Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
08.08.2005. In dieser Woche: Was Sortimentsbuchhändler in mittleren Städten gegen die Expansion der Ketten unternehmen. Und was der Börsenverein zum Streit um die ISBN-Nummern auf seiner Internetplattform sagt. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Die Buchfilialisten weiten ihre Expansionsziele aus. Nachdem die Ketten bereits in fast allen Einkaufszentren der Großstädte vertreten sind, interessieren sie sich nunmehr für die Mittel- und Kleinstädte. Traditionsreiche kleine Sortimenter fürchten dort "amerikanische Verhältnisse" und rüsten sich in David'scher Manier, etwa durch eine Vergrößerung der Verkaufsflächen, Spezialisierung auf wenige Warengruppen oder Ausweitung des Industriegeschäfts. "Wer nicht reagiert, hat kaum eine Chance", prophezeit der Buchreport. Mehr zu den Expansionsplänen der "Großen" und zu Modellreaktionen ortsansässiger "Kleiner".

Mit der Eröffnung des Zanolli-Insolvenzverfahrens vergangenen Montag hatten die 90 verbliebenen Mitarbeiter das Nachsehen sprich die Kündigung in der Hand. Der MA-Handel des Kölner Unternehmens wird durch eine Auffanggesellschaft fortgeführt. Zwei am Verfahren Beteiligte standen, als es zur Verteilung kam, in erster Reihe: Der als Insolvenzverwalter eingesetzte Rechtsanwalt Jörg Nerlich soll gerüchteweise Anteile an der Zanolli-Nachfolgegesellschaft übernommen haben, Unternehmensgründer Guido Zanolli in führender Position am Ruder bleiben, schreibt der Buchreport. Sorgen machen dürfte dem Pleitier, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Verdachts auf Insolvenzverschleppung ermittelt.

Harry Potter zaubert den Buchhändlern eine schwarze Null (im Vergleich zum Vorjahresmonat, der sogar einen Verkaufstag mehr hatte) in die Juli-Kasse. Auch der kumulierte Wert (beide Zahlen: Buchreport-Umsatztrend) sollte die Sortimenter hoffnungsfroh stimmen: Nach sieben Monaten steht er aktuell bei +1,85 Prozent. Den Buchverkäufern ginge es, nimmt man Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung hinzu, besser als den anderen Einzelhändlern, stellt der Buchreport fest. Die Umsatz-Zuwächse im letzten Monat wären im übrigen noch größer ausgefallen, hätten sich Filialisten und Onlinehändler nicht eine Riesen-Preisschlacht um den neuen Potter geliefert.

Die Warengruppen im Sortiment haben sich im Juli heterogen entwickelt. Während das Schulbuch ein Umsatzminus von 4,4 Prozent (verglichen mit Juli 2004) für sich verbuchen musste, blieb das Hörbuch mit einem Plus von knapp 14 Prozent stark und führte die Liste der Umsatzzuwächse abermals an. Schwächelnde Juli-Warengruppen waren neben dem Schulbuch das Sachbuch, Fachbuch und Hobby. Die Original-Ausgabe von "Harry Potter VI" avancierte trotz eines Erstverkaufstags Mitte Juli zum meistverkauften Belletristik-Titel des letzten Monats.

Geänderte Rahmenbedingungen bei der Lernmittelbeschaffung vermiesen den stationären Buchhändlern das Sommer-Geschäft (siehe auch Abschnitt "Warengruppen"). Zwei Faktoren zeichnet der Buchreport für die Umsatzrückgänge bei Schulbüchern verantwortlich: zum einen stetig sinkende öffentliche Ausgaben für Lernmittel und zum anderen die wachsende Konkurrenz der Onlinebuchhändler. "Sie sind in allen Bereichen, auf die es beim Schulbuchgeschäft ankommt, traditionell gut aufgestellt: Bestellservice, Logistik, Lieferzeit und Katalogisierung", begründet Christian Russ, Geschäftsführer des Bundesverbands der Versandbuchhändler.

