Fast alle großen Verlagsgruppen versuchen, von den Vorzügen des Web 2.0 zu profitieren, so auch
Holtzbrinck. Im Interview mit
buchreport beschreibt
Stephan Roppel, Ex-Amazon-Bücherchef und seit Januar Geschäftsführer des neu gegründeten
Holtzbrinck eLab, wie Buchverlage auf den Zug aufspringen können: Indem sie den Lesern ermöglichen, sich über Bücher und Autoren auszutauschen, und diesen "
user generated content" durch professionelle Beiträge ergänzen (wofür man nebenbei keine Web 2.0-Applikationen braucht, sondern was seit Jahren auf der Amazon-Seite oder in Foren geschieht, nur eben von den Verlagen sehr zögerlich betrieben wird; rühmliche
Ausnahme:
Carlsen). Gemeinschaftlich erstellter "Literatur a la Wikipedia" gibt Roppel keine Chance. Fazit des arg phrasenhaften Interviews: "Das
ganze Web ist jetzt ein
eLab. Man muss herumexperimentieren, testen und auch wieder lassen, wenn es nicht funktioniert."
Der
Buchhandel bangt um die
schwarze Umsatznull, bilanziert buchreport das erste Halbjahr 2006. Nach Minuswerten im Juni (9,4 Prozent) und Juli (3,7 Prozent) ergebe sich kumuliert lediglich ein knappes Plus von 0,1 Prozent. Weil die Adventszeit in diesem Jahr vergleichsweise kurz und außerdem keine Top-Seller a la
Dan Brown in Aussicht seien, ergebe sich eine düstere Perspektive für das restliche Jahr (mehr
hier und
hier). Aber der in diesem Heft
statistikverliebte buchreport lässt hoffen: "
Wunder geschehen immer wieder."
Immer häufiger überlassen die Kleinen den anrückenden Großen kampflos das Feld, in
Brühl, wo
Thalia noch im August eine Filiale eröffnet, wehrt sich der Platzhirsch
Köhl gegen die Konkurrenz. Ein "
Freundeskreis" soll für Solidarität mit dem Traditionalisten,
Treueprämien sollen für Kaufanreize sorgen. Manko: Der Standort der Thalia-Filiale ist bedeutend attraktiver.
Neben den Bohnen will
Starbucks (11000 Filiane weltweit) jetzt auch
Bücher verköstigen. In den USA hat die Kaffeehauskette in Kooperation mit der Literaturagentur
William Morris Agency das erste Buchprojekt vorgestellt: Der neue Roman "For One More Day" von
Mitch Albom soll ab 3. Oktober in den 5400 US-Filialen verkauft werden, begleitet von einer aufwändigen Werbekampagne (unter www.starbucksbookbreak.com legt sich der Kaffeeröster auch im Internet ins Zeug).
Weitere Artikel:
Weltbild eröffnet eine Filiale in Dortmund. Die
Hohe Straße in Köln ist die meistbesuchte Einkaufsstraße in Deutschland (17145 Passanten pro Stunde), gefolgt von der Frankfurter Zeil und der Stuttgarter Königstraße. Durch die Entzerrung der Ferientermine ergeben sich im
Schulbuchgeschäft gravierende Umsatzverschiebungen. Der
Preisverfall von DVDs (2005 um 10 Prozent, seit 1998 um 30 Prozent) irritiert auch die (wenigen) Buchhändler, die auch auf andere Medien setzen.
Lesetipp am Schluss: Im "
Postskriptum" nimmt
Emil Echo Bezug auf den
Scherz von
Wiglaf Droste, die israelische Luftwaffe solle statt Beirut lieber das namensähnliche
Bayreuth bombadieren. Echo reagiert mit einem Schüttelvers: "Bei Wagners auf dem Grünen Hügel / beziehen viele Hünen Prügel. / Deshalb zahl'n die aparten Kreise / auch hünenhafte Kartenpreise."
Mischt
Apple, nachdem iTunes vor Jahren den Startschuss für den legalen Vertrieb digitaler Musikdateien abgefeuert hat, jetzt die
Verlagsbranche auf? Das
Börsenblattt greift die durch den
Engadget-Blog verbreiteten Gerüchte, dass bei
iTunes demnächst auch E-Books verkauft werden, auf und verweist darauf, dass der iPod schon heute Texte anzeigen könne. PS: Doch selbst wenn die
neuen iPods ein noch kontrastreicheres Display erhalten, stellt sich die Frage, wer auf diesen kleinen Bildschirmen gerne längere Texte liest. Auch die
Videofunktion der aktuellen Modelle funktioniert tadellos, und trotzdem sieht man in der U-Bahn selten jemanden mit weißen Stöpseln im Ohr, der Kinofilme oder Musikvideos auf dem
2,5-Zoll-Schirm anschaut.
