Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
25.08.2004. Diese Woche lesen Sie: Wie Weltbild seine Vormachtstellung am Buchmarkt ausbaut. Wer "unsere Besten" sind. Warum die Verlage nach der Herbstreise ihrer Vertreter deprimiert sind. Wie der Buchhandel von Ebay profitieren kann. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Weltbild hat neues Terrain betreten und im bayerischen Weilheim sein erstes Vollsortiment inklusive Schulbüchern eröffnet. In den bisherigen Weltbildplus-Filialen (50 Prozent Weltbild, 50 Prozent Hugendubel) seien ausschließlich Bücher und andere Angebote aus den aktuellen Versandkatalogen, einige Bestseller sowie aktueller Ramsch zu haben gewesen, erläutert der Buchreport und folgert: "Der Konzern baut mit Hilfe von Hugendubel seine Vormachtstellung am Buchmarkt weiter aus und perfektioniert sein Geschäftsmodell: Jeder Kunde und jede Zielgruppe soll von Weltbild bedient werden."

Nach wochenlanger Auszählerei und Heimlichtuerei liegen dem Buchreport die 50 erstplatzierten Titel der ZDF-Aktion "Unsere Besten - Das große Lesen" vor. Keine Donna Leon, kein Henning Mankell, kein Stephen King hat es auf die Liste geschafft, kein Schiller, kein Hemingway, kein Dürrenmatt. Stattdessen sind Erich Maria Remarque, Lee Harper und Marlen Haushofer unter den Lieblingsautoren der insgesamt 220.000 Heidenreich-Jünger, die eine Stimme abgegeben haben. Ein "Ranking des Herzens", bei dem "Alibi-Nennungen keine Rolle spielen" sieht Projektleiter Peter Ahrens in der Top 50-Liste (bisher nicht nummeriert, endgültige Auflösung im Oktober).

Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels sieht die Branche vor einem Rechtsstreit um Konditionen. "Zwischen einigen Verlagen und Barsortimenten gärt es", weiß Wallenfels. Rechtliche Gutachten seien bereits erstellt worden bzw. in Vorbereitung. Hintergrund ist der Paragraf im Preisbindungsgesetz, der den Zwischenbuchhändlern das Privileg einräumt, von den Verlagen in keinem Fall schlechtere Konditionen als andere Buchhändler zu erhalten. Das daraus resultierende Dilemma der Verlage: Verlangen große Buchhandelsketten oder eifrige Sortimenter für die Abnahme besonders günstige Bedingungen und sie gehen darauf ein, werden die Barsortimente auf jeden Fall nachziehen.

Düster sieht die vorläufige Bilanz vieler Verlage nach der Herbstreise ihrer Vertreter aus. Die Versteifung der Buchhändler auf Bestseller-Kandidaten bringt die Verlagskalkulationen ins Wanken. "Vor allem in den großen Ketten fallen nicht nur Neulinge, sondern immer häufiger auch Autoren der so genannten Midlist und literarisch anspruchsvolle Titel durch Sieb", berichtet der Buchreport. Längerfristig könnte ein solches Einkaufsverhalten der Buchhändler eine "Ausdünnung der Verlagsprogramme" und damit eine "spürbare Verringerung der literarischen Vielfalt" zur Folge haben.

Im Buchreport-Ranking der "Top-Seller Hörbuch 2003" rangierte bereits die Hälfte der Titel unter / gleich zehn Euro. Die daraus erkennbare Richtung, der Trend zum Billig-Hörbuch, bleibt. "Vergleichbar mit dem Taschenbuch oder dem MA im Buchbereich entsteht ein zweiter Markt, auf dem Inhalte ein weiteres Mal preiswert angeboten werden", schreibt der Buchreport. Obwohl die Verlage selbst davor warnten, zu sehr an der Preisschraube zu drehen, erfüllten sie die zunehmenden Anfragen des Handels nach günstigen Sonderausgaben.

Internethändler und stationäre Händler können sich gegenseitig befruchten. Laut einer Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung ging rund 15 Prozent der Ladenumsätze eine Online-Recherche des Kunden voraus, vor dem Online-Kauf sahen sich 22 Prozent der Befragten im stationären Handel um.

Personalien: Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki gehört zu den Trägern des diesjährigen Europäischen Kulturpreises, den die Kulturstiftung Basel am 4. September verleiht.

