Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
05.06.2006. Was soll bloß aus den Vetretern der Verlage werden? Wer wird Nachfolger des Bertelsmann-Chefs? Wo sitzen die Halsabschneider im Buchhandel? Und warum war die missglückte Expansion der Buchmesse in London "fabelhaft"?

buchreport.express



Ein Dauerthema bei buchreport: Was soll bloß aus den Vertretern werden, die zwei Mal im Jahr ausschwärmen, um gestressten Buchhändlern die neuen Bücher der Verlage aufzuschwätzen? Da die Vertreter von ihren Rundreisen immer weniger Bestellungen mitbringen, muss die Bezahlung, wie buchreport fordert, neu geregelt werden (bislang werden Vertreter fast nur für Reise- und Anschlussaufträge honoriert). "Das klassische Vertretergespräch lohnt sich in vielen Fällen nicht mehr", räumt beispielsweise Rowohlt-Marketingchef Lutz Kettmann ein. Da die Margen für die Verlage immer schmaler werden, entsteht ein Problem, für das weder die Verlage noch buchreport eine Patentlösung bereit halten.

Nach monatelanger Verspätung forciert der Börsenverein zusammen mit den neuen Dienstleistungstöchtern MPS Technologies und HGV Publishing Services (beide Holtzbrinck) das Vorzeigeprojekt "Volltextsuche Online". Hintergrund des Temposchubs laut buchreport: Holtzbrinck sei mit der eigenen Volltextsuche-Technologie "BookStore", die für Konzern- und Fremdverlage entwickelt wird, schon weit fortgeschritten. Nachdem ein Prototyp deutschen, englischen und US-Verlegern präsentiert worden ist, werde im Juni eine Beta-Version online gehen. Somit stehe Holtzbrinck, verglichen mit anderen großen Verlagsgruppen, die ebenfalls an eigenen Volltext-Portalen arbeiten (Random House, Harper Collins, Simon & Schuster), in der Pole-Position. Das Börsenvereins-Projekt soll erst zur Frankfurter Buchmesse in einer Beta-Fassung vorstellt werden. Ein Risiko bleibt jedoch für den Börsenverein: Verlage könnten eher mit der Dienstleistungstochter als der Verbandsmutter kooperieren. Außerdem steht die Kooperation mit den großen Suchmaschinen in den Sternen. Bis zur Frankfurter Buchmesse werde Google die eigene Volltextsuche ausweiten - voraussichtlich erst vom "Labs"- ins "Beta"-Stadium überführen sowie später um den Vertrieb der digitalisierten Texte ergänzen.

Bei Bertelsmann scheint nach dem angekündigten Rückkauf der 25-prozentigen Beteiligung von Albert Frere alles in Butter. Börsengang vom Tisch, die Familie hat wieder das Sagen. buchreport stellt jedoch mehrere Fragen, die noch offen sind: Verliert Bertelsmann mit der Abspaltung der Musiksparte an Bedeutung? Gelingt es dem Konzern, die teuren Bankkredite durch Anleihen abzulösen, obwohl sich das Rating verschlechtert hat? Und: Wer rückt nach Gunter Thielen an die Spitze - Arvato-Chef Hartmut Ostrowski oder doch Mohns Sohn Christoph?

Rund 50000 Pfund kassiert der britische Buchhandelsfilialist WH Smith von den Verlagen, um ein neues Buch eine Woche lang in den Läden und Katalogen prominent zu platzieren. Die Halsabschneider-Mentalität der britischen und US-amerikanischen Ketten ist zwar nicht neu, wird aber, nach den Beobachtungen der Dortmunder, von Medien immer häufiger thematisiert. Zuletzt hat die Sunday Times über den drohenden Ausverkauf des Literaturbetriebs auf der Insel berichtet. Worüber deutsche Verleger nur staunen können, werde von den Briten und Amerikanern zähneknirschend hingenommen - "weil es keine Alternativen gibt." (Ganz so weit ist der deutsche Buchhandel von den englischen Verhältnissen jedoch nicht entfernt, denn auch hierzulande werden die Verleger angehalten, bei Amazon oder Thalia und Co. deftige Werbekostenzuschüsse zu zahlen. Bei amazon.de kostete die vierwöchige Präsentation des verlagseigenen Schreibers als "Autor des Monats" schon vor Jahren rund 7500 Euro, für einen Themenartikel mussten Verlage 3500 Euro zahlen)

