Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
21.06.2004. Diese Woche lesen Sie: wer der Kunde der Zukunft ist, welche Verlage das beste Herbstprogramm haben, wohin Thorsten Ahrend von Suhrkamp geht. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Auch Privatpersonen, die regelmäßig neue Bücher im Internet anbieten, müssen sich an das Preisbindungsgesetz halten. Diese kürzlich vom Oberlandesgericht Frankfurt getroffene Entscheidung wird unter anderem den Buchhandel über Ebay verändern. Börsenvereinsvorsteher Dieter Schormann begrüßte das Urteil, sprach gegenüber dem Börsenblatt von einem "guten und wichtigen Tag für den deutschen Buchhandel". Jetzt sei klargestellt, dass das Internet beim Verkauf von Büchern kein rechtsfreier Raum sei. Rechtsanwalt Christian Russ glaubt, dass neue Bücher nun vorsichtiger über Internet-Marktplätze angeboten werden.

Ein weiteres Urteil mit weitreichenden Folgen für die Buchbranche fällte das Landgericht Hannover: Das Land Niedersachsen darf keine Rabatte bei Schulbuchsammelbestellungen fordern. Thomas Wrensch, Vorsitzender des LV Niedersachsen des Börsenvereins, will bei Buchhandlungen, die gegen das Verbot der Nachlassgewährung verstoßen, Regressansprüche geltend machen. Er vermutet, dass das Land durch weitere gerichtliche Instanzen gehen wird.

Nordkorea beteiligt sich möglicherweise - trotz problematischer politischer Situation - am Gastlandauftritt Korea 2005 der Frankfurter Buchmesse. Buchmessedirektor Volker Neumann und sein Stellvertreter Holger Ehling stellten die Weichen für eine Teilnahme; bei einem Besuch in Pjöngjang führten sie Gespräche mit Regierungsvertretern und Verlagen. Neumann geht davon aus, dass eine Beteiligung Nordkoreas dem Gastlandauftritt "insgesamt mehr Aufmerksamkeit sichert". Von südkoreanischer Seite habe es bereits grünes Licht gegeben, weiß das Börsenblatt. Mit einer Entscheidung ist im Juli zu rechnen.

Dass die Deutschen immer älter werden, ist schlecht für die Sozialkassen - aber gut für Verlage und Buchhandel. "Die Älteren sind seine Kunden der Zukunft", schreibt Boris Langendorf, der die wirtschaftliche Entwickung für den Buchhandel beobachtet, im Börsenblatt. Senioren seien buchaffin und noch dazu kaufkräftig wie nie, erklärt der Wirtschaftsexperte. Langendorf glaubt, dass die ältere Generation für anspruchsvolle Literatur aus kleineren Verlagen und den Einkauf in individuellen Buchhandlungen einstehen wird.

Träger des Friedenspreises 2004 wird der 1950 in Budapest geborene Erzähler und Romancier Peter Esterhazy sein. Der Stiftungsrat würdigt den Preisträger als eine der weithin vernehmbaren Stimmen der Nachgeborenen, die die Zerstörung des Menschen durch Terror und Gewalt und seine Wiederauferstehung in Trauer und Ironie gestalte. Zuletzt war Esterhazy mit seinem autobiografischen Familienroman "Harmonia Caelestis" in den Fokus der Öffentlichkeit geraten - kurz vor Beendigung des Werks hatte der Autor erfahren, dass sein Vater 23 Jahre lang für die ungarische Geheimpolizei aktiv war (mehr im Perlentaucher-Archiv). Die Preisverleihung findet am 10. Oktober in der Frankfurter Paulskirche statt.

Jürgen Habermas (mehr) erhält im November den Kyoto-Preis, neben dem Nobelpreis eine der höchsten Auszeichnungen für Verdienste um Wissenschaft und Kultur. Weitere Personalien aus der Buchbranche.