Meldungen: Am 13. September wird der Internationale Buchpreis Corine verliehen, die diesjährigen Preisträger stehen bereits fest. Die Bestsellerlisten spiegeln diese Woche den "sommerlichen Novitätenstopp" wieder. Mehr.
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Börsenblatt

In Großbritannien sehnt sich manch ein Buchhändler nach der "good old Buchpreisbindung" zurück. Nachlässe von bis zu 70 Prozent auf den empfohlenen Preis zum Verkaufsstart des neuen Harry Potter-Bands haben die Preiskämpfe auf der Insel neue Dimensionen annehmen lassen. Die Labour-Abgeordnete Lynn Jones findet, dass Autoren und Verlage ihren Vertriebspartnern "exzessive Nachlässe" zum "Schutz des Buchhandels" untersagen müssten und hat damit im Parlament eine Debatte angestoßen: Preisvorgaben wären nämlich ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Dass die britische Regierung vor zehn Jahren die Preisbindung auf Bücher abgeschafft hat, ist für das Börsenblatt der "Aufreger der Woche".

Wer darf wie nach Büchern recherchieren? fragt sich die Branche. Mit Vorwürfen konfrontiert wird die Börsenvereins-Tochter MVB GmbH als Betreiber des Verzeichnis lieferbarer Bücher. Sie hatte die Suchfunktionen beim kostenlosen VlB-Endkundenportal Buchhandel.de eingeschränkt. In den Genuss der vollen Recherchemöglichkeiten sollten nur noch die Abnehmer des VlB-Abonnements kommen, also die zahlenden Buchmacher und -händler - weniger die Käufer. Insbesondere für kleinere und wissenschaftliche Verlage sei das VlB das wichtigste Marketing-Instrument im Internet, erklärt das Börsenblatt das Dilemma. Um die Wogen vorerst zu glätten, hat die MVB bis zu einer Lösung des Problems alle Daten wieder frei zugänglich gemacht.

Wenn die Vertriebler von Weltbild einen neuen Coup planen, reagieren die Buchhändler mitunter misstrauisch bis kritisch. Auch das Konzept, monatlich zwei Originalausgaben nicht nur über den Weltbild-Katalog und eigene Filialen, sondern zudem über das allgemeine Sortiment zu vertreiben, stieß nicht sofort auf Gegenliebe. Dennoch laufe das Projekt gut an, hat das Börsenblatt von Weltbild erfahren. Ob sich die Augsburger als weiteren Schritt auch die Taschenbuchrechte der Premieren sicherten, lasse sich nicht generell sagen.

Ein aktuelles Urteil verpflichtet Sortimenter, Mängelexemplare auf tatsächliche Mängel hin zu prüfen. Das Börsenblatt wollte in seinem Rundruf wissen, ob sich daraufhin das Angebot ändern wird.

Meldungen: Branchen-Primus Thalia (132 Sortimentsbuchhandlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz) hat seinen Umsatz in den ersten Monaten seines Geschäftsjahrs 2004/2005 (Oktober bis Juni) um 21,4 Prozent auf 347 Millionen Euro gesteigert. Die Antiquariate konnten im vergangenen Jahr ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr nur minimal, um 0,5 Prozent, erhöhen (Studie: Institut für Handelsforschung). Am 10. September startet die Süddeutsche Zeitung die 50-bändige Kinderbuch-Edition "Junge Bibliothek", in der Aufmachung und im Preis angelehnt an die SZ-Bibliothek (hier alle Titel). Das Deutsche Literaturarchiv (mehr) stellt Anfang 2006 unter literaturtermin.de einen Literaturkalender ins Internet. Nur knapp einem Insolvenzverfahren entronnen ist der Dresdener Gebrauchtbuchhändler Elbe-Team, der kommentarlos Mietrückstände von 70.000 Euro angehäuft hatte - mit einem Vergleich wurde das Verfahren eingestellt.
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