Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
15.05.2006. Warum sich die Frankfurter Buchmesse in London verhebt. Woher die jüngst entdeckten Millionen des Börsenvereins stammen. Mit wem das "Graubrotgesicht" Joachim Lottmann verfeindet ist. Und wer beim Motorradfahren am liebsten unter dem Helm singt.

buchreport.express

Der buchreport macht sich Sorgen, dass sich die Frankfurter Buchmesse an ihren Expansionsplänen in London verheben könnte (hier der Link zum Artikel). Juergen Boos - als Messechef erst seit 2005 - müsse nicht nur innerhalb von einem Jahr die Konkurrenz zur London Book Fair (LBF) aus dem Boden stampfen, sondern parallel auch am Profil der Frankfurter Messe feilen. Schon 2001 sei der Versuch, eine eigene Lizenzmesse in New York zu etablieren, kläglich gescheitert. Im Interview mit den Dortmundern zeigt sich der herausgeforderte LBF-Messedirektor Alistair Burtenshaw "überrascht, verblüfft und irritiert". Die Nachricht aus Frankfurt sei "aus heiterem Hummel" gekommen, zu einem Zeitpunkt, da 80 Prozent der Fläche für 2007 schon vergeben gewesen sei. Siedler-Verlagsleiter Thomas Rathnow wagt die kühne Prognose, dass die LBF-Mutter Reed Exhibitions nun eine Messe in München aufziehen könnte. (Update: Inzwischen hat die London Book Fair zum Gegenangriff angesetzt und ihren Umzug zum Earls Court bekanntgegeben - zu der Location, wo die Frankfurter eigentlich ihre Konkurrenzveranstaltung abhalten wollten. Jetzt fragt sich: Wessen Mietverträge sind gültig?)

"Wo kommen die Millionen her?", fragt buchreport mit Blick auf den jüngst entdeckten und seitdem heiß diskutierten " Cash-Pool" des Börsenvereins. Von den 16 Millionen Euro gehöre der Großteil den Wirtschaftstöchtern des Verbands und diene daher nicht der Sanierung des finanziell angeschlagenen Vereins. Doch selbst mit den Millionen im Rücken seien die Finanzlöcher (Tilgung des Kredits für das Leipziger Haus des Buches, Verzeichnis lieferbarer Bücher, Volltextsuche Online, möglicherweise ein Musterprozess gegen Google sowie eine Verfassungsklage gegen den "Zweiten Korb" des Urheberrechts) kaum zu stopfen. Im Kommentar empfiehlt Daniel Lenz: Nur ein professionelles Controlling könne dem derzeit zur Hybris neigenden Verband die Zügel der Vernunft anlegen.

In der Buchbranche wird Thalia gerne als übermächtiger Teufel an die Wand gemalt. buchreport stutzt dem Diabolus die Hörner: Flächenbereinigt seien die Hagener seit Oktober 2005 nur um 1,6 Prozent - und somit langsamer als der Branchenschnitt - gewachsen. Das enorme Expansionstempo hinterlasse Spuren. So müssten neu eröffnete Filialen erst auf Touren kommen; außerdem müsse der Umsatzkuchen unter immer mehr großen Wettbewerbern aufgeteilt werden.

Jeweils rund 70 Prozent ihrer Comic-Umsätze spielen Carlsen und Egmont mit Mangas ein; in Deutschland liegt das Manga-Marktvolumen bei mindestens 50 Millionen Euro. Doch nach dem rasanten Aufstieg der von hinten nach vorne gelesenen Bilderheftchen flachen die Wachstumskurven allmählich ab. Die Egmont-Programmmacher warnen vor der "Gefahr der Übersättigung" als Folge des großen Titelausstoßes (rund 1000 Neuerscheinungen pro Jahr). Carlsen glaubt weiterhin an ein Wachstum (hier ein Interview mit Manga-Chef Kai-Steffen Schwarz). Das zentrale Nadelöhr bleibt der Buchhandel.

