Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
11.10.2005. In dieser Woche: Warum der Buchreport noch an einen positiven Jahresabschluss des Buchhandels, und warum Wikimedia an Wikipedia glaubt. Und wie der Börsenvereins-Vorsteher Dieter Schormann im Börsenblatt seinen Übertritt zu Thalia erklärt. Von Sandra Evertz 

buchreport.express

Der Buchreport glaubt noch an einen positiven Jahresabschluss für die Buchhändler. Die aktuelle Umsatztrendstudie des Branchenmagazins kommt nach den ersten neun Monaten des Jahres auf ein kumuliertes Plus von 2,2 Prozent - die Erstverkäufe von "Harry Potter VI" (Verkaufsstart: 1. Oktober) noch nicht mit einberechnet. Joanne K. Rowlings kleiner Zauberer ist es dann auch, der dem Buchreport Anlass zum Optimismus gibt (siehe Artikel unten), darüber hinaus würden die Billigbibliotheken und das Weihnachtsgeschäft vermutlich im letzten Quartal für gute Umsätze sorgen. Stimmt die Prognose, nimmt der Buchhandel aller Voraussicht nach einen Sonderstatus unter den Einzelhandelssparten ein. Der Einzelhandelsverband rechnet für 2005 insgesamt mit einem Minus von einem Prozent.

Die Vermutung, die die Buchmacher schon seit Wochen (siehe Archiv) haben, wird jetzt mit Zahlen bestätigt: Politikbücher erhielten durch die vorgezogene Bundestagswahl keinen Anschub. Ganz im Gegenteil, das Sachbuch lieferte im September mit einem Umsatzminus von 8,48 Prozent (in Bezug auf den Vorjahresmonat) das schlechteste Ergebnis im Warengruppenvergleich des Buchreports. Die drei meistverkauften Sachbücher des letzten Monats: der Rechtschreib-Duden, Corinne Hofmanns "Wiedersehen in Barsaloi" und Peter Hahnes "Schluss mit lustig - Das Ende der Spaßgesellschaft" (mehr).

Euphorische Stimmung bei Carlsen: Rund eine Million Exemplare des neuen Potter-Bands gingen nach Verlagsrecherchen am Erstverkaufstag durch die Kassen. Eine Zahl, mit der keiner gerechnet hat und die dennoch für den Buchreport ganz logisch ist, hätten doch die Medien diesmal im Vorfeld nicht so viel Getöse gemacht, keine großen Erwartungen geschürt. Letzte Woche schrieb das Magazin noch über einen "abebbenden Harry Potter-Hype" (siehe Archiv), diesmal heißt es: "Weil das Besondere im Hype um Harry mittlerweile zur Routine geworden ist, erreichte das Beben in den Massenmedien nicht mehr die Höchstwerte auf der Potterskala, die bei Erscheinen der letzten Bände zu verzeichnen waren." Hier der vollständige aktuelle Artikel, der unter anderem den "Potter-Rausch im Detail" beschreibt.

Abschreibende Wikipedia-Autoren kratzen am Image der freien Internet-Enzyklopädie. Der jüngst erbrachte Nachweis, dass einige Beiträge in der Wikipedia "1 zu 1" aus anderen Quellen übernommen sind, und der damit verbundene Verstoß gegen das Urheberrecht, lässt Wikimedia-Mitglied Mathias Schindler weiterhin ruhig schlafen. Er kontert im Buchreport: "Die Zahl der Fälle bei denen zum Beispiel Journalisten aus der Wikipedia abschreiben, ohne die Quelle zu nennen, ist größer." Verhindern, dass geklaute Artikel in die Wikipedia gelangen, könne man nicht. Man könne aber dafür sorgen, dass solche Artikel innerhalb einer Woche entfernt würden.

Der Handel mit gebrauchten Büchern blüht in den USA wie nie zuvor. Das haben auch die amerikanischen Sortimenter gesehen und räumen dem Second-Hand-Segment immer größer Flächen ein. Bereits 65 Prozent der stationären Buchhändler seien beim Gebrauchtbuchgeschäft dabei, zitiert der Buchreport eine neue Studie der Book Industry Study Group. Dass vor allem die Nachfrage nach gebrauchter Unterhaltungsliteratur überdurchschnittlich schnell steigt, bereitet den Verlegern jenseits des Atlantiks Sorge. Sie könnten die Verlierer des Trends sein, denn gut möglich ist, dass sich der florierende Second-Hand-Markt auf Dauer negativ auf den Absatz der Neuerscheinungen auswirkt.