Weitere Meldungen: Die Verleger ziehen mit einem gemeinsam entwickelten Vergütungsmodell in die Verhandlungen mit den Übersetzern - demnach würden Bestsellerübersetzer weniger, Übersetzer von Nischentiteln jedoch mehr verdienen. Oldenbourg und Rowohlt verklagen mit dem Börsenverein die VG Wort, die in diesem Jahr die Verlegeranteile an den Ausschüttungen gekürzt hatte. Random House Audio legt ein eigenes Kinderprogramm vor. Hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt



Eine Woche später als der buchreport bilanziert das Börsenblatt (auf 14 Seiten - der Rest ist dafür ziemlich dünn) die Buchhändlertage von Berlin. Selten so entspannt gescherzt, gegessen und getrunken, lautet das Fazit von Ex-DVA-Chef Jürgen Horbach (heute Vorstand der VEMAG). Gottfried Honnefelder wurde als Vorsteher mit großer Mehrheit im Amt bestätigt, und selbst der Buchmesse-Chef Juergen Boos bekam - trotz seiner Bauchlandung vor den Toren in London (mehr hier) - Rückendeckung von der Verbands-Chefetage. Dass der Buchmessedirektor Risiken eingehe, wenn er große Chancen sehe, so Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis, sei "fabelhaft" (was Mitglieder des Verbands mitunter weniger schönfärberisch sehen). Friedefreudeeierkuchen auch bei der Verbandsreform, die trotz Querelen im Vorfeld vorangetrieben werden konnte, sowie bei den Finanzen: Das drohende "Delta" zwischen Einnahmen und Ausgaben von 1,2 Million Euro bis 2010 soll durch neue Beitragsstaffeln (bei denen die Filialisten mehr zahlen) und veränderte Dienstleistungen aufgefangen werden.

Verhalten optimistisch blicken die Verleger aufs restliche Jahr: 43 Prozent rechnen mit steigenden Umsätzen, ebenfalls 43 Prozent mit Stagnation. Auf der Kostenseite haben die 240 befragten Verleger für das vergangene Jahr eine durchschnittliche Erhöhung um 1,1 Prozent angegeben - besonders die Kosten für freie Mitarbeiter, Autoren und Werbung sind angestiegen. Unter dem Strich bleiben Herstellungs- (27 Prozent) und Personalkosten (23 Prozent) die größten Posten.

Im Jahr 2005 sind fast 90000 neue Titel erschienen - 3,9 Prozent mehr als 2004. Lässt sich der stagnierende Markt damit beleben, fragt das Börsenblatt. Und erntet ein kollektives "nein" aus den Verlagen Campus, Piper, Herder, Aufbau und Rowohlt.

In unserer Lieblingsrubrik "Fragebogen" zeigt sich diesmal die Kerr-Preis-Gekrönte  Meike Feßmann erstaunlich uninspiriert. Lieblingsbeschäftigung der Literaturkritikerin? "Lesen und aufs Meer schauen." Auf welche bevorstehende Begegnung sie sich freue? "Immer die nächste." Nächstes Ziel? "Lesend in der Sonne liegen."

Weitere Porträts in der Menschen"-Rubrik: Sylvia Schaten (leitet die Universitätsbuchhandlung auf dem Bochumer Campus), Knut Elstermann (freier Moderator, Filmkritiker und Buchautor: "Gerdas Schweigen", Bebra Verlag Berlin) und Titus Häussermann (seit 20 Jahren Verleger des Silberburg Verlags).

Weitere Meldungen: Den Sondereditionen der Zeitungsverlage geht nach einer GfK-Studie allmählich die Luft aus. Die Börsenvereinstochter Factoring Gesellschaft Media (wiederum eine Tochter der BAG, Verein für buchhändlerischen Abrechnungsverkehr) hat durch die Pleite des Billigbuchimperiums Zanolli 1,5 Million Euro verloren. Gerhard Schröder hat Textpassagen in dem Buch "Der Deutschland-Clan" von Jürgen Roth beanstandet - und den Eichborn Verlag zum Schwärzen animiert.
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