Meldungen: Der britische Schriftsteller Salman Rushdie scheut die Provokation islamischer Fundamentalisten weiterhin nicht. Wie aus einem Vorabdruck der Sunday Times hervorgeht, behauptet Rushdie in einem Beitrag für das Buch "Porno Star", dass Pornografie besonders in islamischen Ländern verbreitet sei. Das kulturpolitische Magazin Cicero hat mit "9/11 Commission Report" eine Buchreihe gestartet - sie soll die Zeitschrift thematisch begleiten. Die walisische Stadt Swansea schafft den Dylan Thomas International Prize und stellt dafür die gleiche Summe zur Verfügung, die es für den bisher wichtigsten britischen Literaturpreis, den Man Booker International Prize, gibt: 60.000 Pfund. Auf der Spiegel-Bestsellerliste HC Belletristik ist so viel los wie seit langem nicht: Zehn Neuzugänge - der höchste: "Vollidiot" - und zwei Wiedereinsteiger verzeichnet das Bestsellerranking diese Woche.

Börsenblatt

Nach der Vertreterreise hat sich auch das Börsenblatt bei Buchhändlern, Vertretern und Verlagen umgehört und Tendenzen skizziert. Die Talsohle scheint durchschritten, der Handel blicke allgemein wieder positiver in die Zukunft, ist vielleicht das bedeutungsschwangerste Fazit. Von den Herbstnovitäten erwarten die Buchhändler eine "klare Kaufbelebung", hoffen auch auf die Hilfe von Bücherfee Elke Heidenreich. Bei allem Optimismus: Bisher ist das Kaufverhalten der Buchhändler wie der Kunden zurückhaltend. Die Händler haben überwiegend vorsichtig eingekauft, auf Spitzentitel und Marken gesetzt.

Die deutschen Versandbuchhändler können möglicherweise bald Kosten sparen. Der Rechtsausschuss des Bundestages arbeitet an einer EU-konformen Neuregelung, sprich Lockerung, des Fernabsatzgesetzes. Derzeit müssen Versandhändler ab einem Bestellwert von 40 Euro die Rücksendekosten selbst tragen. Das trifft die mit neuen, preisgebundenen Büchern Handel treibenden, denn sie können die Kosten nicht an den Kunden weitergeben. Die vom Börsenblatt befragten Versandbuchhändler begrüßten eine lässigere Auslegung des Gesetzes, würden jedoch teilweise - als Service - die Kosten weiterhin für die Kunden übernehmen.

Der traditionelle Buchhandel kann von der Beteiligung am Buchgeschäft über Ebay profitieren. Das glaubt Vertriebler Peter Diemer. Es sei wichtig, mit dem sich ändernden Markt zu gehen und den potenziellen Kunden da abzuholen, wo er stehe, "zu einem guten Teil eben in der virtuellen Einkaufswelt". Buchhändler sollten bei Ebay-Aktionen regelmäßig Präsenz zeigen und sie als Möglichkeit der Werbung für den eigenen Internet-Auftritt nutzen, schlägt Diemer vor.

In seiner Serie über die Buchmacher in den neuen EU-Staaten untersucht das Börsenblatt diesmal die Lizenzgeschäfte mit Estland, Lettland und Litauen. Bisher spielten die Verlage dieser Länder aus deutscher Sicht eine geringe Rolle als Lizenzpartner, erklärt das Börsenblatt. So seien nur 42 deutsche Lizenzen in 2002 nach Estland verkauft worden, 50 im gleichen Zeitraum nach Lettland und 62 nach Litauen. Die Umstrukturierung der Buchindustrie in den baltischen Staaten seit ihrer Neugründung Anfang der Neunzigerjahre scheint noch nicht abgeschlossen. Eines der Hauptprobleme ist der Vertrieb.

Personalien: Die Übersetzerpreise der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt Stiftung gehen in diesem Jahr an Eike Schönfeld und Jürgen Dormagen. Der Buchwissenschaftler Dietrich Kerlen, Inhaber des Lehrstuhls für Buchwissenschaft und Buchwirtschaft in Leipzig, verstarb.

Meldungen: Im laufenden Jahr haben nach einer Vorabzählung aus der Allensbacher Computer- und Technik-Analyse 18,2 Prozent der Befragten online Bücher eingekauft, rund ein Prozent mehr als im Vorjahr. Fast jeder Fünfte (19,7 Prozent) hatte schon einmal ein Buch bei einer Internetauktion ersteigert. Vom 9. bis 21. September finden die Aachener Literaturtage statt. Hier das Programm.
Archiv: Börsenblatt