Personalien: Die Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach, ist in die Akademie Deutscher Buchpreis des Börsenvereins berufen worden. Mehr. Christiane Düring arbeitet seit Anfang Oktober als Programmleiterin im Arena Verlag, vorher war sie Belletristik-Lektorin bei Lübbe.

Meldungen: Der österreichische Tosa Verlag zieht unter das Dach des größten privaten Verlags der Alpenrepublik, Carl Ueberreuter. Der Manga-Spezialist Tokyopop steigt ins DVD-Geschäft ein. Jan Philipp Reemtsma wird mit dem "Preis der Kritik" des Hamburger Hoffmann und Campe-Verlags ausgezeichnet, das heißt in Naturalien: 99 Flaschen Wein und die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Werkausgabe. Der frühere Börsenvereins-Vorsteher Gerhard Kurtze will sich mit einem Förderverein für die Buchstadt Leipzig und das buchwissenschaftliche Angebot der örtlichen Universität stark machen. Aus dem Stand weg auf den Spitzenplatz der Spiegel Bestsellerliste Belletristik ist "Harry Potter und der Halbblutprinz" gesprungen. Was sich sonst in den "Top 50" der Buch-Charts getan hat, hier.

Börsenblatt

Börsenvereins-Vorsteher Dieter Schormann schließt das Hauptgeschäft seiner Ferber'schen Universitätsbuchhandlung in Gießen. Eine Kapitulation vor Großbuchhändler Thalia, der ab November ebenfalls in der hessischen Unistadt vertreten sein wird. Die Geschäftsaufgabe begründet Schormann im Börsenblatt mit der ungeklärten Nachfolge für die Ferber'sche, der Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern (20 von 34 hätten die Chance, bei Thalia zu arbeiten) und der ähnlich großen Fläche der beiden Buchhandlungen, die das Geschäft auf alle Fälle schwieriger machen würde. Auch der Warenbestand der Ferber'schen und Schormann selbst als Mann für PR, Marketing und Veranstaltungen kommen beim Branchenprimus unter.

Börsenblatt online meldet übrigens heute, dass Thalia weiter Umsatzgewinne erzielt (in Deutschland flächenbereinigt um 3,4 Prozent). Zur positiven Entwicklung hätten die per Juli 2004 übernommenen Buchhandlungen von Bouvier / Gonski ebenso beigetragen wie die Buchhandlungen der Kober-Löffler-Gruppe, an der die größte deutsche Buchhandelskette seit 30. September 2004 mehrheitlich beteiligt sei. Mehr.

Zu Google und dessen im Entstehen begriffener Volltextsuche steigt jetzt Konkurrent Yahoo mit einem Digitalisierungsprojekt in den Ring. Die von Yahoo mitbegründete Open Content Alliance plant, zunächst Bibliotheks- und Archivbestände gemeinfreier Werke einzuscannen und allgemein sowie kostenfrei im Internet zugänglich zu machen. Die Allianz hat Großes und Aufwändiges vor: Von urheberrechtlich geschützten Texten wolle sie sich die ausdrückliche Genehmigung der Rechteinhaber einholen, berichtet das Börsenblatt. Somit würden Autorenklagen - wie Google sie jetzt schon am Hals hat - vermieden.

Sollte die Frankfurter Buchmesse eine Buchmesse bleiben - oder ist die Öffnung für die 343 Spielwarenhändler, die in diesem Jahr erstmals ausstellen, begrüßenswert? wollte das Börsenblatt letzte Woche von Sortimentern wissen. Fazit des Rundrufs: Die Kooperation zwischen den Frankfurtern und der Nürnberger Spielwarenmesse findet überwiegend Anklang.

Das Börsenblatt ärgert sich über den Schweizer Buchpreis-Überwacher Rudolf Strahm. In einem Porträt des Magazins Comedia soll Strahm die deutschen Verlage angegriffen und unterstellt haben, sie rechneten beim Export den deutschen Mehrwertsteuersatz nicht heraus ("Schon längst hätte jemand gegen sie klagen müssen"). "Ein Pauschalurteil", kommentiert das Börsenblatt und "kein Zeichen nachbarschaftlicher Kommunikation".

Meldungen: Necla Kelek bekommt für ihr Buch "Die fremde Braut" (Kiepenheuer & Witsch) den Geschwister-Scholl-Preis verliehen.
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