Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
31.07.2006. Wie die Blogosphäre Verleger animiert. Inwiefern das Ringen um die schweizerische Preisbindung auch den deutschen Buchmarkt tangiert. Warum Weltbild wieder einmal die Nase vorn hat. Und weshalb der Erstverkaufstag von Büchern im Handel für Unruhe sorgt.

buchreport.express

Ein Rauschen ging durch den Fachblätterwald, als Random House vor Jahren Bücher in Verbrauchermärkten auf eigene Faust verkaufen wollte - aus dem Test in einer Toom-Filiale wurde jedoch nichts. Jetzt sorgt Weltbild mit einer Testfiliale im HIT-Markt in Dormagen für Aufsehen. In Kooperation mit der Dohle Handelsgruppe, ihren Verbrauchermärkten HIT und der Mayerschen-Tochter B.O.B. (Best of Books, versorgt als Rackjobber 72 Shop-in-Shops bei real mit Büchern) starten die Augsburger unter der Marke "Weltbild best" den Supermarkt-Vertrieb. Auf 30 Quadratmetern präsentiert Weltbild nach der buchreport-Inansichtnahme (hier und hier sind die Artikel zu lesen) 800 Titel, vorwiegend Bestseller. "Weltbild ist immer schon da", bescheinigen die Dortmunder der Augsburger Avantgarde. Behält buchreport mit den Prognosen recht, werden jetzt weitere Filialisten und Rackjobber nachziehen - und möglicherweise für britische Verhältnisse sorgen. Auf der Insel liegt der Marktanteil von Supermärkten wie Tesco schon bei zwölf Prozent.

Im Interview mit buchreport empfiehlt der Elder Branchenman Karl Ernst Tielebier-Langenscheidt Verlagen, auf Senioren zu setzen. "Es wäre schön, wenn sie in dem Moment zur Verfügung stünden, in dem die nächste Generation einsteigt." Den Angeboten "Senioren helfen Junioren" der IHK stehe er allerdings skeptisch gegenüber, so der 85-Jährige.

Obwohl am 1. August die revidierte Rechtschreibreform in Kraft tritt, herrscht Kraut und Rüben. Zwar haben die Schulbuchverlage ihre Bücher angepasst, die Publikumsverlage jedoch "präsentieren die Vielfalt des Möglichen unter einem Dach". So bleiben etwa Zsolnay, Hanser und dtv bei der alten, während Ullstein, KiWi und Random House die neue Rechtschreibung bevorzugen. Im Kommentar moniert Thomas Wilking (schiefschön) das "schulterzuckende Schreiben" und die orthografische Unsicherheit. Im "Postskriptum" antizipiert Emil Echo künftige Schüler-Dialoge im Deutschunterricht: "Wie schreibt Duden das? Da Wahrig nie drauf gekommen!"

Der Erstverkaufstag von Büchern im Handel sorgt für Diskussionen. Zuletzt haben die Sortimenter den neuen Duden schon Tage vor dem offiziellen Start (22. Juli) angeboten. Der Börsenverein bereitet nach buchreport-Recherchen eine brancheninterne Regelung nach dem Modell des britischen "Code of Practice" vor, in dem u.a. der Erstverkaufstag geregelt wird. Eine Strafe für Schnellschüsse ist derzeit nicht möglich, es sei denn, die Buchhändler unterschreiben Verpflichtungserklärungen wie seinerzeit im Fall der "Harry Potter"-Bände.

Weitere Artikel: Zeit (Zeit-Klassik-Edition, mehr hier) und Süddeutsche (noch schweigt man in München wie ein Grab) bereiten Klassik-Editionen vor. Die Klett-Schulbuchzentren, die bislang Lehrern vorbehalten sind, werden für das breite Publikum geöffnet; bei Cornelsen und Westermann sollen sie eine geschlossene Geselschaft bleiben. Bonnier beteiligt sich an HörbucHHamburg. Sind die Ex-Kanzler-Memoiren im Rückstand? - Entgegen der Recherchen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hält Hoffmann und Campe-Chef Günter Berg die Zeitnöte von Gerhard Schröder für "aus der Luft gegriffen" und sommerlochverdächtig. Panini und Heyne leiten Internet-Spiele wie "Warcraft" in Buchform ab. Und hier die Bestseller.

