Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
19.06.2006. Warum Diogenes auf dunkle Pferde setzt. Weshalb Google, Amazon und eBay ein bedrohliches Echo im Einzelhandel auslösen. Inwiefern das Internet die Autoren zur Demut erzieht. Und wie sich die Frau an der Spitze der 3,7-Milliarden-Euro-Verlagsgruppe Wolters Kluwer präsentiert.

buchreport.express

Seit Monaten machen die neuen logistischen Angebote der bei Buchhändlern beliebten Einkaufsgenossenschaften eBuch und LG Buch in der Branche Schlagzeilen. Da die Verlage darüber nicht erfreut sind - sie müssen die Einkaufsgenossenschaften zu Höchstrabatten beliefern -, erhöhen sie nach buchreport-Recherchen den Druck auf ihre Auslieferungen: "Sie sollen Direktbestellungen für Buchhändler durch Rationalisierung wieder attraktiver machen und damit den Margenverfall wenigstens teilweise auffangen." Als Lösungsansatz, berichtet buchreport, würden die Auslieferungen zunehmend die Lieferungen verschiedener Verlage nach Warengruppen bündeln und dies in einer Rechnung zusammenfassen. Anlass der buchreport-Wasserstandsmeldung ist der angekündigte Auslieferungswechsel der Verlagsgruppe Lübbe von KNO zur VVA (mehr hier).

Auf neun Seiten listet buchreport die Roman-Novitäten des Herbsts. Fazit: Die Programme der Verlage warten durch die Bank mit bekannten Namen auf; außerdem senken die Verlage die Verkaufspreise bis auf die 15-Euro-Schwelle. Besonders in der deutschsprachigen Literatur zeichne sich ein Generationswechsel ab. Zwar wartet auch ein Martin Walser bei Rowohlt mit dem Titel "Angstblüte" (Juli) auf. Daneben sorgen jedoch besonders Autoren wie Thomas Hettche (Woraus wir gemacht sind", Kiepenheuer & Witsch, August), Ernst-Wilhelm Händler ("Die Frau des Schriftstellers", Frankfurter Verlagsanstalt, September), Helmut Krausser ("Eros", DuMont, September) und Christoph Peters (Ein Zimmer im Haus des Krieges", btb, August) für Rezensionsstoff.

Die Vorstellung der 21. Auflage der Brockhaus-Enzyklopädie war die wohl größte und eindruckvollste Präsentation auf der vergangenen Frankfurter Buchmesse. Doch für ihr enzyklopädische Spektakel müssen die Mannheimer jetzt indirekt bluten. Zur Bilanzpressekonferenz hat der Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG (BIFAG) eine magere Bilanz vorgelegt: Der Umsatz stieg 2005 trotz des Jubiläums "125 Jahre Duden" um 7 Prozent auf 69,8 Millionen Euro, unter dem Strich blieben nur 83000 Euro übrig. Als Hauptgrund nennen die Mannheimer die hohen Investitionen in die Großenzyklopädie.

Der Diogenes-Verlag lockert den bislang strengen Markenauftritt seiner Bücher: Mit den neuen Diogenes-Paperbacks, die vom klassischen Cover-Layout der Züricher abweichen, will Verleger Daniel Keel eine jüngere Klientel erreichen. Trotz der neuen Note will Keel an der Devise "Never change a winning horse" festhalten. Neben den Gewinnerpferden gebe es "dark horses - im Wettjargon die unbekannteren Pferde, die es aber in sich haben und auf die man setzen sollte."

Im Vergleich zu Großbritannien sind die Marketingetats deutscher Verlage Peanuts: Insgesamt 47 Millionen Euro haben britische Verlage 2005 für die Bewerbung ihrer Top-Titel ausgegeben. Das Gros (54 Prozent) entfiel zwar auf Printanzeigen, im Trend liegen jedoch die Werbung auf öffentlichen Posterflächen wie in der Londoner U-Bahn.

Im Kommentar horcht Daniel Lenz auf das für den stationären Einzelhandel "bedrohliche Echo" der jüngsten Signale von eBay (Neuwarenhaus eBay express), Amazon (demnächst sollen Kunden binnen vier Stunden beliefert werden) und Google (Online-Bezahldienst Gbuy, hier mehr). Zwar informiere sich der Konsument bei vielen Produktgruppen in acht von zehn Fällen im Netz, bevor er im stationären Handel die Börse zücke - die Klientel der Online-Rechercheure sei also noch nicht verloren. Gleichwohl müsse der Handel eine neue Anziehungskraft entwickeln, um dem "Triumvirat" Paroli bieten zu können.

