Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
07.11.2005. In dieser Woche: Wie Thalia mit Hilfe der Verlage weiter expandieren will. Und was die Verlage von der  Online-Volltextsuche in ihren Büchern erwarten. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Es ist erst wenige Monate her, dass der finanziell angeschlagene Karstadt-Konzern die Verlage zur Rettung seiner Buchsparte zur Kasse gebeten hat. Erwartungsgemäß ohne Erfolg (siehe Archiv). Spannender könnte die Reaktion der Verlage auf den gerade ausgesprochenen Wunsch des Branchenprimus Thalia ausfallen: Das Hamburger Unternehmen will Beihilfe zur Expansion und hat in Briefen an die wichtigsten Publikumsverlage um Prämien - in einer Größenordnung bis zu 5.000 Euro - für jede neu eröffnete Filiale gebeten. Außerdem hätte Thalia gern den ersten Zugriff auf Reste und Autoren-Veranstaltungen sowie eine höhere Beteiligung an den Werbekosten. "Spielen die Verlage mit, könnten sich die Zuschüsse rasch zum siebenstelligen Thalia-Unterstützungsfonds summieren", rechnet der Buchreport vor. Aber: Spontan haben sich die Vertriebsleiter der angeschriebenen Verlage eine Ablehnung des Thalia-Vorstoßes zugesichert.

Was die deutschen Verleger aktuell in Aufregung versetzt, ist seit Jahren Usus in den USA und Großbritannien. "Dort lassen sich die führenden Buchhändler nicht nur ihre Werbung zu großen Teilen von Random House & Co. bezahlen", weiß der Buchreport. Freundliche Zuschüsse, nicht unbedingt in bar, sondern in Form von Sonderkonditionen, verlängerten Zahlungszielen und Preisnachlässen selbst auf Kleinstbestellungen würden in diesen Ländern von den Lieferanten vorausgesetzt. Wie viel Geld auf diese Weise von Verlagsseite in die Buchhandelskassen fließt, bleibt unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit.

Die drei von Random House Deutschland einverleibten FAZ-Verlage DVA, Manesse und Kösel sollen programmverantwortlich autark und mit eigener Ergebnisverantwortung agieren. Das erklärte Random House-Geschäftsführungsmitglied Klaus Eck im Buchreport-Interview. Die neuen Verlage müssten sich auch gegenüber den Hausmarken im Wettbewerb verantworten, sagte Eck. Der Wink geht in Richtung DVA, die sich aufgrund der thematischen Nähe vom Sachbuchprogramm der älteren Verlagsschwester Siedler abgrenzen muss. Aber, gab sich Eck überzeugt, Konkurrenz belebt das Geschäft.

Die Verwirrung um die digitalen Volltextsuchen (siehe auch Börsenblatt) ist komplett. Jede Woche, so scheint es, springen neue Anbieter auf den fahrenden Zug auf. Diesmal kündigen die Verlagsauslieferung Prolit und die Brockhaus Commission ein eigenes Angebot an, bei der Open Content Alliance (u.a. Yahoo) steigt Microsoft ein und Random House in München informiert vage, dass möglicherweise die New Yorker Zentrale an einer Lösung für alle Bertelsmann-Buchverlage arbeite. Und während die einen noch überlegen und planen, profitieren die anderen schon von ihrer Weitsicht und dem Mut, vor der Konkurrenz mit einer Online-Volltextsuche am Markt gewesen zu sein. Von Amazon-Geschäftsführer Ralf Kleber hat der Buchreport erfahren, dass der Absatz von Titeln mit Amazons "Search inside!"-Funktion um durchschnittlich acht Prozent gesteigert werden konnte.

Personalien: Der Buchreport spekuliert über den Wechsel von DVA-Geschäftsführer Jürgen Horbach zur Kölner Verlags- und Mediengesellschaft AG (VEMAG).

Meldungen: Wer mit der Endsilbe "-ix" einen Markennamen kreiert, schädigt nicht unweigerlich die "Asterix"-Familie, urteilte der Europäische Gerichtshof - geklagt und verloren hatten "Asterix"-Vater Albert Uderzo und sein französischer Hausverlag Albert Rene gegen die dänische Handymarke "Mobilix" (nicht zu verwechseln mit "Obelix"). Billigbuch.de, das ehemalige Zanolli-Internetportal, geht unter neuer Geschäftsführung und mit den im September gekündigten Mitarbeitern wieder online. Die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) wird künftig einen festen Geschäftssitz beim Börsenverein in Frankfurt bekommen und einen Geschäftsführer einstellen. Der Piper Verlag startet im kommenden Frühjahr eine Reihe mit Schwerpunkt auf nordischen Literaturen. Zum Schluss: die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

