Die Buchmacher

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Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
21.09.2004. In dieser Woche: Wie gespannt die Branche auf die Bild-Bestsellerbibliothek reagiert. Und wie diese logistisch organisiert wird. Von Sandra Evertz

buchreport.express

buchreport.express vom 16. September 2004

Heftige Reaktionen in der Branche hat der Bericht (siehe Archiv) über die geplante "Bild-Bestseller-Bibliothek" (BBB) hervorgerufen. DTV-Verleger Wolfgang Balk glaubt, dass Marketingaktionen wie die Reihen der Süddeutschen Zeitung und jetzt der Bild-Zeitung einigen Hardcover-Verlagen zu einem "schnellen Euro" verhelfen. Auf der anderen Seite, so Balk, torpedierten sie das Preisbewusstsein der Buchkäufer und seien deshalb eine große Gefahr für die Branche. Ilona Rehme, Vorsitzende des Arbeitskreises kleiner Sortimenter im Börsenverein, ist der Meinung, dass derartige Aktionen bereits die Systeme der Preisbildung und Preisbindung unterlaufen. Der Experte, Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels, sieht in den Billigbuch-Reihen hingegen "keine direkte Gefahr" für die Preisbindung.

Weitere Einzelheiten zur BBB, die eigentlich erst zur Buchmesse öffentlich gemacht werden sollten, sind derweil bekannt: Beginn ist am 7. Oktober mit Mario Puzos "Der Pate". Fürs erste wurden 180.000 Exemplare in Auftrag gegeben, eine zweite Druckerei steht parat, um auf die Schnelle für Nachschub zu sorgen. Der Buchreport spricht angesichts des Umfangs des Start-Bandes (520 Seiten) sowie folgender Bände (zum Beispiel Ken Folletts "Die Nadel": 414 Seiten) und des Verkaufspreises von 4,90 Euro von einem "Kalkulationswunder". Von solchem Kaliber seien in der SZ-Bibliothek nur 5 unter 50 Titeln und die würden durch Titel mit wenig Umfang ausgeglichen. Eine Möglichkeit, die es bei der BBB mit ihren 25 Bänden nicht gibt.

Die SZ kontert auf die BBB mit einem neuen Projekt. Acht Tage später, am 15. Oktober, bringt sie eine 20 CDs umfassende Musikkollektion in den Handel: den "Klavier-Kaiser". Der Namensgeber, Musikkritiker Joachim Kaiser, hat die in der Sammlung vorgestellten 14 Pianisten ausgewählt. Mehr als zwei Millionen Euro stecke der Süddeutsche Verlag in den Marketing-Etat für das Folgeprojekt der SZ-Bibliothek, weiß der Buchreport. Im Gegensatz zum Vorgänger hat der "Klavier-Kaiser" keinen Sammelcharakter und unterliegt auch keiner Preisbindung (empfohlener Ladenpreis: 98 Euro). Eine Internetpräsenz erhält er auf sz-klassik.de.

Filialist Hugendubel fischt in fremden Gewässern. Vor kurzem hat er sein 460 Quadratmeter großes Münchener Stammhaus, das mit den Großflächen in der City nicht mehr mithalten konnte, in eine Buchhandlung mit rein englischsprachigem Sortiment umgestaltet. Ob das Konzept auch für andere Großstädte tragfähig ist, will Geschäftsführungsmitglied Nina Hugendubel abwarten. "Für Filialisten könnten Spezialbuchhandlungen möglicherweise zu einem zweiten Feld auf einem im allgemeinen Sortimentsbereich praktisch aufgeteilten Markt werden", kommentiert der Buchreport.

Mit dem Appell an die Ostdeutschen, sich mit ihrer wirtschaftlichen Situation zu arrangieren, hat Bundespräsident Horst Köhler den Nerv der Buchhändler getroffen. "Wir müssen mit den Gegebenheiten fertig werden", beschreibt Wilfried Bengsch, Vorsitzender des Börsenverein-Landesverbands SaSa-Thü, im Buchreport das Grundgefühl unter den Ostsortimentern. Trotz der Konsumflaute spürt Johanna Hahn, Geschäftsführerin des Landesverbands Berlin-Brandenburg, eine "erstaunlich positive Stimmung" vieler Buchhändler. Viele Ostbuchhändler haben in den letzten Jahren in die Modernisierung ihrer Geschäfte investiert. Die meisten kleinen Ost-Buchhandlungen seien - im Gegensatz zu mancher kleinen Westbuchhandlung - modern eingerichtet und mit neuer Computertechnik ausgestattet, heißt es im Buchreport, außerdem säßen die Ostbuchhändler nicht auf über Jahrzehnte hinweg aufgebauten Warenbeständen.