Wer hat
Angst vor
Amazon, könnte eine wöchentliche Kolumne in den Branchenblättern überschrieben sein. Diesmal klagen die
Kunstbuch-Sortimenter, weil der Onlinebuchhändler
englischsprachige Titel günstiger von den Verlagen einkaufen und (da die Titel nicht preisgebunden sind) in Deutschland günstiger als alle anderen anbieten kann. Konsequenz: Appetit holen sich die Leser zunehmend im Buchhandel, bestellt wird zu Hause am Rechner. Auch die
Bibliotheken bestellen nach den Börsenblatt-Recherchen zunehmend im Netz. In einem weiteren Artikel weisen die Frankfurter darauf hin, dass Amazon auch das Engagement im
Schulbuchgeschäft forciert und seit Juli ein großes "Schul-Special" mit mehr als 45000 Titeln hervorkehrt.
Zweiter großer Player, den die restliche Branche mit einer Mischung aus Hass und Bewunderung beobachtet:
Thalia. In einem vierseitigen Artikel zeichnet das Börsenblatt die
Strategie des größten Filialisten nach, ohne dem Leser allerdings viel Neuigkeiten anzubieten. Auf einer (bei
buchreport abgekupferten)
Karte zeigen die Branchenjournalisten, wie sich Thalia bereits nahezu flächendeckend in Deutschland ausgebreitet hat. Im
Interview präsentiert sich Thalia-Chef
Michael Busch unverbindlich und branchenpolitisch korrekt und bestätigt erneut die Strategie, Thalia als bundesweit bekannte
Marke etablieren zu wollen. Den
Marktanteil von Thalia schätzt Busch deutschlandweit auf "
unter fünf Prozent", im deutschsprachigen Raum auf sieben Prozent.
Last but not least steigt auch der
Spiegel ins Buch-
Editionen-Geschäft ein, mit 40 Bestsellern der vergangenen Jahrzehnte. Ob das mal gut geht, angesichts des Schwächelns einiger aktueller Editionen? Na klar, versichert Spiegel-Kultur-Chef
Matthias Matussek im Interview mit dem neuen BöBla-Chefredakteur
Torsten Casimir. Matussek hofft, dass sich die Edition als "
Best of"-Sammlung, "ähnlich wie eine gute Pop-Collection von Platten", behaupten wird. Bei der Lizenzjagd, räumt Matussek ein, habe der Spiegel nicht alle Wunschtitel bekommen, so fehle unter anderem
Gabriel Garcia Marquez.
In einem wunderbaren Streitgespräch - das Highlight der Ausgabe - treffen
Eichborn-Gestern (seines Zeichens
Vito von, 1995 als Geschäftsführer ausgeschieden) und
Eichborn-Heute (
Matthias Kierzek,
Matthias Bischoff) aufeinander. Unter seiner Regie wäre der Verlag stärker gewachsen und hätte die Schwergewichte
Moers und
Enzensberger vor dem Weggang bewahren können, betont der Verlagsgründer selbstbewusst. Interviewer Holger Heimann stellt scharfe Fragen, legt den Finger tief in die Wunden der heutigen Verlagschefs - Eichborn musste zuletzt
Umsatzeinbrüche und den
Rechtsstreit mit dem Mehrheitsaktionär
Ludwig Fresenius verkraften -, konfrontiert Kierzek mit der These, er sei kein richtiger Verleger. Allen drei hält er abschließend entgegen, dass sie nicht dort angekommen seien, wo sie hinwollten. Eichborns Replik: "Allein
Die andere Bibliothek gerettet zu haben, legitimiert das hier."
Weitere Artikel:
Random House expandiert in Korea und übernimmt den Verlag Joong Ang. 70 Prozent der Deutschen sind für die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Das
Handelsblatt bringt im September die Schäffer-Poeschel ein zwölfbändiges Wirtschaftslexikon heraus. Der Börsenverein kooperiert mit der
Deutschen Welle, um den Deutschen Buchpreis zu unterstützen. Der
buch.de-Umsatz ist im ersten Halbjahr 2006 um 23 Prozent gestiegen.