Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
07.08.2006. Wie der "graue Markt" die Preisbindung unterhöhlt. Warum Jeff Bezos durch nichts mehr zu erschüttern ist. Wer Jagd auf Internetpiraten macht. Und wann Marcel Reich-Ranicki zum letzten Mal beim "Literarischen Quartett" mitmischt.

buchreport.express

In regelmäßigen Abständen sieht buchreport das Ende der Preisbindung nahen. Diesmal ist es der "graue Markt", der die fixen Preise unterminiere (hier mehr). Allein ein Vergleich der Angebote auf dem Amazon-Marketplace (wo dritte Händler ihre Angebote einstellen, an deren Vermittlung Amazon per Provision verdient) mit dem Verzeichnis lieferbarer Bücher habe 280000 Preisbindungsverstöße aufgedeckt. Rund 140 Händler seien schon vom obersten Preisbindungshüter abgemahnt worden. Doch nicht nur die Onlinehändler, sondern auch die Verlage wurden als Übeltäter entlarvt: Die Überproduktion wird laut Preisbindungstreuhänder Christian Russ zunehmend dadurch abgebaut, dass verlagsneue Exemplare als Mängelexemplare verkauft werden. Nach Einschätzung von Börsenvereins-Rechtsexperte Christian Sprang mischen fast alle großen Verlage am Ramschtisch mit.

Mit sichtlich stolz geschwellter Brust drehen die buchreporter ihre Exklusivmeldung aus der vergangenen Woche, dass Weltbild in den SB-Warenmärkten von HIT expandiert, weiter - allerdings ohne die Schraube viel tiefer hineinzupressen. "Marketing-Papst" Hans H. Bauer bestätigt den Dortmundern, dass Shop-in-Shop-Konzepte im Trend liegen - in den SB-Märkten würden auf diesem Weg innerstädtische Passagenbereiche nachgebildet. Die Großen des Buchhandels, die auf ihren angestammten Vertriebswegen nicht mehr ungehemmt wachsen können, mutmaßt buchreport, werden sich künftig herzlich gerne in SB-Warenhäusern und später auch Lebensmitteldiscountern einnisten.

Rekordumsätze, magere Gewinne, schwächelnder Aktienkurs - die schon seit mehreren Quartalen zu beobachtende Situation des weltgrößten Onlinehändlers Amazon nimmt buchreport zum Anlass für einen langatmigen Besinnungsaufsatz über den Unternehmers Jeff Bezos. Darin erfährt der Leser, dass Bezos "inzwischen durch nichts mehr zu erschüttern ist", an seine Vision glaube, während die Aktionäre auf ihre Dividende warteten. Der Amazon-Börsenwert (11 Milliarden Dollar) bestätige Bezos' Vision, gleichwohl sei dies "keine Garantiekarte für die Zukunft". Begründung: Die Internetkonkurrenten Google und eBay richteten ihr Profil immer noch auf ihr Hauptangebot aus (was besonders bei Google nicht stimmt, hier eine Übersicht über das Portfolio, das mit "Suchen" nicht mehr viel gemein hat), während Amazon als Allrounder als Profilschärfe verliere.

Weitere Artikel: Valora Retail eröffnet Mitte 2007 im Flughafen Frankfurt einen Flaggschiff-Buchladen, in Konkurrenz zum Platzhirschen HDS Retail. Thalia zieht 2008 in die Stadtgalerie Hameln. Die Umsätze mit Reiseliteratur sind im Frühjahr zurückgegangen. Die Welle der Abmahnungen gegen Bücher nimmt kein Ende, die jüngsten Fälle sind eine Oppenheimer-Biografie (Nomen Verlag) und ein Buch über Hildegard Knef (DVA). Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Unter der Überschrift "Ärgerliche Verharmlosung" stellt sich der neue Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir den Lesern vor und nimmt Bezug auf die "Störtebekers von heute", die "fette Beute mit Hörbüchern, eBooks und eingescannten Büchern" machten. Den Kampf gegen die Internetpiraten hat auch der oberste Holtzbrinck-Bücherverleger Rüdiger Salat aufgenommen, der im Interview ein stärkeres Problembewusstsein bei den Verlagen einfordert. Außerdem müsse dringend das geplante Gesetz (Umsetzung der so genannten Enforcement-Richtlinie) im Vorfeld modifiziert werden, damit die Rechteinhaber leichter gegen die Piraten vorgehen können. Nach dem Gesetzesentwurf kann ein Verstoß nur auf dem richterlichen Weg geahndet werden; außerdem muss der Rechteinhaber belegen, dass der Anbieter der Dateien eine Bagatellgrenze überschritten hat.

"Her damit!" heißt der Slogan, mit dem Langenscheidt die Käufer im Oktober dazu aufruft, ihre alten Wörterbücher gegen neue zu tauschen und eine Gutschrift zu erhalten. Auf positive Reaktionen aus dem Handel verweist Marketingchef Matti Schüsseler. Ilona Rehme (Sortimenter-Ausschuss im Börsenverein) schimpft in einem Kommentar über den "Unfug der Umtauschaktionen". Überall lägen die alten Schinken in den Buchhandlungen herum, so dass sich die Sortimenter "auf Twiggy-Format" hungern müssten, um in die Personalräume oder in den Sanitärbereich gelangen zu können.

Unter der Adresse www.was-verlage-leisten.de (noch nicht zugänglich) plant der Börsenverein eine Imagekampagne für Verlage, um in der Urheberrechtsreform die Pläne der Bundesregierung zu entschärfen. Auch das verbandstreue Börsenblatt unterstützt das Ansinnen und gibt die Kommentarseite künftig "in loser Folge" für Beiträge von Verlegern zum Thema "Was leisten Verlage?" frei. Als Erster berichtet Matthias Ulmer von den Mühen des Lektorats, einem Leser, dessen Kaktus leidet, ein schönes Buch zum Thema zu servieren.

"Mystery Shopper" nennt man Testkäufer, die im Auftrag von Einzelhändlern Läden und Personal unter die Lupe nehmen. Unternehmensberater Ralf Deckers (BBE Unternehmensberatung in Köln) macht Werbung in eigener Sache und zeigt sich überzeugt, dass auf diesem Weg Verkauf und Service nachhaltig verbessert werden können. Bis zu 100 Kriterien müssten die Testkäufer beachten. Das Instrument, warnt der Kölner, sei allerdings nicht dazu gedacht, Mitarbeiter loszuwerden oder bloßzustellen.

Im "Menschen"-Ressort stehen diesmal die Buchhändlerin Ruth Klinkenberg und Kritikerin Iris Radisch. Die verrät im Fragebogen, dass das "Literarische Quartett" im August voraussichtlich zum letzten Mal mit Marcel Reich-Ranicki tagt.

Weitere Artikel: Unabhängige Buchhändler laufen in Großbritannien Sturm gegen die Pläne der Verlage, die Preise zum Weihnachtsgeschäft zu erhöhen. Der US-E-Bookanbieter Franklin hat sämtliche Anteile am deutschen E-Bookdienstleister Kreutzfeldt Electronic Publishing gekauft. Die Google-Büchersuche zeigt dem Leser jetzt auch die nächstgelegene Buchhandlung an.
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