Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
27.06.2005. In dieser Woche: Wo die Branche Geld verschwendet. Und wie sie auf Google Print antworten will. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Die Branche stöhnt unter steigenden Kosten und fallenden Umsätzen, verschenkt aber trotzdem weiterhin Geld. Das folgert der Buchreport aus der neuen Logistikumfrage, die der Börsenverein unter zwölf Verlagsauslieferungen durchgeführt hat. Demnach sind in 2004 die Remissionen gestiegen, die Exemplare pro Rechnung gesunken und die Zahl der elektronischen Aufträge ist zurückgegangen. Der Anteil des Buchhandels am Gesamtumsatz der Auslieferungen hat, alarmiert das Branchenmagazin, um "besorgniserregende" 2,31 Prozent (auf 56,91 Prozent) abgenommen.

Schade findet der Buchreport im Hinblick auf die Logistik-Statistik, dass Rationalisierungspotenziale ungenutzt bleiben. Erfolg versprechend seien beispielsweise buchhändlerische Kooperationen, wie sie etwa die eBuch-Gemeinschaft mit "Anabel" praktiziert: eine Kombination aus Zentrallager, computergestütztem Gemeinschaftseinkauf und Lagerergänzung über das Barsortiment.

Zuversichtlich gibt sich der Insolvenzverwalter des MA-Pleitiers Zanolli: "Das wird kein schlimmes Verfahren" (siehe auch Archiv). Was den verhaltenen Optimismus der Juristen nähre, seien die Interessensbekundungen mehrerer Parteien aus der Buch- und Investmentbranche, das ursprüngliche Zanolli-Kerngeschäft - den Vertrieb, weniger die Produktion von MA-Ware - mit einer Auffanggesellschaft fortzuführen, schreibt der Buchreport. Wer Zanolli retten will, hat das Branchenmagazin nicht erfahren, nur so viel: Der bisherige Investor 3i und der Weltbild-Konzern, welcher sich immer mehr im Billigbuch-Sektor ausbreitet, wollen nicht dazugehören.

Erfolgreich schlagen sich die Hörbuch-Edition der "Brigitte" und die SZ-Cinemathek. Im Buchreport-Hörbuch-Ranking haben die "Brigitte"-CDs elf der zwölf ersten Plätze erobert (nur "Illuminati" von Dan Brown hat sich auf Platz 2 eingemischt). Noch beeindruckender wirken die Zahlen des Buchreport-DVD-Rankings: Die bisher 16 erschienenen Film-DVDs der SZ belegen die Plätze 1 bis 16. Nicht ganz so leicht haben es die SZ-Discothek (Band "1968" liegt auf Rang 23 am weitesten vorn). Noch weit abgeschlagener als die Pop-Edition rangiert die Handelsblatt Mangagerbibliothek. Der absatzstärkste Titel, "Die besten Zitate und Aphorismen für Manager", kletterte auf Platz 122 des Sachbuch-Totalrankings.

Während die FAZ schon mit Einzelheiten ihrer Comic-Edition rausrückt, hüllt sich die "Bild"/Weltbild-Kooperation, am gleichen Projekt arbeitend, in Schweigen. Die Reihe "Klassiker der Comicliteratur" der Frankfurter startet vorrausichtlich im September. Sie soll 20 Bände umfassen, circa fünf Euro pro Band kosten, wöchentlich erscheinen und jeweils einem Comic-Charakter gewidmet sein. Als Protagonisten sind Superman, Spiderman, Batman, Hägar, Prinz Eisenherz, die Peanuts und FAZ-hauseigene Comic-Serie "Strizz" angedacht. Der Buchreport und FAZ-Marketingleiter Jan Klage gehen von inhaltlichen Überschneidungen im Comic-Wettbewerb der Zeitungshäuser aus, handelt es sich doch um Klassiker.

Die Verkaufskurven für die Billigbücher aus den Bibliotheken der SZ und der Bild-Zeitung sinken rapide. Dafür könnte es zwei Gründe geben: Den weitgehenden Abverkauf der Bestände oder die Sättigung des Bedarfs an Billigware. Nach Gesprächen mit Buchhändlern vermutet der Buchreport, dass die erste Alternative zutrifft. Bei den beiden Pionier-Reihen werde nicht mehr nachgedruckt, Fortsetzungen folgten aber ganz gewiss.

Das Halbjahresende nimmt der Buchreport zum Anlass, Bestseller-Bilanz zu ziehen. Fazit ist, dass nur ein kleiner "Club" von Buchmachern die Rankings für "Spiegel" und "Gong" genährt hat: In der Bestsellerliste Hardcover Belletristik tauchten in den ersten sechs Monaten des Jahres 31 Verlagsnamen auf, im Sachbuch 36, in der Bestellerliste Taschenbuch Belletristik waren's 17 Verlage, im Sachbuch 15. Insgesamt tummelten sich 255 Titel in den vier Verkaufscharts. Hier die aktuellen "Top 50"der einzelnen Rubriken.

1,5 Millarden Dollar könnte nach vorsichtigen Schätzungen der US-Markt bis Ende 2006 mit Gebrauchtbüchern in die Kassen bringen. Eine Summe, die die deutschen Buchhändler nicht kalt lassen kann, meint der Buchreport. Doch bisher habe nur Hugendubel in Berlin das Geschäft mit Second-Hand-Büchern getestet, darüber hinaus seien es die Internet-Spezialisten, die diesen Markt für sich entdeckt hätten. Beunruhigend sind die Details, die in den USA mit dem Trend zum gebrauchten Buch einhergehen: Im Gegensatz zum Handel, der teilweise überraschend hohe Margen erzielt bzw. von den Vermittlerprovisionen lebt, gehen Autoren und Verlage leer aus.