Meldungen: Der Europa Verlag Zürich legt im Herbst, 52 Jahre nach dem Tod seines Verlegers Emil Oprecht, wieder ein Programm vor: Sonderausgaben von Werken Thomas Manns, Albert Einsteins u.a.. Der Börsenverein klagt gegen den Dokumentlieferdienst für Bibliotheken, Subito, als Interessenvertreter der wissenschaftlichen Verlage - deren Geschäft leidet unter dem E-Mail-Versand von Aufsätzen zu sehr günstigen Konditionen, wie ihn Subito praktiziert. Der Anteil von Büchern und kartografischen Erzeugnissen am Gesamtumsatz der Druckunternehmen wird nach Angaben des Bundesverbands Druck und Medien immer geringer - in 2003 betrug er 6,9 Prozent (1995: 7,7 Prozent).
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Der Buchreport hat die Vorschauen durchgeblättert und orakelt, was der Buchherbst 2004 bringen wird: "Die Programme formieren sich um große Namen, die mit viel Aufwand im Buchhandel inszeniert werden. Im Vergleich zum schwachen Frühjahr glänzen insbesondere die Perlen der nationalen und internationalen Literatur: führend sind im Herbst Rowohlt und S. Fischer." Im Schatten der Autoren-Riesen bleibe im Gegenzug wenig Licht für den Nachwuchs.

Den Verlagsvorschauen selbst sagt der Buchreport keine große Zukunft voraus. Sie überforderten in ihrer pompösen Aufmachung immer mehr Buchhändler. Der mit den Vorschauen betriebene Aufwand gehe somit ins Leere. Einer Umfrage zufolge haben weit mehr als die Hälfte der Empfänger die Pakete, Päckchen und Umschläge mit den Programmankündigungen für den Herbst noch nicht geöffnet, weitere rund 20 Prozent der Buchhändler haben sie zwar ausgepackt, wissen aber nicht, ob und wann sie zur Lektüre kommen. Eine Alternative zum Papierwust könnten Online-Vorschauen sein. Sie sind zudem kostengünstiger für die Verlage und können aktualisiert werden. Die britische Penguin-Group macht's in diesem Herbst vor.

Die städtischen Bibliotheken sind ob der Sparzwänge der Kommunen unter Druck. Eine Bücherei, die Stadtbibliothek Gütersloh, hat bereits einen Ausweg aus der Misere gefunden. Sie wurde mit Unterstützung der Bertelsmann Stiftung privatisiert und in eine GmbH verwandelt. In Dresden soll, als Pilotprojekt, eine solche Privatisierung in Partnerschaft mit regionalen Bildungsbetrieben vonstatten gehen.

S. Fischer hat sich von seiner Berliner Tochter, der Nicolaischen Verlagsbuchhandlung, getrennt. Laut S. Fischer-Geschäftsführer Lothar Kleiner habe Nicolai mit seinem spezifischen Programm nicht mehr ins Portfolio gepasst. Der 300 Jahre alte Verlag - 1995 wechselte er in den Hand der Holtzbrinck-Gruppe, 1997 wurde er den S. Fischer Verlagen zugeordnet - befindet sich ab sofort im Besitz von Andreas von Stedmann, gleichzeitig Geschäftsführer des DuMont Reiseverlags. Den Verlagskauf bewerte Stedmann als rein privates Engagement, heißt es im Buchreport. Als Geschäftsführer setzt der neue Verlagsbesitzer Dieter Castenow ein, Programmchef bleibt Hans von Trotha.

Thorsten Ahrend, bisher Lektor für deutschsprachige Literatur bei Suhrkamp, geht als Programmleiter zum Göttinger Wallstein Verlag. "Fünf Autoren gehören zu seinem Tross", erzählt der Buchreport. "Andreas Maier, Heinz Ludwig Arnold, Adolf Endler, Martina Hefter und Fred Wander bilden den Stamm für die neue literarische Ausrichtung bei Wallstein." Die Tageszeitung Die Welt traut Ahrend zu, aus Wallstein "eine erste Adresse" machen zu können.

Personalien: Bill Bryson ist für seinen populärwissenschaftlichen Abriss "Eine kurze Geschichte von fast allem" (mehr) mit dem mit 10.000 Pfund dotierten Aventis Preis, dem einzigen Literaturpreis für wissenschaftliche Bücher auf der Insel, ausgezeichnet worden.

Zum Schluss: die Bestsellerlisten.