Weitere Artikel: Die Zeitschrift Eltern bringt Klassiker der Kinderliteratur in unterschiedlichen Medienformaten (Bilderbücher, Hörbücher, DVDs) im September unter dem Titel "Abenteuer-Edition" auf den Markt. Der WM-Auftakt hat große Löcher in die Kassen der Buchhändler gerissen - von Donnerstag bis Sonntag sank der Umsatz im Vorjahresvergleich um 16 Prozent. eBay ködert für das Neuwarenkaufhaus ebay express (Start in Deutschland im Herbst) auch Verlage; buchreport schätzt, dass bei ebay.de pro Jahr rund 80 Millionen Bücher angeboten werden. Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Eine Frau an der Spitze einer Verlagsgruppe hat weiterhin Seltenheitswert - trotz Friede Springer, Liz Mohn und Ulla Berkewicz. Leider wird Wolters Kluwer-CEO Nancy McKinstry im Interview mit dem Börsenblatt auf ihre außergewöhnliche Rolle nicht angesprochen. Stattdessen äußert sich die gebürtige US-Amerikanerin ausweichend bis politically correct zu Gott und der Welt. Weder zum Regierungswechsel in Deutschland noch zur Zukunftsstrategie der 3,7-Milliarden-Euro-schweren Fachverlagsgruppe zeigt sich McKinstry besonders offenherzig. Immerhin lässt sie durchblicken, dass der "Workflow" der deutschen Töchter verbessert werden soll, indem Arbeitsplätze an einzelnen Standorten konzentriert werden. Zur Rolle des Buchhandels merkt die Wolters Kluwer-Chefin an, dass am meisten Geld künftig ins Online-Geschäft investiert werde.

Welche Rolle spielt der Autor in der von Raubkopien geprägten "Mediengesellschaft", lautet die Frage, die Wolfgang Schneider unter Verlegern und Autoren gestellt hat. Einen "galoppierenden Verlust für den Sinn des geistigen Eigentums" beklagt etwa Kiepenheuer & Witsch-Chef Helge Malchow. "Schwarm"-Urheber Frank Schätzing moniert, dass sein Roman komplett im Internet gelesen werden könne, weil er in Russland ins Netz gestellt worden sei (hier ein Artikel von Telepolis zum Problem des Plagiats bei Verlagen und in der Bloggerszene). Hellsichtig zeigt sich einmal mehr Schriftsteller Georg Klein, der davon ausgeht, dass die neuen Medien den Autor "zur Demut" erziehen und "Partisanen-Taktiken" wie "Tücke, Tarnung, Terror" nahe legen. Was der Artikel leider ausblendet, sind die großen Chancen, die für Autoren durch das Internet entstanden sind: Jenseits von Lektoraten und Feuilletonredaktionen eine große Community zu erreichen und beispielsweise mit Blogs (hier das von Alban Nikolai Herbst) PR in eigener Sache zu betreiben.

Zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels porträtiert Gunter Hofmann, Chefkorrespondent der "Zeit" in Berlin, den Soziologen Wolf Lepenies. Außerdem stellt sich Ina Hartwig, Literaturchefin bei der Frankfurter Rundschau, selbst mit dem "Fragebogen" vor - und hinterlässt einen sympathischen Eindruck: Glücklich mache sie Proust, geprägt habe sie Freud, Lieblingsfigur sei Pippi Langstrumpf, Lieblingsbeschäftigung Grübeln.

"Was ist gefragt beim Kindersachbuch", lautet die Frage der Woche beim BöBla. Thalia und Co. geben Auskunft.

Weitere Artikel: die sächsische Filialkette B.I.S. will unter dem Namen "Books & More" in Nordrhein-Westfalen expandieren. Mit 400 Ausstellern aus 26 Ländern hat die erste Cape Town Book Fair am Wochenende eröffnet; die Messe wird von der Frankfurter Buchmesse und dem südafrikanischen Verlegerverband organisiert. Der Marix-Verlag startet im Herbst eine 100-bändige Reihe "Wissen der Welt". Patmos lässt zum 60-jährigen Bestehen des Verlags sie Artemis-Bibliothek (Texte der Weltliteratur) wiederaufleben.
Archiv: Börsenblatt