Weitere Meldungen: Die Buch Basel will sich als dritte große Messe im deutschsprachigen Raum neben Frankfurt und Leipzig etablieren. Amazon tritt nach dreijähriger Abstinenz wieder in den Bundesverband der Versandbuchhändler ein. Booklooker und die Zeit starten einen Marktplatz für gebrauchte Bücher. Verleger können ihre Daten nun selbst im Verzeichnis lieferbarer Bücher pflegen. Die Gewerkschaft ver.di hat mit den Berliner Buchhändlern und Verlegern einen Tarifabschluss (1,9 Prozent mehr Lohn) erzielt. Die Ernst Klett AG zieht nach einem Umsatzplus von 6 Prozent im vergangenen Jahr (auf 352 Millionen Euro) wieder an Cornelsen vorbei und liegt auf Platz zwei im Ranking der 100 größten Verlage. Die Pläne der BBC, sämtliche Sendungen seit 1937 ins Netz zu stellen, läuten das Ende des herkömmlichen Rundfunks ein (hier mehr zum Thema). Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Politically correct stellt das Börsenblatt die Expansionspläne der Verbandsschwester Ausstellungs- und Messe-GmbH (also Frankfurter Buchmesse) dar. Messechef Juergen Boos trete als David gegen Goliath Reed an. Im Interview präsentiert sich Boos optimitisch, dass sich der Buchmesse-Weltmarktführer gegen den größten Messeveranstalter der Welt durchsetzen kann. Viele englische Verlage und Agenten seien auf der Seite der Frankfurter. Er gehe davon aus, dass die London Book Fair schon 2007 nicht mehr stattfinden werde. (Update: siehe oben)

Als "Plünderer der Medienkultur" und "großen Selbstentblößer" stellt das Verbandsblatt den Autor Joachim Lottmann vor. Lottmann störe sich nicht daran, dass viele Überdruss an seinem "Graubrotgesicht" empfänden oder dass Maxim Biller der Einzige sei, der sich nicht verleugnen lasse, wenn er anrufe. Mit Christian Kracht sei er ebenso verfeindet wie mit Rainald Goetz (ein Schicksal, das viele im Literaturbetrieb wohl teilen). Am Ende führt Lottmann (hier ein Interview der Netzeitung mit dem "Rächer der Rütli-Jugend") den Reporter nach Spandau in einen Kostümverleih, wo sich der 50-Jährige für ein Treffen des Hochadels in Karlsbad rüstet.

Der ostdeutsche Buchhändler Wolf Sander entgegnet dem Kommentar von Grafit-Verleger Rutger Booß. (Tenor Booß: Die neuen Einkaufsmodelle mit wachsenden Barsortiments- statt Verlagsbezügen führen zu Einförmigkeit und Standardisierung im Buchhandel) Sein eigener ökonomischer Erfolg beruhe gerade auf einem hohen Barsortimentsanteil von 80 Prozent. "Bitte betreiben Sie ernsthaftes Marketing", wendet sich der Sortimenter an die "jammernden Verleger". "Und bitte fangen Sie an zu rechnen, bleiben Sie nicht stehen beim einfachen Dreisatz des Buchhandelsrabatts, hinter diesem Horizont geht es weiter".

In der oft unsäglichen, manchmal jedoch zumindest kuriosen "Fragebogen"-Rubrik bekennt Blessing-Programmleiter Tilo Eckardt, am liebsten Motorrad zu fahren - und dabei unter dem Helm laut zu singen.

Weitere Meldungen: Seit Januar sind neu stationäre Buchhändler und zwei Versandbuchhändler an den Start gegangen. Die Fachbuchhandlung Hofmann in Ulm steht vor dem Aus. Der Versuch von Tim Waterstone, die von ihm gegründete Buchhandelskette zurückzukaufen, ist gescheitert. Der Markt der Ratgeber schrumpft seit Monaten.
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