In welcher Form wollen die Verlage an einer "Volltextsuche online" teilhaben? hat das Börsenblatt nachgefragt. Grundsätzlich waren die interviewten Verlagsmitarbeiter neugierig, aufgeschlossen gegenüber dem neuen Marketing-Instrument - und bereits mehr oder weniger aktiv. Auf den verlagseigenen Internetseiten durchsuchbar sind u.a. Bücher von Campus und Diaphanes, "Search inside!" und "Google Print" wird zurzeit von Hanser bzw. Schüren getestet. Durch die Bank unterstützenswert fanden die befragten Buchmacher das vom Börsenverein initiierte Projekt "unabhängige Digi-Plattform". Für "überaus sinnvoll" und "für kleinere und mittlere Verlage unentbehrlich" hält es zum Beispiel Verleger Wulf D. v. Lucius. Bemängelt wurden nach wie vor die Kosten. Dazu Verlegerin Annette Schüren: "Wir würden uns gern beteiligen, aber die bisherigen Modellrechnungen (rund 10.000 Euro bei 50 Novitäten im Jahr und einer Backlist von 500 Titeln) kommen für uns nicht in Frage." (In einem aktuellen Interview mit dem Börsenblatt berechnet Matthias Ulmer, Mitglied der Taskforce Volltextsuche beim Börsenverein, den Verlagen übrigens 3.000 Euro Minimum jährlich für Server und Backlist plus rund 30 Euro für jede Novität.)

Die Auszeichnung des Schriftstellers Orhan Pamuk mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels hat die türkische Öffentlichkeit gespalten. "Während liberale Zeitungen wie Radikal den gesamten Text der Dankesrede abdruckten, beschränkten sich andere Blätter auf kurze, unkommentierte Meldungen", berichtet das Börsenblatt. Hürriyet, die auflagenstärkste Tageszeitung, habe kritisiert, dass vor allem Pamuks Äußerungen zu den dunklen Punkten der Geschichte (Kurdenpolitik und Armenier-Genozid) in der Paulskirche für Beifall gesorgt hätten.

Büchner-Preisträgerin Brigitte Kronauer will nicht "schwierig" sein. Das sei ein ihr ewig anhaftendes Klischee, das wohl hauptsächlich von Leuten kolportiert werde, die nichts von ihr gelesen hätten, sagte sie im Gespräch mit dem Börsenblatt. Auch möchte sie nicht lesen oder hören, ihre Werke kämen, ganz postmodern, nicht aus dem Leben, sondern aus der Literatur. Kronauer: "Irrtum, Holzweg, Quatsch!"

Zur ersten Priorität des neuen Börsenvereins-Hauptgeschäftsführers, Alexander Skipis, ist die Lobbyarbeit für den Erhalt des reduzierten Mehrwertsteuersatzes bei Büchern geworden. Zwar haben sich vor der Bundestagswahl noch alle Parteien für die "sieben Prozent auf Bücher" ausgesprochen, einen Unsicherheitsfaktor sieht das Börsenblatt jedoch bei den beiden jetzigen Verhandlungsführern um die Sanierung der Staatsfinanzen, Roland Koch und Peer Steinbrück: Sie forderten seit längerem eine Anhebung auf acht Prozentpunkte, Koch habe sogar kürzlich in der Berliner Zeitung mit dem Gedanken gespielt, für Bücher den vollen Mehrwertsteuersatz einzuführen.

Den Zusammenbruch des Schweizer Buchmarkts fürchtet der Präsident des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands, Men Haupt, gesetzt den Fall, dass den Forderungen des Preisüberwachers Rudolf Strahm nachgegeben wird. Strahm möchte erreichen, dass Bücher aus Deutschland zum paritätischen Wechselkurs umgerechnet und dann nur noch minimal erhöht werden. "Das bricht den meisten Sortimenten das Genick - selbst Großbuchhandlungen würden in die roten Zahlen schlittern", warnt Haupt.

Meldungen: Die Literaturagentin und Übersetzerin und Ray-Güde Mertin wurde zur "BücherFrau des Jahres" gewählt; ihr besonderes Engagement gilt der portugiesischen Literatur. Wladimir Kaminer erhält den mit 10.000 Euro dotierten erstmals verliehenen Literaturpreis der Stahlstiftung Eisenhüttenstadt. Die Schweizer Buchhandlungen der W. Jäggi AG firmieren in Zukunft unter Thalia.
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