Branchenprimus Thalia (Douglas-Holding) steigt zum Monatsende mit 75 Prozent bei Kober-Löffler (Mannheim), mit fünf Buchhandlungen "unumstrittener Platzhirsch im Rhein-Neckar-Raum", ein. Welche Expansionsstrategie Thalia verfolgt und wie sich die Nachricht von der neuen Partnerschaft auf die Douglas-Aktie auswirkte, hier.

Meldungen: Die Preisträger 2004 des Internationalen Buchpreises "Corine" stehen fest (mehr). Nachdem Rowohlt vor einem Jahr mit einem eigenständigen Theater-Portal, wo erstmalig Rollenbücher zum Download angeboten wurden, online ging, zieht Holtzbrinck-Schwester Fischer jetzt mit einer eigenen Webseite für den Theaterbereich nach. Prominente österreichische Autoren wie Elfriede Jelinek, Josef Haslinger, Daniel Kehlmann und Marlene Streeruwitz distanzierten sich lautstark vom literarischen Großvorhaben "Austrokoffer" - zu den Föderern des Projekts gehört unter anderem die konservative Bundesregierung. Man kann nicht sagen, es täte sich nichts auf den Spiegel-Bestsellerlisten: Gleich sieben Neulinge schafften im "Sachbuch" den Sprung in die Top 50, der höchste Neueinsteiger, Wilhelm Dietls und Norbert Juretzkos Nähkästchengeplauder über den Geheimdienst, sogar auf Platz 2.

Börsenblatt

Die Frankfurter Buchmesse sucht einen neuen Chef. Der zum Jahresende 2005 auslaufende Vertrag des Buchmesse-Direktors Volker Neumann wird, wie letzte Woche bekannt wurde, nicht verlängert. Joachim Treeck, Vorsitzender des Börsenverein-Aufsichtsrats, welcher den Personalwechsel einstimmig beschlossen hat, erklärte gegenüber dem Börsenblatt, der 2002 angeheuerte Neumann habe sich als Trouble-Shooter zur Verfügung gestellt, der Vertrag sei von Beginn an befristet gewesen. Der Aufsichtsrat legt Wert darauf, sich frühzeitig um eine neue - langfristige - Lösung zu bemühen. Einen Wunschkandidaten für die Neumann-Nachfolge gibt es scheinbar nicht.

Der Deutsche Bücherpreis ist dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse nach harscher Kritik zum letzten Mal vergeben worden. 2005 verleiht der Börsenverein mit den Partnern Spiegel Verlag, Gabriele und Florian Langenscheidt zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse einen neuen Literaturpreis: den Deutschen Buchpreis. Er orientiere sich an Vorbildern wie dem Booker Prize in Großbritannien oder dem Prix Goncourt in Frankreich, erläutert das Börsenblatt. Ausgezeichnet wird der beste Roman des Jahres in deutscher Sprache. Die Prämie beläuft sich auf insgesamt 37.500 Euro.

Einen "gerechten Ausgleich zwischen Kreativen, Wirtschaft und Verbrauchern" will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries mit der Novellierung des Urheberrechts erreichen. So steht es im Eckpunktepapier zum so genannten zweiten Korb der EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft. Nach Zypries' Vorstellungen sollen pauschale Vergütung und individuelle Abrechnung nebeneinander existieren; außerdem will sie den Gebrauch von älteren Werken in neuen technischen Nutzungsarten ohne umfangreichen Nacherwerb von Rechten ermöglichen (weitere Pläne der Ministerin auf boersenblatt.net). Der Börsenverein in Person von Justiziar Christian Sprang begrüßte die Überlegungen. Dem Börsenblatt sagte er, würden die Pläne umgesetzt, sei dies ein echter Durchbruch.

Als unzumutbares Kostenrisiko empfinden einige Versandbuchhändler das Widerrufsrecht des Fernabsatzgesetzes aus dem Jahr 2000: Ab einem Bestellwert von 40 Euro können Kunden die georderte Ware portofrei zurückschicken. Auch die Rücksendung einer Teillieferung ist kostenlos (siehe Archiv). Am 24. September berät nun der Bundesrat über den Vorschlag einer Bundestagsinitiative, die für Abhilfe sorgen soll. Demnach könnten Unternehmen künftig selbst entscheiden, ob sie ihren Kunden die Retourenkosten auferlegen oder nicht. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses gelte als wahrscheinlich, schreibt das Börsenblatt.

Personalien: Für sein Engagement für deutschsprachige Literatur in der englischsprachigen Welt wurde Autor Michael Hofmann mit dem DekaBank-Preis des Literaturhauses Frankfurt ausgezeichnet.

Meldungen: Der ehemalige Chef des Ende 2001 Pleite gegangenen Könemann Verlags, Ludwig Könemann, und seine mitangeklagten Geschäftsführer müssen sich nicht des Vorwurfs der Insolvenzverschleppung verantworten.
Archiv: Börsenblatt