Personalien: Harald Heker, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins und "Architekt der Reformen", gab bei den Buchhändlertagen seinen vorweggenommenen Abschied (am 31. Dezember geht er in Frankfurt von Bord und wechselt zur GEMA), ein Nachfolger wird weiterhin gesucht. Ulrike Ostermeyer, bisher Lektorin bei dtv, übernimmt zum 1. September die belletristische Programmleitung des Ullstein Verlags. Imre Török löst Fred Reinersdorfer als Vorsitzender des Verbands Deutscher Schriftsteller ab.

Meldungen: RTL und der norwegische Schibsted-Verlag ziehen im Geschäft mit Gratis-Zeitungen eine Zusammenarbeit in Erwägung, zunächst in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart und im Ruhrgebiet. Die Internetsuchmaschine Google plant die Einrichtung eines Online-Bezahl-Services in direkter Konkurenz zum eBay-Unternehmen Pay-Pal.

Börsenblatt

Die Weichen für eine Reform des Börsenvereins wurden bei den Buchhändlertagen vorletzte Woche in Berlin gestellt, den 40 Vorschlägen mit breiter Mehrheit zugestimmt. Die Ziele kurz zusammengefasst: mehr Transparenz und eine effizientere Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt. Einzig der geplanten Abschaffung der Abgeordnetenversammlung wollten die Vereinsmitglieder nicht ohne Einschränkung zustimmen. Der Vorstand des Branchenverbands will deshalb bei der jetzt anstehenden Ausarbeitung der satzungsändernden Vorschläge ein Sparten übergreifendes Gremium a la Abgeordnetenversammlung berücksichtigen.

Konkreter wurde bei den Buchhändlertagen das Modell einer dezentralen Volltextdatenbank der Verlage, die Antwort auf "Google Print" und "Search Inside the Book" (Amazon). Man müsse neben den Risiken auch die Chancen Auge behalten, ermunterten sich die Verleger gegenseitig. Im November soll, so der Wille der Arbeitsgemeinschaft Volltextsuche im Börsenverein, eine Machbarkeitsstudie vorliegen, die auch die Kostenstruktur aufzeigt.

Keine "überhitzte Stimmung" aber eine "sichbare Aufhellung" hat Branchenbeobachter Boris Langendorf dem "Geschäftsklimaindex des Sortiments" in den ersten Juni-Tagen entnommen. In drei von vier Kriterien - Brachensituation, eigene Lage, Umsatzerwartung - hat sich der Barometerstand verbessert, bemerkt Langendorf im Börsenblatt und bringt das Votum mit der Neuwahl-Ankündigung in Zusammenhang.

Wer aus Euro-Ländern importierte Bücher in der Schweiz kauft, muss generell ein paar Franken mehr berappen. "Bislang liegen die Buchpreise bei den Eidgenossen fünf bis 18 Prozent über dem Wert, den eine exakte Umrechnung der Währung ergeben würde", stellt das Börsenblatt fest. Begründet werde diese Differenz mit höheren Miet-, Lohn-, Lebenshaltungs- und Logistikkosten in der Schweiz. Bei der Ausarbeitung eines nationalen Gesetzes zur Buchpreisbindung soll es nach Auffassung des Präsidenten der Wirtschaftskommission des Ständerats auch zu einem Paragrafen zur Korrektur der Preisaufschläge kommen.

Rotes Licht gab's vom Bundesgerichtshof für Maxim Billers Roman "Esra" (Kiepenheuer & Witsch). Damit bekamen die Klägerinnen, Billers ehemalige Lebensgefährtin und deren Mutter, Recht: Sie hatten sich in den Romanfiguren wiederkannt und dies als eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrsechts empfunden. Das BGH-Verbot ist für das Börsenblatt der "Aufreger der Woche". Auch wenn "Esra" ein Sonderfall sei, liefe die literarische Phantasie an einer immer kürzeren Leine.

Anders als im stationären Buchhandel brummt auf den Teleshopping-Kanälen das Geschäft. Sollte Buchvertrieb auch übers Fernsehen stattfinden? hat das Börsenblatt mehrere Verleger gefragt.

Besteller-Autoren bekommen bei Literaturkritikern oft keine Chance. Ungerechtfertigt, urteilt Rainer Moritz, Chef des Literaturhauses Hamburg.

Personalien: Rolf Pitsch, Direktor des Borromäusvereins, wurde als Nachfolger von Georg Ruppelt zum neuen Chef der "Stiftung Lesen" gewählt, der neue stellvertretende Vorsitzende ist Jörg Pfuhl, Geschäftsführer von Random House.

Meldungen: Seit kurzem ist das ebook-Ticket von Kreutzfeldt Electronic Publishing im Umlauf, eine Guthabenkarte, mit der Kunden im stationären Sortiment E-Books kaufen und am heimischen PC einlösen können. Die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels wird dieses Jahr wieder live von den Öffentlich-Rechtlichen übertragen - die Absage der ARD hatte letztes Jahr heftige Proteste in der Branche hervorgerufen.Der Friedenspreisträger 2005 ist Orhan Pamuk. Heinrich Breloer ("Die Manns") möchte Thomas Manns "Buddenbrooks" neu verfilmen. Durs Grünbein erhält den mit 12.500 Euro dotierten Friedrich-Hölderlin-Literaturpreis der Stadt Bad Homburg, der 5.000-Euro-Förderpreis geht an den österreichischen Romancier Arno Geiger.
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