Börsenblatt

Die Blogosphäre wird zunehmend zur Brutstätte von Bestsellern analysiert der Chef der "Literarischen Welt" Elmar Krekeler im Börsenblatt-Kommentar. Als Beispiele nennt Krekeler Bastian Sick (wurde zwar nicht durch Blogs, aber immerhin durch das Internet bekannt), Glenn Greenwald, ("How Would A Patriot Act") und die - dem Feuilleton unheimliche - Autorin Kathrin Passig ("Riesenmaschine" heißt ihr Grimme-preisgekröntes Blog). "Modem an und alle Möglichkeiten offen", rät der offenbar flatrate-abstinente Autor den Verlagen. Martin Schöb unterfüttert den Trend mit einem weiteren Artikel, in dem er auf die Ursprünge von Blogs (z.B. Rainald Goetz' Internettagebuch "Abfall für alle" - Goetz hat sich inzwischen aus dem Netz verabschiedet) verweist und bei den Verlagen nachfagt, ob sie künftig auf die so genannten Blooks setzen. Andrea Best (Goldmann) hält "qualitativ gute Blog-Bücher" für Ausnahmen, bei Aufbau beobachten die Strategen die Blogosphäre "aus Marketinggesichtspunkten" (hier sei noch einmal auf einen Verleger verwiesen, der Blogs etwas ernster nimmt).

Der schweizerische Branchenverband SBVV und der Börsenverein ziehen nach der Untersagung der Preisbindung durch die Kartellbehörde Weko vors Bundesgericht. Jetzt fällt die endgültige Entscheidung frühestens 2007. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich fürchten die Verbandsfunktionäre einen "Rutsch in der Politik" (Börsenvereins-Justiziar Christian Sprang), wenn ein Land aus dem deutschsprachigen Raum auf die Preisbindung verzichtet. "Schwieriges Kapitel" überschreibt Carlo Bernasconi seine Analyse des schweizerischen Buchmarkts. Fazit: Die unabhängigen Buchhandlungen verschwinden allmählich von der Bildfläche - besonders in der preisbindungsfreien französischsprachigen Schweiz -, der Umsatz der Branche ist rückläufig (ein Trend, der durch die erwzungene Senkung der Buchpreise verschärft werden dürfte),

Trotz höherer Kraftstoffpreise sind die Transportgebühren in der Branche stabil. Doch bei den Auslieferungen von KNV und Umbreit denken die Logistiker über eine Erhöhung der Preise nach. Bei Umbreit könnte dies 2007 der Fall sein, Runge-Chef Dieter Seggewiß rechnet sogar ab dem 1. Oktober 2006 mit Teuerungen im Büchersammelverkehr.

Im "Menschen"-Ressort präsentiert sich BLV-Verleger Hartwig Schneider umgänglich und freundlich - die Branche sei voller Verrückter, ist der Ex-Bauernverbands-Funktionär überzeugt. Ilja Trojanow füllt den "Fragebogen" mit Leben und interessanten Antworten aus. Welches Buch er gerne schreiben würde? "Don Quijote an der Börse". Nächstes Ziel? "Immer suchen, nie finden." Hauptcharakterzug? "Kopfgeburten im ICE". Außerdem gratuliert Kristof Wachinger dem Verleger Klaus G. Saur zum 65. Geburtstag.

Weitere Artikel: Die Ergänzung des Preisbindungsgesetzes ist in Kraft getreten, dazu zählen die Regelungen zur deutlichen Kennzeichnung von Mängelexemplaren und Liberalisierung von Räumungsverkäufen. Die Alexander-von-Humboldt-Buchhandlung in Potsdam hat schließen müssen. Verlage und der Dokumentelieferdienst Subito haben nach jahrelangem Streit Vergütungsregeln für wissenschaftlicher Texte verabschiedet, die ins Ausland verschickt werden; eine Einigung für den Binnenmarkt steht noch aus (ein Musterprozess soll Klarheit schaffen).
Archiv: Börsenblatt