und Erstankündigungstag beim Buchclub: vier statt bislang sechs Monate, Preisdifferenz: maximal 15 Prozent. Eine Ausnahme sind Bücher, die sich auf kurzfristig anstehende, öffentliche Termine wie die Fußball-WM beziehen. Der Club verpflichtet sich, keine vergleichende Werbung mehr in der Öffentlichkeit zu schalten. Das modifizierte Abkommen soll zehn Jahre gelten. Hier der vollständige Artikel.

Zahlreiche Bücher hat Volk & Welt, zu DDR-Zeiten ein Synonym für internationale Literatur, noch nach der Wende herausgebracht. 2001 war der Verlag dann wirtschaftlich endgültig am Ende, wurde von Random House aufgekauft und inkorporiert, der Verlagsname gelöscht. Verleger Klaus G. Saur preist im Börsenblatt begeistert die jüngst erschienene Dokumentation der Verlagsgeschichte von Volk & Welt, "Fenster zur Welt" (Ch. Links) an: "Allen Buchliebhabern, Verlegern und Buchhändlern ist sie uneingeschränkt zu empfehlen." Es gebe, so Saur, keinen besseren und keinen schöneren Beitrag zur Geschichte des DDR-Verlagswesens oder zu Geschichte der internationalen Literatur der vergangenen 50 Jahre.

Der Verleger-Ausschuss kritisiert Amazon. Anstoß nehmen die Verleger an der "Search inside the book"-Funktion, die dem Unternehmen durch die Weitergabe von Texten einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffe.

Personalien aus der Buchbranche.

Meldungen: Seit der umstrittenen Verschiebung der sonntäglichen ARD-Kulturmagazine auf 23 Uhr, schalten ein Drittel weniger Zuschauer ein. Trotz der Verkürzung der Frankfurter Buchmesse, die dieses Jahr bereits am Sonntag schließt, soll der Buchverkauf am letzten Ausstellertag beibehalten werden. Die USA exportierten in 2003 Bücher im Wert von 28,7 Millionen Euro nach Deutschland, das sind 17,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Berliner Parthas Verlag bietet ab Herbst neben Sachbüchern auch belletristische Titel an. Die Genossenschaft eBuch steigt in den Zwischenbuchhandel ein und legt ein eigenes Zentrallager mit Vollsortiment an - bisher planen 30 Mitgliedsbuchhandlungen, sich an dem Projekt beteiligen.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Bei der Besetzung von Spitzenpositionen kocht die Branche weiterhin im eigenen Saft. Als Grund nennt der Buchreport die kritische wirtschaftliche Lage, in der selbst die großen Unternehmen keine Risiken eingehen wollten. Die Buchbranche lasse auf Grund der Preisbindung selbst für findige Köpfe wenig Spielraum bei der Umsetzung revolutionärer Konzepte. Außerdem biete die Branche, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum finanzelle Anreize für wechselwillige Manager.

Schweren Zeiten sehen die Bahnhofsbuchhändler entgegen. "Die Umsätze sind in 2003 um 3,5 Prozent zurückgegangen, in absoluten Zahlen fehten damit an den Kassen rund vier Millionen Kunden", berichtete Götz Grauert, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Bahnhofsbuchhändler, dem Buchreport. Rund 70 Prozent des Umsatzes werden in den Bahnhöfen derzeit mit Presseprodukten erwirtschaftet, Bücher steuern 25 Prozent bei. Um den Herausforderungen des schwierigen Marktes zu begegnen, beschlossen die Bahnhofsbuchhändler, sich "noch deutlicher als beste Pressefachverkaufsstellen zu profilieren."

Der erste Schritt zu einer erheblichen Vereinfachung der Bibliothekenausleihe ist getan. Nach dem Vorbild US-amerikanischer Bibliotheken hat die Unibibliothek München in dieser Woche begonnen, elektronische Bücher über das Internet zu verleihen. In Kooperation mit ciando.de, Deutschlands größtem E-Book-Händler, biete die Bibliothek rund 600 Fachbuch-Titel an, die in einem kopiergeschützten PDF-Format heruntergeladen und mit eier Leihfrist von sieben Tagen gelesen werden könnten, berichtet der Buchreport.

Neues vom US-Buchmarkt: Der Second-Hand-Buchhandel boomt in den Staaten, rund 14 Prozent aller verkauften Bücher sind dort mittlerweile gebraucht. Dabei floriere der Markt beim Online-Händler Amazon ebenso wie im stationären Buchhandel. Im Wahljahr sind Anti-Bush-Bücher der Renner - aktueller Star ist Bob Woodward, dessen "Plan of Attack" (erscheint in Deutschland Ende Juli) aus dem Stand an die Spitze der US-Bestsellerlisten geschossen ist.

Meldungen: Der Buchhandelsumsatz stieg laut buchreport-Umsatztrend im April um plus 1,68 Prozent. In der buchreport-Warengruppenstatistik sind haben die Romane auf dem ersten Rang zu alter Stärke zurückgefunden (mehr). Der per Haftbefehl gesuchte und weiterhin untergetauchte Ex-Libro-AG-Vorstand Andre Rettberg soll gemeinsam mit dem ehemaligen Mitvorstand Johann Knöbl fünf Millionen Euro Schadenersatz für das in den Konkurs gebrachte Unternehmen zahlen. Oetinger kauft den internationalen Lizenzknüller "Die Kinder des Tschinn", das Kinderbuch-Debüt des britischen Autors Philip Kerr - 1,7 Millionen US-Dollar waren dem amerikanischen Verlag die englischsprachigen Rechte wert, über Zahlen aus Deutschland wird geschwiegen. Zum Schluss: die Spiegel-Bestsellerlisten.